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Grüne Agrarministerin - was kommt auf die Landwirtschaft zu?
Die SPD und Die Grünen haben nun ihren Koalitionsvertrag vorgelegt. Für die Agrarpolitik haben die beiden Parteien drei Schwerpunkte definiert: Klimaschutz, Ökolandbau und eine tiergerechte Tierhaltung.
Die Koalitionsverhandlungen sind abgeschlossen. Am Dienstag (2. November) stellte die neue, rot-grüne Landesregierung ihren Koalitionsvertrag mit dem Titel „Sicher in Zeiten des Wandels – Niedersachsen zukunftsfest und solidarisch gestalten“ vor. Nach eigenen Angaben setzen sich die Parteien darin „ambitionierte Ziele“ und legen ihren Fokus bei der Regierung auf die Krisenbekämpfung, den Klimaschutz, Bildung und gute Lebensbedingungen in Stadt und Land.
Was kommt auf die Landwirtschaft zu?
Für die Landwirtschaft stellen die Parteien darin fest: Die Landwirtschaft in Niedersachsen ist wichtig, denn sie bildet die Grundlage des Wohlstandes. Doch sie ist auch von Krisen gebeutelt und steht „enormen Herausforderungen“ gegenüber. Die neue Landesregierung will hier ansetzen und den Landwirten eine Zukunft bieten, indem sie sich für mehr Planungssicherheit, mehr Wertschätzung, stabile Einkommen und effektiven Klimaschutz einsetzt. Das Landwirtschaftsministerium wird künftig Miriam Staudte von den Grünen übernehmen, das Umweltministerium wird ihr Parteikollege Christian Meyer leiten.
Das sind die drei Schwerpunkte
In ihrer Agrarpolitik setzt die Koalition dabei auf drei Schwerpunkte, die den Klimaschutz, den Ökolandbau und die Tierhaltung betreffen:
- Die Land- und Forstwirtschaft soll mit einem „Sonderprogramm Klimakrise“ beim Klimaschutz und -anpassung unterstützt werden. Das soll durch gezielte Förderungen zum Klimaschutz erreicht werden. Darunter fallen insbesondere der Moorschutz, die Klimafolgenanpassung und mehr Mittel für die Investitionen zur Bewältigung von Extremwetterereignissen. Zum Schutz des Bodens vor Erosion, Versiegelung und stofflichen Einträgen wird die Koalition eine „Gesamtstrategie Boden“ entwickeln, die sich an den Bodenschutzzielen der EU orientiert. Sie steht außerdem hinter der Idee des Carbon Farming.
- Mit einer Ökolandbau-Offensive will Rot-Grün den Ökolandbau fördern: Bis 2025 sollen mindestens 10 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche ökologisch bewirtschaftet werden, 2030 sollen es 15 Prozent sein. Dafür will rot-grün die Beratung ausbauen und die Investitionsförderung ökologisch ausrichten. Die Nachfrage nach Bio-Produkten soll darüber angekurbelt werden, dass öffentliche Einrichtungen sie vorwiegend anbieten. Bis 2030 sollen sie auf Bio umgestellt sein.
- Fokus auf eine tiergerechte Tierhaltung: Die planungs- und genehmigungsrechtlichen Voraussetzungen für den Umbau der Tierhaltung sollen auf Bundesebene vorangetrieben werden. Zudem will sich die rot-grüne Koalition für eine Finanzierung einsetzen, die dann durch Mittel des Landes ergänzt werden sollen – insbesondere für die Schweinehaltung. Leitbild für die Förderung ist die flächengebundene Tierhaltung.
Koalitionsvertrag knüpft an Niedersächsischen Weg an
Rot-Grün betont in ihrem Koalitionsvertrag, dass sie sich zu den Zielen der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) bekennt, sowie zu den Ansätzen und Finanzierungsinstrumenten der Borchert-Kommission, zum Niedersächsischen Weg und zur niedersächsischen Ernährungsstrategie. In diesem Zuge wird die Landesregierung auch den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, wie im Niedersächsischen Weg vereinbart, deutlich reduzieren. Sie steht auch hinter den Zielen des Green Deal für mehr Klimaschutz und der Farm-to-Fork-Strategie.
Außerdem sollen das Pflanzenschutzamt und die Prüfdienste der Landwirtschaftskammer künftig beim Niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (Laves) angesiedelt werden.
Nach Landtagswahl: Grüne übernehmen wichtige Ressorts für Landwirte
Wie kommt das bei den Landwirten an?
Wie kommt Miriam Staudte bei Niedersachsens Landwirtinnen und Landwirten an? Laut NDR werde Staudte recht wohlwollend aufgenommen. Sie sei fachlich kompetent und bringe viel Wissen mit, auch wenn sie im Gegensatz zu Otte-Kinast keine Landwirtin ist, so einige Stimmen. Sorge gibt es wegen Christian Meyer, der bei einigen nicht in guter Erinnerung ist. Er könne viel Einfluss auf Staudte nehmen, fürchten einige.
Die Agrarpolitik soll vor allem eines - verbinden. Henrich Dierkes von der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) betont, man könne Agrarpolitik nicht ohne die Beteiligten machen. Der rot-grüne Koalitionsvertrag in Niedersachsen sei ein durchaus hoffnungsvoller Start, aber er enthalte auch kritische Punkte für die Schweinehaltung. Das müsse eben im gemeinsamen Dialog angegangen werden.
Konkret sollen strengere Voraussetzungen für Tiertransporte geschaffen werden, Antibiotikaeinsatz soll weiter reduziert werden. Der Brandschutz für Ställe soll rechtlich verbessert werden. Ein "Zukunftsprogramm Diversifizierung" zur Förderung der Reduzierung der Tierbestände und des tiergerechten Stallumbaus soll finanziert werden.
"Der angekündigte Politikstil klingt vielversprechender als in Berlin, wo Entscheidungen komplett über die Köpfe der Landwirte hinweg getroffen werden", resümiert ISN-Geschäftsführer Dr. Torsten Staack. Es stimme zuversichtlich, dass es mit der Weiterentwicklung der Tierhaltung und Schaffung von Planungssicherheit endlich vorangehen könne. In Bezug auf die Schweinehaltung seien "dicke Bretter zu bohren". Die Hand auszustrecken, sei aber das richtige Signal der neuen Landesregierung.
Streitthema Wolfsmanagement
Was wird unter der neuen Landesregierung aus dem Dauerthema Wolf?
Mit seiner klaren Linie gegen Problemwölfe hatte Olaf Lies in den vergangenen Jahren einige Wolfsabschüsse in Niedersachsen durchführen lassen. Doch mit dieser Praxis könnte nun Schluss sein. Das Umweltministerium fällt den Grünen zu, Christian Meyer wird neuer Umweltminister.
Die Grünen hatten im vergangenen Jahr vor dem Staatsgerichtshof in Bückeburg geklagt, weil sie in Erfahrung bringen wollten, welche Abschussgenehmigungen zum damaligen Zeitpunkt vorlagen. Christian Meyer, damals wolfspolitischer Sprecher der Grünen, hatte dazu unter anderem gesagt: "Wir fordern einen sofortigen Stopp der Wolfsjagd in Niedersachsen".
Meyer setzt darauf, "die Rückkehr des Wolfes mit dem Schutz der Weidetierhaltung bestmöglich zusammenzuführen". Um Konflikte zu vermeiden, will er einen flächendeckenden Herdenschutz. Weidetierhalter sollen mit einer Weidtierprämie unterstützt werden, auch die Rinderhaltung.
Landvolk will keine Schwächung der Kammer akzeptieren
Das Landvolk sieht den Koalitionsvertrag mit gemischten Gefühlen. „Wir begrüßen das Bekenntnis zum Niedersächsischen Weg, denn wir wollen daran festhalten und uns bei der Umsetzung weiter einbringen“, sagt Dr. Holger Hennies. Aber: „Nicht akzeptieren werden wir eine Schwächung der Landwirtschaftskammer als Teil des niedersächsischen Weges“, stellt der Landvolkpräsident klar.
Dass das Pflanzenschutzamt und die Prüfdienste der Landwirtschaftskammer (LWK) zukünftig beim Niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (Laves) angesiedelt werden sollen, hält das Landvolk für kontraproduktiv. Dies entspreche auch nicht den Verabredungen zum Niedersächsischen Weg und würde den gerade erst ausgehandelten Kompromiss zur Verringerung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln in der Umsetzung gefährden.
Positiv bewertet Hennies die Absicht, eine Umstellungsprämie für den Ausstieg aus Bereichen der Tierhaltung und den Einstieg in andere Betriebszweige zu erörtern. Eine Umstrukturierungsprämie entspreche der Beschlusslage des Landvolks Niedersachsen.