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Agrarhaushalt: Intensive Debatten über Kürzungen für ländlichen Raum
Im Bundestag lieferten sich am Donnerstag Regierung und Opposition einen munteren Schlagabtausch. Noch sind Änderungen am Haushalt möglich.
Mit Spannung erwartet wurde die parlamentarische Debatte zum Bundeshaushalt Agrar für 2024. Im Vorfeld hatte vor allem das Aus der Borchert-Kommission und die bekanntgewordenen Kürzungen der GAK für Aufruhr gesorgt. Weder für den Umbau der Tierhaltung, noch für den ländlichen Raum wolle die Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) ausreichend Geld zur Verfügung stellen, so der Tenor.
Mahnschreiben an Cem Özdemir gegen die GAK-Kürzungen
Die geplanten Kürzungen führten bereits dazu, dass die grünen Länderagrarminister aus Brandenburg, Hessen und Sachsen lautstark ihren Protest kundtaten. Und im August hatten bereits die Minister der unionsgeführten Agrarministerin in Bayern, Baden-Württemberg, Berlin, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein in einem Mahnschreiben an Özdemir gegen die Kürzung der GAK-Mittel protestiert.
Krisenfeste Tierhaltung in Deutschland?
Alles war also bereitet für eine intensive Debatte. Der Bundeslandwirtschaftsminister hatte dann im Plenum jedoch kaum Verständnis für diese öffentlichen Protestbekundungen. Özdemir erklärte, „hätte man in den Jahren der Regierungszeit der Union mit den üppigen Geldern in die Zukunft investiert, müssten wir jetzt nicht hinter Ihnen herräumen.“ Für eine krisenfeste Tierhaltung in Deutschland sei bei der Union kein Geld vorhanden gewesen. An seine politischen Kritiker richtete er sich mit den Worten: „Den Strukturbruch vor dem Sie jetzt warnen, gab es zu Ihrer Regierungszeit. Die Zahl der schweinehaltenden Betriebe sank von 2010 bis 2020 von 60.000 auf 32.000, in Bayern von 20.000 auf 9000. Und ich soll jetzt mit dem Finger schnipsen und alles ist wieder gut? Das ist unterkomplex.“ Diese Koalition habe bei Tierhaltung, Emissions- oder Baurecht geliefert und werde weiter liefern.
Agrarminister von Grün bis Schwarz protestieren gegen Sparhaushalt
Landwirtschaft braucht Sicherheit der Politik
Auf Özdemir folgte der CDU-Politiker Steffen Bilger am Rednerpult. Der Agrarpolitiker forderte, die Politik müsse verunsicherten Landwirten Sicherheit durch klare politische Leitplanken geben – das nun geschehe gerade nicht unter Özdemir. Die GAK-Kürzungen würden heftige Einschnitte verursachen, die den Zusammenhalt im Land untergraben würden. Von großen Ankündigungen der Ampel blieben Verunsicherung und Frustration, sagte Bilger. „Für ein Aufbruchssignal für diesen Berufsstand ist das alles zu wenig.“
Der FDP-Politiker Gero Hocker erklärte in seiner Rede, verantwortungsvolle Landwirtschaftspolitik dürfe nicht mit dem Füllhorn durch die Lande ziehen - das habe früher bereits nicht gewirkt. „Die Koalition hat Gordische Knoten zerschlagen, die die Landwirtschaft gefesselt haben. Zu lange ist einfach nur Geld ohne Plan verteilt worden.“
150 Millionen statt einer Milliarde Euro für den Umbau der Tierhaltung
Ina Latendorf sprach für die Fraktion der Linken im Plenum. „Als Tochter eines Försters sage ich, wir haben hier nicht nur Kalamitäten, es ist ein Kahlschlag.“ Statt einer Milliarde Euro für den Umbau für Tierhaltung gebe es nur rund 150 Millionen im aktuellen Haushalt. Dass Borchert hingeschmissen habe, sei da nicht verwunderlich. „Die Ampel reduziert mit diesem Haushalt ganz bewusst die Gestaltungsfreiheit unserer Gesellschaft. Sie pumpt Milliarden und Abermilliarden in die Rüstung und schleift damit wider besseres Wissen die Möglichkeiten einer progressiven Entwicklung.“
Die Borchert-Kommission legt ihre Arbeit nieder
Ländlicher Raum ist mehr als Landwirtschaft
Für die CSU sprach der Landwirt Artur Auernhammer. Er ging direkt den Bundeslandwirtschaftsminister an: „Ob Bauernfamilien sich bei Ihnen für Ihre Politik bedanken, möchte ich bezweifeln. Sie hätten die Flächenstilllegung von vier Prozent verhindern können, haben Sie aber nicht. Sie verlagern lieber landwirtschaftliche Produktion ins Ausland.“ Die Ampel mache eine bewusste Politik gegen Bayern und bestrafe diejenigen, die ihre Finanzmittel komplett ausnutzen würden. „Die Fleißigen dürfen nicht die Dummen sein.“ Die GAK bedeute ja nicht nur einen schöneren ländlichen Raum, sondern auch wichtige Infrastruktur wie Arztpraxen.
Auernhammer wies Özdemir erneut darauf hin, dass das im Raum stehende Aus der Anbindehaltung für viele tausend Milchbauern das Ende bedeuten würde. Und ohne diese gebe es keine Zukunft für Kulturlandschaft und Artenvielfalt in vielen Teilen Bayerns. Für die Ampel-Koalition brach anschließend Frank Schäffler eine Lanze. Er wies darauf hin dass es zahlreiche Bereiche innerhalb des Förderprogramms gebe, in denen Bundesländer nur wenige oder gar keine Förderungen in Anspruch genommen hätten. „Unionsgeführte Landesregierungen sollten dafür sorgen, dass Mittel überhaupt abgerufen werden.“
Umbau der Tierhaltung: Özdemir nimmt keine Rücksicht auf Landwirte
(Kein) Herz für die Landwirtschaft?
Henning Otte von der CDU erklärte in seiner Rede, „ Sie haben kein Herz für die Landwirtschaft, Herr Bundesminister.“ Die Ampel solle Menschen keinen Sand in die Augen mit schönen Reden streuen, sondern für die Menschen im ländlichen Raum einstehen. Sinnbildlich würden die Kürzungen bei der GAK dafür stehen, dass eben gerade das nicht geschehe.
Das sah auch der CDU-Kollege Josef Rief so, der in seiner Rede darauf hinwies, „die GAK ist für unsere Regionen, mit Co-Finanzierungen, das größte und wirksame Förderinstrument. Diese Gelder kommen in jeder Gemeinde an.“ Nun sollten die Bauern ein Sonderopfer bringen - und das nach den Ankündigungen Özdemirs auf dem Deutschen Bauerntag. „Da hätte man denken können, da kämpft einer für den ländlichen Raum.“ Dies sei leider ein Irrtum gewesen. Die jetzigen Kürzungen würden den Fokus der Bundesregierung zeigen: Es gehe um die Ballungsräume. „Gleichwertige Lebensräume schafft die Ampel so nicht, dass sagen sogar die grünen Agrarminister der Länder.“
Digitalisierung im ländlichen Raum
Die Aussagen der Union führten dann doch noch zu stärkeren Emotionen unter den Regierungsparteien. Anne Monika Spallek (Grüne) griff in ihrer Rede die Union frontal an, redete lautstark ins Plenum: „Warum gibt es keine Digitalisierung im ländlichen Raum? Warum gibt es kaum Erneuerbare Energien? Warum haben Sie nicht investiert in den ländlichen Raum? Warum ist der Umbau der Tierhaltung nicht abgeschlossen, bei zwei unionsgeführten Landwirtschaftsministerien?“ Gleichwohl sagte sie, die Kürzungen bei der GAK würden sehr schmerzen, man versuche daher, sich im parlamentarischen Verfahren noch für Mittelrettung einzusetzen.
Empfehlungen des Haushaltsausschusses
Im Anschluss an die viertägige erste Lesung des Haushalts im September wird das Haushaltsgesetz nun zur federführenden Beratung an den Haushaltsausschuss überwiesen. Erfahrungsgemäß nimmt der Haushaltsausschuss in den Herbstwochen Änderungen an einigen Etatansätzen aus dem Finanzministerium vor. Letztlich entscheidet der Haushaltsausschuss über die jeweiligen Etatwünsche. Der endgültige Haushalt wird am Ende eines komplexen Prozesses Ende November festgelegt. Maßgeblich sind dabei die Empfehlungen des Haushaltsausschusses.