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Fragestunde mit Özdemir: Umbau der Tierhaltung das Wichtigste
Der Verband deutscher Agrarjournalisten (VDAJ) stellt Fragen an Agrarminister Cem Özdemir - unter dem Motto "100-Tage-Bilanz".
Das wichtigste Projekt in diesem Jahr ist für Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir der Umbau der Tierhaltung, wie er heute (31.3.) in einer Fragestunde mit Agrarjournalisten in Berlin erklärte.
Der Umbau der Ställe sei eine Antwort auf die Krise und passe sehr wohl in die Zeit, sagte Özdemir vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges. „Wenn wir die Tierbestände reduzieren, leisten wir einen Beitrag zum Tierschutz und zum Klimaschutz“, so der Minister. Mit einer gesicherten Finanzierung für die Transformation der Tierhaltung will er zudem die Entwicklung der vergangenen zehn Jahre stoppen, nämlich dass immer weniger Landwirte von der Schweinehaltung leben können. In der Frage der Stilllegung von Agrarflächen zeigte sich der Grüne nicht kompromissbereit.
Finanzierung wird „mit Hochdruck“ geklärt
Özdemir hob hervor, dass es ihm gelungen sei, für die nächsten vier Jahre eine Anschubfinanzierung in Höhe von 1 Mrd. Euro für die Transformation der Tierhaltung zu sichern. Mit den Koalitionsfraktionen will er nun „mit Hochdruck“ klären, wie die anschließende dauerhafte Finanzierung der Mehrkosten der Landwirte unterstützt werden kann. Dabei favorisiert Özdemir das Modell einer „nutzerbasierten“ Umlage. Eine rein privatwirtschaftliche Lösung über Einzelverträge zwischen Erzeugern und Handel hält er für ebenso wenig sinnvoll und realisierbar wie eine Anpassung der Mehrwertsteuersätze. Mit der Haltungskennzeichnung will der Minister noch im laufenden Jahr für Schweinefleisch starten.
Keine Bewegung bei der Stilllegung
Keine Flexibilität zeigte Özdemir bei der Nutzung von stillgelegten Agrarflächen. Der Grüne erinnerte daran, dass er die Nutzung von Ökologischen Vorrangflächen (ÖVF) für die Futtergewinnung in diesem Jahr zulassen will. „Das hilft sofort“, unterstrich Özdemir. Wer aber fordere, die ÖVF für den Getreideanbau und den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln freizugeben, „der versteckt seine wirtschaftlichen Interessen hinter der Ukraine“, so der Minister. Die EU-Kommission will dies im laufenden Jahr bekanntlich tolerieren. Der Bundesminister zeigte keine Bereitschaft, in Brüssel für eine Aussetzung der Zwangsbrache von 4 % im kommenden Jahr einzutreten. Wer über Ernährungs- und Versorgungssicherheit sprechen wolle, der müsse über Agrarkraftstoffe reden und darüber, dass 60 % des Getreides im Futtertrog landeten, so Özdemir. Er sagte, das bisherige System der Futtermittelimporte und Tierproduktion sei „krachend an die Wand gefahren“ worden; das werde er nicht noch beschleunigen.
Entscheidung über Mittel aus der Krisenreserve noch offen
Zur Verwendung der 60 Mio. Euro, die Deutschland in diesem Jahr aus der EU-Krisenreserve erhält, ist im Agrarministerium offenbar noch keine Entscheidung getroffen worden. Zuerst brauche er die Zustimmung des Parlaments, die EU-Gelder um 120 Mio. Euro aus dem Bundeshaushalt aufzustocken, sagte Özdemir. „Dann kriegen wir das Geld schon ausgegeben“, versicherte der Grüne. Er kündigte ferner an, noch in diesem Jahr ein Gesetz zum klimaresilienten Umbau der Wälder vorzulegen. Finanzielle Mittel dafür seien im Haushaltsentwurf der Koalition eingeplant. Eine Anhebung der Bundesmittel für die landwirtschaftliche Sozialversicherung wollte Özdemir nicht zusagen. Zur grünen Gentechnik äußerte sich der Minister offen. „Ich bilde mir gerade eine Meinung“, sagte der Minister. Zwischen konventioneller und ökologischer Landwirtschaft sieht er in der Praxis ohnehin kaum eine Konfrontation. Er sprach sich dafür aus, die Forschung zum Ökolandbau zu stärken, um seine Effizienz zu verbessern. Seiner Einschätzung nach ist das Effizienzpotenzial der ökologischen Landwirtschaft noch nicht ausgeschöpft.
Die Fragerunde mit dem Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir moderierten Katrin Fischer und Michael Lohse.
Hier können Sie die Aufzeichnung sehen.