Bei der Planung des niedersächsischen Doppelhaushaltes gab es offenbar Versäumnisse, die Kofinanzierung zur Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" (GAK) wurde vergessen. Jetzt fehlen 25 Millionen Euro Landesmittel. Wie kann das sein?
Der Haushaltsplanentwurf für 2022 und 2023 steht fest, doch ein Punkt wurde bei der Planung offenbar nicht berücksichtigt: Die Kofinanzierung zum GAK-Sonderrahmenplan. Doch was bedeutet das? Durch dieses Versäumnis verliert der ländliche Raum nun jährlich mehrere Millionen Euro. Dabei könnten die Landwirtinnen und Landwirte, aber auch die niedersächsischen Landkreise die Förderung gut gebrauchen, um Dorfleben, Dorfgemeinschaft und Infrastruktur voranzutreiben.
Was muss jetzt passieren?
Vergangenen Donnerstag (14. Oktober) hatte sich der niedersächsische Landtag zur Plenarsitzung getroffen. Im Rahmen der Sitzung bat Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast den Landtag darum, das bisher fehlende Geld bereitzustellen. Konkret bat sie den Landtag um 25 Millionen Euro, mit denen wiederum Bundesfördermittel in Höhe von 38,5 Millionen Euro gegenfinanziert werden sollen. FDP-Fraktionsmitglied Thomas Brüninghoff fragte den Landtag vergangene Woche, ob Niedersachsen Bundes- und EU-Fördermittel für die Landwirtschaft ungenutzt lasse. Otte-Kinast habe in der Sitzung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz am 29. September gesagt, dass sie sich "aufgrund unzureichender Mittelausstattung als Verliererin im Kabinett sehe".
Eigentlich hatte das Kabinett bereits im Mai die Finanzplanung für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) beschlossen. Hierzu hieß es damals, laut dem Landwirtschaftsministerium: "Die Mittel werden zielgerichtet für die Herausforderungen der Zukunft eingesetzt: Umwelt und Klima erhalten einen deutlich höheren Stellenwert als bisher, was sich in Agrarumweltmaßnahmen auf den landwirtschaftlichen Flächen ebenso niederschlägt wie in Vorhaben des investiven Naturschutzes oder der Beratung. Insbesondere werden die wichtigen Umbauprozesse unterstützt, um die Wettbewerbsfähigkeit und Stabilität einer nachhaltigen Landwirtschaft zu sichern."
Kritik von FDP und Grünen
Daraufhin fragten Abgeordnete der FDP-Fraktion Anfang September bei der Landesregierung an, in welchem Umfang in den letzten sieben Jahren Fördergelder durch mangelnde Kofinanzierung nicht abgerufen werden konnten und aus diesem Grund umgeschichtet werden mussten. Erst im Oktober antwortete die Regierung auf diese Kleine Anfrage. Laut der Landesregierung seien von 2014 bis 2020 in Programmen des Landes insgesamt Mittelumschichtungen in Höhe von 41,5 Millionen Euro erfolgt. Im Bereich ELER seien bis 2020 Mittelansätze für Maßnahmen der Breitbandversorgung, der Ausgleichszulage, der Fließgewässerentwicklung und der Technischen Hilfe in Höhe von insgesamt 61,25 Millionen Euro reduziert worden.
Die Konsequenz: Fehlen Fördergelder für Landwirte?
Grüne und FDP zeigten sich vergangene Woche im Landtag stark entrüstet. Ihre Angst: Gelder könnten nun bei anderen Projekten eingespart werden - unter anderem bei der Förderung von Landwirtinnen und Landwirten. Hermann Grupe von der FDP fragte die Agrarministerin daher in der vergangenen Sitzung direkt: "Frau Ministerin, vor dem Hintergrund, dass sich durch die fehlende Kofinanzierung offenbar Schwerpunkte der ELER-Förderung ändern: Wie wirkt sich das konkret auf die für die Landwirtschaft insgesamt zur Verfügung stehenden Mittel aus?" Hierauf antwortete Ministerin Otte-Kinast: "Die Landwirte werden weiter gefördert wie bisher. Es wird sogar noch mehr für die Landwirtschaft getan." Grupe fragte hier noch einmal nach, ob es sich um zusätzliche Mittel handele, die bereitgestellt werden sollen, um Bundesmittel zu binden oder ob es sich "nur um Verschiebereien" handele, um die "Lücken nur an andere Stellen zu schieben". Laut Otte-Kinast seien dies zusätzliche Mittel. "Wir nehmen nicht den Landwirten auf der einen Seite etwas weg, um es ihnen auf der anderen Seite wiederzugeben. Es ist on top!" Aber ist das der Fall?
Wird die Landwirtschaft von der Politik im Stich gelassen?
FDP und Grüne sehen dies nicht so. "Von der Landwirtschaft werden große Umbrüche erwartet, gleichzeitig wird sie von dieser Landesregierung finanzpolitisch im Stich gelassen", erklärte Hermann Grupe von der FDP. "Das geht so weit, dass Bundesmittel nicht mal mehr gegenfinanziert werden." Weiter sagte Grupe auf Anfrage der LAND & FORST: "Gerade einmal 1,2 Prozent des Landeshaushalts fallen auf den Agrarhaushalt. Bei diesem geringen Anteil ist es das Mindeste, dass das Land das Geld für die Gegenfinanzierung aufbringt. Alles andere zeugt von keiner Wertschätzung gegenüber der Landwirtschaft."
Kritik kommt auch von Miriam Staudte, agrarpolitische Sprecherin der Grünen: "Es wäre fatal, nun andere Programme zu streichen. Die Landesregierung muss nun gemeinsam dafür sorgen, dass dem Haus von Barbara Otte-Kinast das nötige Geld zur Verfügung gestellt wird." Und auch Dr. Wilfried Steffens, Experte für Agrarpolitik beim Landvolk Niedersachsen, zeigt sich enttäuscht von der Arbeit der Agrarministerin. Der LAND & FORST versicherte Steffens, dass diese Situation für die Landwirte unmöglich und so noch nie dagewesen sei.
Hat Finanzminister Hilbers Otte-Kinast Mittel verweigert?
Nach Informationen der Neuen Presse (NP) habe Finanzminister Reinhold Hilbers Landwirtschaftsministerin Otte-Kinast "ins Messer laufen lassen". So solle Hilbers bei den Haushaltsverhandlungen Otte-Kinast Mittel verweigert haben. Allerdings habe Otte-Kinast die Wichtigkeit der Kofinanzierung nicht direkt erkannt und die Absage akzeptiert - bis vor zwei Wochen. Damals machte die Ministerin deutlich: "Ich fühle mich als Verliererin im Kabinett", LAND & FORST berichtete.
Otte-Kinast: Agrarministerium fehlt Geld im Haushaltsentwurf
Stephan Weil offensichtlich wenig erfreut
Im Gespräch mit Ministerpräsident Stephan Weil habe Otte-Kinast das Haushalts-Problem offengelegt, doch Weil sei nicht begeistert gewesen, berichtet die NP weiter. Dies habe zwei Gründe: einerseits, weil sich die Ministerin bereits im Haushaltsausschuss beschwert habe und andererseits, weil der Entwurf bereits festgestanden habe. Dennoch sei das Problem der Landesregierung bewusst. Denn wenn Niedersachsen die Kofinanzierung zum GAK-Sonderrahmenplan nicht mobilisieren könne, wäre Niedersachsen das einzige Land in Deutschland, das Fördermittel in Berlin liegenlassen würde. In den kommenden Jahren könnte dies dann niedrigere Mittelansätze zur Folge haben.
Gab es bereits öfter Versäumnisse?
Scheinbar gibt es nicht erst in diesem Jahr Probleme mit Fördergeldern. Offenbar hat Niedersachsen auch in den vergangenen zwei Jahren rund 10 Millionen Euro Fördergelder in Berlin verfallen lassen. Otte-Kinast versuchte dies am Donnerstag mit der Corona-Pandemie und dem Baustoff-Engpass in der Baubranche zu rechtfertigen. Nun stellt sich jedoch die Frage, wie die Agrarministerin an das fehlende Geld gelangen kann, um die Kofinanzierung zu erwirken. Denn gerade in der Kommunalwahl bezeichnete sich ihre Partei, die CDU, als "stärkste Partei im ländlichen Raum".
Im Landtag erklärte Otte-Kinast auf Arbeitsebene dass sie Diskussionen führen und so gewährleisten wolle, dass keine Mittel verloren gingen. Zuversichtlich zeigte sich hier auch Finanzminister Hilbers. Zu den laufenden Beratungen wollte er sich jedoch nicht äußern, so die NP. Recherchen der NP zufolge wollen SPD und CDU die fehlende Summe in Höhe von 18 Millionen Euro aber nicht über die politische Liste aufbringen. Vom Landwirtschaftsministerium heißt es hierzu gegenüber der LAND & FORST: "Derzeit wird in engem Austausch mit dem Finanzministerium intensiv an einer Lösung gearbeitet, die vom Landtag anschließend noch beraten und beschlossen werden muss."