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Braunschweig: Hier dominiert der Ackerbau
So vielfältig wie die Landschaft ist auch die Landwirtschaft in der Region Braunschweig. Doch der Ackerbau bestimmt, wo es langgeht. Damit kann sich die Landwirtschaft sogar in dieser starken Wirtschaftsregion behaupten.
Lisa-Marie Broihan studiert Landwirtschaft in Soest und kümmert sich um die Landtechnik auf dem Ackerbaubetrieb der Familie Broihan, der außerdem 26 Mastschweine hält, diese selbst schlachtet und die Produkte daraus im eigenen Hofladen verkauft. Broihans Bauernhof ist einer der wenigen landwirtschaftlichen Betriebe in der Region Braunschweig, die überhaupt noch Tiere halten.
"Wir sind die Region mit der geringsten Viehdichte in Niedersachsen", sagt Carsten Grupe, Leiter der LWK-Bezirksstelle Braunschweig. Die offizielle Statistik für das Jahr 2016 beziffert die Tierbestände der Region mit 76.651 Rindern und 200.467 Schweinen, damit ist der Schweinebestand seit 1980 um rund 55 Prozent und die Zahl der Rinder um knapp 67 Prozent gesunken. Auch der Hühnerbestand schrumpfte, allerdings nur um rund acht Prozent auf 1.067 Mio. Tiere (2016).
Starker Ackerbau
Der Ackerbau zwischen "Harz und Heide" kann sich sehen lassen. Zusätzlich zu den 29.768 Hektar (ha) Grünland umfasst das Gebiet der Bezirksstelle 236.400 ha Ackerland. Ob Kartoffeln oder Spargel, ob Zuckerrüben oder Getreide – hier wächst alles, was Ertrag bringt. Denn die Böden sind fruchtbar, vor allem südlich der Autobahn A2 beziehungsweise des Mittellandkanals.
Diese ziehen eine Grenze zwischen den tiefgründigen, schweren und eher lehmigen Böden der Börde im Süden und den eher sandigen, leichten Böden in den Landkreisen Gifhorn und Peine. Dementsprechend konzentrieren sich die Landwirte im Norden der Region oft auf Kartoffeln, Spargel sowie Gerste, Mais und Roggen, südlich des Mittellandkanals kommen zusätzlich zu Weizen vor allem auch Zuckerrüben ins Spiel.
Wenig Gemischtbetriebe
Gemischtbetriebe sind in dieser Region selten. "In dieser Region haben Landwirte mit dem Ackerbau bessere Möglichkeiten, Gewinne zu erzielen", sagt dazu Carsten Grupe. Vor allem, wenn die Landwirte die Möglichkeiten zur Beregnung haben.
Diese ist gerade auf den leichten Böden oft bereits im Frühjahr unverzichtbar, doch auch an den bevorzugten Standorten macht die Beregnung – zumindest in den trockenen Jahren 2018 und 2019 – oft den Unterschied zwischen Wohl und Wehe aus. Daher betrachten die Landwirte der Region die Diskussion um Wasserentnahmerechte, Wassermanagement, Wasserschutz und nicht zuletzt die Roten Gebiete äußerst wachsam.
Viel Nebenerwerb
Auch zwischen Harz und Heide hat in den vergangenen Jahren die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe abgenommen und die verbliebenen Betriebe sind im Schnitt gewachsen. Da gerade die Region rund um Braunschweig, Wolfsburg und Salzgitter gute Möglichkeiten bietet, ein zusätzliches Einkommen außerhalb der Landwirtschaft zu verdienen, setzen auch viele Landwirte auf den Nebenerwerb.
Ebenfalls gut aufgestellt sind der vor- und nachgelagerte Bereich. So hat mit Nordzucker unter anderem Europas zweitgrößter Zuckerhersteller seinen Sitz in Braunschweig, die Rudolph und Sohn GmbH baut landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge in Salzgitter, die Wilhelm Stoll Maschinenfabrik GmbH stellt in Lengede im Landkreis Peine Frontlader her. Strube D & G GmbH befasst sich in Söllingen im Landkreis Helmstedt mit der Pflanzenzüchtung. Durch den starken Getreideanbau sind zudem gleich vier Mühlen zwischen Harz & Heide ansässig. Nicht zu vergessen die starken Landhandelsunternehmen.
Ein starker Wirtschaftsraum bringt auch Nachteile
Gerade in Braunschweig gibt es zudem viele Forschungseinrichtungen, die auf die Landwirtschaft spezialisiert sind oder ihr über die interdisziplinäre Forschung nahe sind. Dazu gehören unter anderem das von-Thünen-Institut, das Julius-Kühn-Institut, das Friedrich-Loeffler-Institut und der agrarmeteorologische Dienst des Deutschen Wetterdienstes.
Doch das Wirtschaften in einem starken Wirtschaftsraum birgt natürlich nicht nur Vorteile, sondern auch Risiken. So gibt es gerade in jüngster Zeit immer wieder Diskussionen um den "Flächenfraß" durch neue Siedlungs- und Gewerbegebiete oder Raststätten in Nähe der Autobahnen.
"Wir reden von 70 Hektar in Deutschland, die pro Tag verschwinden. Bei uns sind das keine Grenzertragsflächen, sondern bestes Ackerland", sagt Grupe. Nicht mehr ganz so angespannt sei dagegen der Kampf um den Berufsnachwuchs.
Guter Berufsnachwuchs
Viele zukünftige Betriebsleiter stehen selbstbewusst hinter ihrer Berufswahl. So kann man Wilhelm Behn aus Groß Twülpstedt im Landkreis Helmstedt die Begeisterung für seinen Beruf förmlich anhören. Dabei wollte er als Jugendlicher noch eine andere Laufbahn einschlagen. "Ursprünglich wollte ich aufgrund meiner Begeisterung für Technik Maschinenbau studieren."
Der Wendepunkt kam, als er seinen Treckerführerschein machte. "Ich habe gemerkt wie toll es ist, das im Sommer zu ernten, wofür man das ganze Jahr gearbeitet hat", erklärt er. "Es ist einfach ein unglaublich vielseitiger Beruf." Nach seinem Studium will Behn daher den elterlichen Betrieb übernehmen.
Für Luis Lütgering aus Salzgitter-Reppner ist die Tradition ebenfalls eher Bereicherung als Bürde: "Unser Betrieb ist seit 16 Generationen in Familienhand. Das ist etwas Besonderes und ich will es unbedingt fortführen", sagt der 22-Jährige, der den Betrieb gemeinsam mit seiner Mutter bewirtschaftet und parallel Landwirtschaft in Göttingen studiert.