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Was die Bundesregierung beim Klimaschutz in der Landwirtschaft plant
Die Bundesregierung will 2022 ein Klimaschutz-Sofortprogramm beschließen. Zusammen mit dem „Osterpaket“ soll es den Weg zeichnen, wie Deutschland seine Verpflichtungen beim Klimaschutz erreicht. agrarheute berichtet über die Pläne für die Landwirtschaft.
Es ist eine der wichtigsten Maßnahmen der Bundesregierung von SPD, Bündnis 90 - Die Grünen und FDP im Kampf gegen den Klimawandel: Mit dem Klimaschutz-Sofortprogramm 2022, das noch vor der Sommerpause vom Bundeskabinett beschlossen werden soll, will die Ampel einen Fahrplan vorlegen, wie das Klimaschutzgesetz angepasst und welche weiteren rechtlichen Änderungen auf den Weg gebracht werden sollen. agrarheute liegen Informationen aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz über die Pläne vor.
Was ist das Ziel des Klimaschutz-Sofortprogramms 2022?
Das Klimaschutz-Sofortprogramm 2022 bildet zusammen mit dem Energiesofortmaßnahmenpaket (kurz „Osterpaket“) die wesentlichen beiden Bausteine der Strategie zum Erreichen der deutschen Klimaziele für das Jahr 2030. Die im Zuge des Sofortprogrammes notwendigen Gesetzesänderungen sollen, genau wie die Maßnahmen des Osterpakets, bis Ende 2022 umgesetzt werden. Bis 2030 soll Deutschland bekanntlich seine Treibhausgasemissionen um 65 % gegenüber 1990 reduzieren.
Warum braucht es ein Klimaschutz-Sofortprogramm?
Das Klimaschutz-Sofortprogramm 2022 mahnt, dass auf Basis aktueller Schätzungen – selbst unter Berücksichtigung der Auswirkungen der Covid-19-Pandemie – die Treibhausgas-Emissionen bis 2030 nur um 50 % gegenüber 1990 sinken werden. Daher sollen die im Bundes-Klimaschutzgesetz festgelegten Jahresemissionsmengen für Treibhausgase für alle Sektoren nachgeschärft werden. Betroffen sind dabei die Bereiche Energiewirtschaft, Industrie, Gebäude, Verkehr sowie Abfallwirtschaft und Sonstiges, aber eben auch die Landwirtschaft.
Was kommt beim Klimaschutz-Sofortprogramm auf die Landwirtschaft zu?
Laut Klimaschutz-Sofortprogramm 2022 müssen die Treibhausgas-Emissionen der Landwirtschaft deutlich stärker reduziert werden. 2021 stiess die deutsche Landwirtschaft rund 61 Mio. t CO2-Äquivalente aus. Das sind etwa 7 Mio. t mehr als es sein dürften, damit Deutschland seine Klimaziele für 2030 erreicht. Aufsummiert über die Jahre 2022 bis 2030 muss die Landwirtschaft damit noch rund 36 Mio. t CO2-Äquivalente einsparen. Die wichtigsten Ansatzpunkte dafür sieht das Sofortprogramm in einer effizienteren Düngung, einer Reduzierung der Nährstoffüberschüsse, im Umbau der Tierhaltung bzw. einer damit einhergehenden Senkung der Tierzahlen sowie klimabezogener Effizienzsteigerung, dem Ausbau des Ökolandbaus, der abgedeckten Aufbewahrung von Gülle und Gärresten sowie der energetischen Güllenutzung in Biogasanlagen. Außerdem soll die Energieeffizienz in der Landwirtschaft stärker bzw. breiter gefördert werden. Laut dem Sofortprogramm haben diese Veränderungen in Teilen bereits begonnen.
Düngegesetz ändern und Nährstoffmonitoring einführen
Die Bundesregierung plant, das Düngegesetz zu ändern und ein digitales Monitoring zur Nachverfolgung der Herkunft von Nährstoffen einzuführen. Dadurch soll der Vollzug der Düngeverordnung sichergestellt und die Ausweitung der Stoffstrombilanz unterstützt werden. Das Klimaschutz-Sofortprogramm verweist darauf, dass im Zuge der Neuabgrenzung der nitratbelasteten roten Gebiete eine Ausweitung um ca. 30 % gegenüber 2020 bevorsteht. Diese sei wichtig, um das Ziel einer Gesamt-Stickstoffbilanz von 70 kg Stickstoff je Hektar und Jahr im gleitenden Fünfjahresdurchschnitt zu erreichen. Derzeit seien keine weiteren Maßnahmen zur Einschränkung der Düngung vorgesehen, die Bundesregierung behält sich Nachschärfungen aber vor.
Stickstoffdüngung reduzieren und Qualität von Backweizen neu einstufen
Durch reduzierte Stickstoffdüngung sollen sowohl Emissionen von Treibhausgasen bei der landwirtschaftlichen Produktion als auch bei der Herstellung von Düngemitteln gesenkt werden. Um dazu beizutragen, dass dieses Ziel erreicht wird, sollen die Regeln für die Wertermittlung von Backweizen – unabhängig von dessen Rohproteingehalt – auf den Prüfstand. Auch soll die Wirksamkeit von Stickstoffdüngung in Bezug auf die Backqualität untersucht werden. Prüfen soll all diese eine noch einzusetzende Arbeitsgruppe.
Öko-Landbau ausbauen
Das Klimaschutz-Sofortprogramm wiederholt das Ziel des Koalitionsvertrags, den ökologischen Landbau bis 2030 auf 30 % der landwirtschaftlichen Fläche auszuweiten und den Anteil ökologischer und regionaler Produkte am Warenangebot für Verbraucher zu erhöhen. Konkrete Maßnahmen um dieses Ziel zu erreichen nennt das Sofortprogramm nicht. Es verweist stattdessen auf eine Aufstockung des Bundesprogrammes ökologischer Landbau, die geplante Stärkung des Anteils an Bio-Lebensmitteln in der Verpflegung Außer-Haus und die Weiterentwicklung der Eiweißpflanzenstrategie.
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Umbau der Tierhaltung
Das Klimaschutz-Sofortprogramm bekräftigt das Ziel, einen Gesetzentwurf für eine verbindliche Tierhaltungskennzeichnung bis zur Sommerpause 2022 zu erarbeiten. Außerdem soll ein Konzept für eine Förderpolitik zur Unterstützung der Tierhalter noch in diesem Jahr kommen. Unkonkret bleibt das Sofortprogramm bei möglichen Gesetzesänderungen zur Unterstützung des Umbaus der Nutztierhaltung, seien sie im Baurecht im Umweltrecht oder bei der Flächenbindung der Tierhaltung. Diese werden zwar als mögliche Handlungsfelder genannt und mit Ansatzpunkten für mögliche Veränderungen in Verbindung gebracht (z. B. „Reduzierung der Lebensmittelverschwendung“). Konkrete Vorschläge für Gesetzesinitiativen gibt es jedoch nicht. Der Text nennt jedoch die Einführung einer Abgabe oder die Rücknahme steuerlicher Vergünstigungen [Anm. d. Red.: Mehrwertsteuerermäßigung] als Optionen.
Umstellung auf stärker pflanzenbasierte Ernährung
Die Ernährung soll stärker auf pflanzliche und weniger auf tierische Produkte umgestellt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, verweist das Klimaschutz-Sofortprogramm auf bestehende Aktivitäten wie den nationalen Aktionsplan „In Form“. Als konkrete Ziele bekräftigt das Sofortprogramm die Umsetzung der Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung für die Gemeinschaftsverpflegung und verweist auf die Absicht, Kriterien für eine Nachhaltigkeitskennzeichnung unterstützen zu wollen. Bis 2023 soll laut Koalitionsvertrag auch eine Ernährungsstrategie beschlossen werden. Der Umbau auf eine stärker pflanzenbasierte Ernährung soll parallel zum Umbau der Nutztierhaltung kommen.
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Agrarförderung in der GAK umbauen
Das wichtigste nationale Förderprogramm für die Landwirtschaft ist die „Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK ). Sie soll laut Klimaschutz-Sofortprogramm neu ausgerichtet werden. Für Natur- und Klimaschutz soll es künftig mehr Geld geben. Kooperationen zwischen Landwirtschaft und Naturschutz sollen auf eine neue rechtliche Grundlage gestellt werden. Neue Fördertatbestände sollen kommen, etwa zur Anpassung an den Klimawandel. Maßnahmen wie der Humusaufbau in Böden oder die Stärkung biologischer Vielfalt in der Kulturlandschaft sollen stärker unterstützt werden. Auch sollen bestimmte landwirtschaftlich genutzte Flächen wie Hecken, Agroforstsysteme oder die Umwandlung von Acker zu Dauergrünland verstärkt gefördert werden.
Waldflächen ausdehnen und Waldumbau vorantreiben
Über die GAK soll laut Klimaschutz-Sofortprogramm die Neuanlage von 10.000 ha Wald pro Jahr von 2023 bis 2030 gefördert werden. Mehr Geld soll es nach 2022 auch für den Waldumbau und für das Beseitigen von Schäden durch extreme Wettersituationen im Wald geben. Schließlich sollen neue Anreize für zusätzlichen Klimaschutz und die Förderung von Artenvielfalt geschaffen werden. Diese Leistungen müssen aber über die Leistungen bisheriger Zertifizierungssysteme hinausgehen. Die seitens der Regierung gewünschte stärkere nachhaltige und regionale Nutzung von Holz müsse auf Basis eines nachhaltigen Waldmanagements erfolgen. Die Details dieser Pläne soll eine noch auszuarbeitende nationale Biomasse-Strategie klären.
Energieeffizienz steigern
Im Klimaschutz-Sofortprogramm steht, dass staatliche Maßnahmen zur Erhöhung der Energieeffizienz in der Landwirtschaft künftig nicht nur auf Gebäude und Maschinen abzielen, sondern verstärkt auch die direkte Nutzung von Strom etwa zur Heizung oder für Antriebstechnik nutzen sollen. Dazu soll das Bundesprogramm zur Steigerung der Energieeffizienz angepasst werden.
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Moore: Mehr Wiedervernässung und Flächenkauf durch Bund
Die Wiedervernässung von Moorböden soll durch ein noch zu erarbeitendes Bundesprogramm Klimaschutz durch Moorbodenschutz vorangetrieben werden. Ziele für ein solches Programm haben Bund und Länder bereits im November 2021 vorgelegt. So bald als möglich soll laut Klimaschutz-Sofortprogramm eine nationale Moorschutzstrategie beschlossen werden. Den Ländern soll die Ausweisung von Vorranggebieten für den Moorschutz erleichtert werden, außerdem soll die öffentliche Hand ein Vorkaufsrecht für Moorböden erhalten und der Bund punktuell Flächen zur Wiedervernässung kaufen. Schließlich sollen ein Ausstiegsplan für den Torfabbau vorgelegt und eine Förderkategorie für Photovoltaik-Anlagen auf wiedervernässten Moorböden im Erneuerbare-Energien-Gesetz geschaffen werden.
Neue Wildnis schaffen
Ein neues Programm „KlimaWildnis“ soll von 2023 bis 2030 die Entstehung von jährlich 3000 ha an neuen Wildnisflächen sichern. Die dazu notwendigen Flächen – etwa in Wäldern, Mooren, Auen, an Küsten, auf ehemaligen Truppenübungsplätzen oder in Bergbaufolgelandschaften – soll der Bund kaufen.
Sonstiges: Genetische Vielfalt und Bodenversiegelung
Als weitere flankierende Maßnahmen verweist das Klimaschutz-Sofortprogramm unter anderem auf ein geplantes Förderprogramm für Erhalt und nachhaltige Nutzung genetischer Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft. Außerdem steht im Text das Ziel einer Überprüfung der rechtlichen Grundlagen des Bodenschutzes sowie die Steigerung der Flächenentsiegelung bzw. Reduzierung der Flächenversiegelung. Des Weiteren soll ein neues Förderprogramm Hubschrauberbetreibern Verluste ausgleichen, wenn deren Flüge in Land- und Forstwirtschaft künftig verstärkt durch Drohnen ersetzt werden.