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Josef Koch | am

Werden Landwirte zum Anhängsel des Umweltministeriums?

Die Opposition warnt bei einer Allianz von Özdemir und Lemke vor dem Überflüssigwerden des Bundesagrarministeriums.

Der Schulterschluss von Bundesagrar- und Bundesumweltministerium (BMUV), den die Ressortchefs Cem Özdemir und Steffi Lemke auf dem Agrarkongress diese Woche angekündigt haben, sorgt in der Opposition für Diskussionen. Beim digitalen agrarpolitischen Jahresauftakt des Deutschen Bauernverbands (DBV) bekräftigte Özdemir seine Absichten: "Die Zeit ist reif, Landwirtschaft und Umwelt zusammenzubringen."

Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Steffen Bilger, warnte vor der Gefahr, das Agrarministerium (BMEL) könne nur noch ein Anhängsel des BMUV werden. Er räumte aber ein, die Konfrontation zwischen den beiden Häusern in den vergangenen vier Jahren sei nicht optimal gewesen.

Damit kritisierte er auch indirekt die frühere CDU-Agrarministerin Julia Klöckner. So gab es bis zum Ende der Großen Koalition Reibereien zwischen beiden Ministerien, die zu Verzögerungen bei der Verabschiedung der Strategiepläne für die Agrarreform ab 2023 führten. Eine Moorschutzstrategie scheiterte sogar komplett. Das soll sich laut Özdemir jetzt ändern.

Grüne sehen Allianz als positives Signal

Artur Auernhammer, Agrarsprecher der CSU-Fraktion, mahnte, die Allianz zwischen Agrar- und Umweltministerium dürfe nicht dazu führen, dass das BMEL künftig überflüssig werde.

Die Vorsitzende der Grünen im Bundestag, Britta Haßelmann, fand die Argumente der Union "zu platt". Sie favorisiert, wenn Landwirtschaft, Umwelt und Ernährung "endlich zusammengedacht würden". Der Schulterschluss sei eine klare Botschaft: "Es geht nur gemeinsam mit den Landwirten". Die jahrelangen Blockaden hätten nur zu massivem Höfesterben und sinkender Wertschöpfung für Landwirte geführt.

SPD unterstützt Kurs der Grünen

Koalitionspartner SPD unterstützt den Grünenkurs. Laut Fraktionschef Rolf Mützenich kann es damit auch wieder gelingen, mehr Wertschätzung für die Bauern und Respekt vor ihrer Arbeit zu erreichen. Damit der Umbau der Landwirtschaft gelingt und Verbraucher ihn mitfinanzieren können, verteidigte er die Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro/h. "Nur bei auskömmlichen Löhnen können Verbraucher mehr Geld für Lebensmittel ausgeben."

Zurecht nähmen aber Landwirte die Handelspraktiken "aufs Korn". Britta Haßelmann sieht dabei vor allem den Verkauf von Lebensmitteln unter den Produktionskosten und die starke Konzentration im Lebensmittelhandel als Hindernis für faire Erzeugerpreise.

Für die Fraktionschefin der Linken, Amira Mohamed Ali, ist der Verkauf unter Produktionskosten nicht akzeptabel. Hier muss die Regierung nicht nur prüfen, sondern handeln. Ihrer Ansicht nach nützen höhere Lebensmittelpreise nichts, solange die großen Akteure wie Lebensmittelhandel, Schlacht- und Molkereiwirtschaft, diese für sich kassieren und nicht an die Bauern weitergeben. Sie plädierte für mehr regionale Wirtschaft.

Union will Agrarmarketing-Agentur

Bemerkenswerterweise führte das Stichwort Regionalität in der Talkrunde zu einem Schulterschluss von CSU und Linken. Auernhammer betonte, dass Regionalität und ein mittelständisches Handwerk mit Metzgern und Bäckern in Bayern durchaus für den Erhalt kleinerer und mittlerer Landwirtschaftsbetriebe sorgten. Ihm bereite aber die zunehmende Bürokratie Bauchschmerzen, die für viele Betriebe im Süden das Aus bedeuteten, wenn sie beispielsweise ihre Anbindeställe umbauen wollten.

SPD-Vizefraktionschef Matthias Miersch pflichtete dem CSUler bei. Er sieht in der Regionalität gute Chancen, Einkommenspotenziale für die Bauern zu heben. Diese Erkenntnis der SPD erfreute CDU-Fraktionsvize Bilger. Er hofft, dass die Koalition den Unionsvorschlag für eine Marketingagentur unterstützen werde. Kommende Woche will die Union den Antrag im Bundestag einreichen.

Ökoregelungen und Baurecht auf Prüfstand

Beim Baurecht versicherte Miersch, werde die Regierung noch dieses Jahr Erleichterungen für Stallumbauten voranbringen und dafür Tierwohlkriterien festlegen. Gleichzeitig hält Miersch aber Nachbesserungen bei der Agrarreform für nötig, die ihm zu wenig ökologisch sei. Özdemir und Lemke wollen noch dieses Jahr unter anderem die Ökoregelungen diesbezüglich auf den Prüfstand stellen. Als Leitbild sieht die Ampel den ökologischen Landbau.

FDP-Fraktionschef Christian Dürr ergänzte, Änderungen im Baurecht seien mit den Ländern abzustimmen. Das koste Zeit. "Ganz klar ist aber, dass Landwirte, die Außenklimaställe bauen wollen, nicht durch das Immissionsschutzrecht und TA-Luft ausgebremst werden dürfen", so Dürr. Für den Liberalen ist klar: Für eine wirtschaftlich erfolgreiche Landwirtschaft sind auch Exporte und Drittlandshandel nötig. Ebenso müsse man auf dem Binnenmarkt für einheitliche Produktionsstandards sorgen.

AfD-Vertreter Stephan Protschka konnte Dürr nur bedingt zustimmen. Er plädierte ebenfalls für EU-einheitliche Standards und verlangte, dass EU-Vorgaben in Deutschland nur 1:1 umgesetzt werden dürfen. Den Sinn von Freihandelsabkommen wie Mercosur hinterfragte er allerdings, wenn Lebensmittel mit niedrigeren Umweltstandards nach Deutschland gelangen. "Daher ist eine Herkunftskennzeichnung enorm wichtig", so Protschka.

Linke will Bodenpreise regulieren

Obwohl Miersch die Ampelkoalition als "ökologisch, sozial und liberal" bezeichnete, vermisste die Linke klare Aussagen der Regierung zum Bodenmarkt und den steigenden Bodenpreisen. "Das ist unsozial, wenn Landwirte von ihrem Land verdrängt werden", so Mohamed Ali. Sie drängt auf eine Regulierung, um außerlandwirtschaftliche Investoren zu stoppen. Auch Auernhammer sieht hier Gefahren, vor allem wenn nach den Regierungsplänen mehr Agrarflächen für Solaranlagen benötigt werden. "Viele Verpächter geben dann das Land wegen höherer Rendite lieber Investoren als Landwirten", warnte der CSU-Vertreter.

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