Vor dem Hintergrund des G7-Treffens macht sich Land & Forst-Chefredakteurin Maren Diersing-Espenhorst Gedanken über die Ziele und Aufgaben der Landwirtschaft. Ein Kommentar.
Moin liebe Leserinnen und Leser,
im Jahr 1957 legten Deutschland, Frankreich, Italien, Belgien, die Niederlande und Luxemburg im EWG-Vertrag fest, „die Produktivität der Landwirtschaft zu fördern, die Märkte zu stabilisieren und dabei der landwirtschaftlichen Bevölkerung eine angemessene Lebenshaltung zu sichern“. So kann man es auf der Website des Bundeslandwirtschaftsministeriums lesen. Das Ziel war, die Bevölkerung im Nachkriegseuropa ausreichend mit Nahrungsmitteln zu versorgen.
Traurig, dass wir heute, 65 Jahre später, vor ganz ähnlichen Aufgaben stehen. So rief die Gruppe der führenden demokratischen Industrienationen (G7) eine „Globale Allianz für Nahrungsmittelsicherheit“ ins Leben, um die drohende Versorgungskrise in vielen Teilen der Welt anzugehen. Zudem haben sie Russland aufgefordert, die Blockade ukrainischer Getreideexporte zu beenden. In dem umkämpften Land sollen mindestens 25 Mio. t Getreide liegen, die aufgrund der blockierten Häfen nicht exportiert werden könnten. Nun wolle und müsse man nach Möglichkeiten suchen, um die Ausfuhr mittels Lkws, Zügen oder Binnenschiffen zu gewährleisten. Eine herausfordernde Aufgabe, in einem Land, in dem Minen, Bomben und Panzer die Infrastruktur zerstören und Konvois beschossen werden.
Ukraine-Krieg trifft globales Miteinander
Beim Außenministertreffen der G7 wurde erklärt, dass Russlands Angriffskrieg nicht nur Folgen für die Ukraine habe. Die globalen Wirtschaftsaussichten hätten sich durch stark steigende Nahrungsmittel-, Treibstoff- und Energiepreise verschlechtert. Dies in Kombination mit dem fehlenden ukrainischen Getreide habe zur Folge, dass derzeit rund 43 Mio. Menschen kurz vor einer Hungersnot stünden.
Verschlechtert wird diese Situation nochmals durch das von Indien verhängte Exportverbot. Das Land ist mit etwa 110 Mio. t hinter der Europäischen Union und China der drittgrößte Weizenproduzent der Welt. Dort sorgte eine extreme Hitzewelle in den wichtigsten Produktionsregionen für eine geringere Erzeugung und einen Anstieg der Inlandspreise. Das angekündigte Ausfuhrverbot, lässt Ausnahmen zu: für bereits abgeschlossene Verträge. Dennoch schoss der Preis für Brotweizen am Montag weiter in die Höhe. Die MATif startete bei 430 Euro je Tonne für die neue Ernte.
Eine Doppelmoral, die fassungslos macht
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir forderte Indien auf, seiner Verantwortung als wichtiger Getreideversorger nachzukommen. Im Ernst? Und hierzulande sollen Flächen brachliegen oder langfristig aus der Produktion genommen werden? Das ist eine Doppelmoral, die mich fassungslos macht.
Und zu guter Letzt noch eine Anmerkung: Im Kommuniqué zum Abschluss des G7-Agrarministertreffens heißt es unter anderem: „Wir verpflichten uns, wo erforderlich, zügige, effektive und nicht handelsverzerrende Maßnahmen zu ergreifen, um die Märkte zu stabilisieren und ihre reibungslose Funktionsfähigkeit zu ermöglichen; auf diese Weise wollen wir die Lebensmittelversorgung sichern…“ – das hört sich fast an wie vor 65 Jahren…