Traktor Demo Berlin

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Simon Michel-Berger | am

Wir haben es satt-Demo: Schelte für Cem Özdemir

In Berlin fordern am 21. Januar 2023 zahlreiche Menschen auf einer Kundgebung eine „sozial-gerechte Agrarwende“ und „gutes Essen für alle. Über 100 Umwelt- und Landwirtschaftsorganisationen legten einen 6-Punkte-Plan vor. Mit Kritik an Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir wurde nicht gespart.

Vertreter der Demonstration „Wir haben es satt!“ haben heute Vormittag in Berlin eine Protestnote an Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir übergeben. Sie fordern unter anderem „Zugang zu gesunder und umweltgerechter Ernährung für alle Menschen“, „die Sicherung dauerhaft fairer Erzeuger*innenpreise“ und eine faire Verteilung gesellschaftlichen Reichtums. Laut Polizeiangaben waren bei der Übergabe der Note vor dem Auswärtigen Amt in Berlin 54 Traktoren und rund 100 Demonstrierende vor Ort.

Warum wird Cem Özdemir kritisiert?

Bündnis-Sprecherin und Afrika-Referentin Inka Lange warf Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir vor, zu mutlos und zu langsam zu sein. Viele Taten seien nicht passiert, das Höfesterben gehe weiter und auch beim Klima passiere nichts. Dafür würden immer mehr Agrarindustriebetriebe genehmigt. Sie übergab Özdemir einen Forderungskatalog in Form eines Sechs-Punkte-Plans. Hinter dem Plan stehen laut Veranstaltern der Demonstration über 100 Organisationen, darunter Vertreter aus Landwirtschaft, Umweltschutz und Gewerkschaften.

Wie reagierte Cem Özdemir auf die Kritik?

Özdemir verwies seinerseits auf die im Auswärtigen Amt stattfindende Konferenz mit Agrarministern aus der ganzen Welt, bei der es um die gleichen Themen ginge, die auch die Demonstranten forderten. Er erinnerte dran, "dass nicht alle Bäuerinnen und Bauern und vor allem ihr Vertreter so reden, wie die AbL ["Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft", Red.] und wie sie. Die anderen sagen genau das Gegenteil." Er sage auch beim Deutschen Bauernverband, dass wer Ernährungssicherheit, Klimaschutz und Biodiversität gegeneinander ausspiele, am Ende alles verlieren werde. Der Minister teile die Ungeduld der Demonstranten. Allerdings wäre es unehrlich und "vielleicht auch nicht ganz wahrhaftig" zu erwarten, dass "in einem Jahr die Folgen von 16 Jahren falscher Politik ungeschehen gemacht werden könnten".

Endlich geht es wieder los: In Berlin startet an diesem Freitag die Messe „Internationale Grüne Woche“.

Wohin will Cem Özdemir die Nutztierhaltung führen?

Der Bundeslandwirtschaftsminister sagte im Hinblick auf Kritik an den langsamen Umbau der Tierhaltung: "Wir haben mächtige Gegner." In der alten Bundesregierung hätten Abgeordnete teilweise auch mit landwirtschaftlichem Hintergrund dafür gesorgt, dass die Vorschläge der Borchert-Kommission und der Zukunftskommission Landwirtschaft nicht umgesetzt worden seien, obwohl diese breite Unterstützung aus Landwirtschaft, Umweltschutz und Wissenschaft gehabt hätten. Jene Abgeordneten hätten vom alten System profitiert. Dies sei nun vorbei. Die Bundesregierung werde eine Politik in Deutschland machen, die auf "weniger Tieren", "mehr Platz für Tiere" und "verlässlicher Förderung für diejenigen, die sich auf den Weg machen" setze.

Was fordert "Wir haben es satt!"?

Die Forderungen der Demonstration "Wir haben es satt!" sind:

  • Regelsatzlücke von über 250 Euro im Bürgergeld schließen, Sanktionen und Leistungskürzungen überwinden, Versorgung mit fair produzierten, umweltgerechten Lebensmitteln für alle Menschen umsetzen;
  • Sozialleistungen müssen ökologischen Konsum ermöglichen;
  • Preisdiktat der Supermarktketten stoppen, Einkauf unter Produktionskosten verbieten und regionale, bäuerliche und ökologische Strukturen (z.B. durch öffentliche Kantinen) stärken;
  • ausreichenden Mindestlohn und armutssichere Renten garantieren, Inflationsausgleich schaffen und eine stärkere Tarifbindung in Landwirtschaft, Nahrungsmittelverarbeitung und im Einzelhandel unterstützen;
  • Übergewinnsteuer auch bei Agrar-, Lebensmittel-, Handels- und Düngemittelkonzernen erheben, Vermögenssteuer einführen und Kapitalerträge konsequent besteuern, niedrige und mittlere Arbeitseinkommen entlasten, Mehrwertsteuer auf klimagerechte Lebensmittel senken und umweltschädliche Subventionen stoppen;
  • Ackerflächen, wo möglich, für menschliche Nahrung statt für Futter- und Biosprit-Anbau nutzen und Lebensmittelverschwendung beenden;
  • Lebensmittelspekulation verbieten, Recht auf Nahrung durch freies Saatgut und gerechte Landverteilung unterstützen, gentechnikfreie Landwirtschaft sichern, mehr Entwicklungsgelder für die sozial-ökologische Transformation der Ernährungssysteme bereitstellen und unfaire Handelsabkommen stoppen.

Wie ging die Demonstration weiter?

Die diesjährige Demonstration „Wir haben es satt!“  hat um 12 Uhr mit einem Protestzug am Brandenburger Tor begonnen und endete dort mit einer Kundgebung gegen 14.30 Uhr. Der Demonstrationszug führt unter anderem an der Bundesgeschäftsstelle der FDP und dem Bundeslandwirtschaftsministerium vorbei. Die Veranstalter sprachen von "10.000 Menschen, die bei klirrender Kälte demonstrierten". Die Polizei geht in einer vorläufigen Schätzung der Anzahl der beteiligten Personen von einer "hohen vierstelligen Zahl" aus.

Mit Material von "kampagne meine Landwirtschaft"

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