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LEH veröffentlicht Verhaltenskodex
Der Handelsverband Deutschland (HDE) verpflichtete sich vergangene Woche zu einer fairen Zusammenarbeit mit den Landwirten. Wie der Verhaltenskodex in der Branche ankommt, erfahren Sie hier.
Neue Dynamik in der Debatte
Die unbefriedigende Ertragslage der landwirtschaftlichen Erzeuger habe der Debatte in den letzten Monaten neue Dynamik verliehen und öffentliche Aufmerksamkeit verschafft, heißt es von Seiten des HDE. "Der deutsche Lebensmitteleinzelhandel hat ein großes Interesse an einer heimischen Landwirtschaft und einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit den landwirtschaftlichen Erzeugern. Dabei handelt es sich keineswegs nur um ein Lippenbekenntnis", betonte HDE-Präsident Josef Sanktjohanser.
Mit Augenmaß und Dialog vorgehen
In dem Verhaltenskodex verpflichtet sich der Handel, unter anderem wichtige Teile der sogenannten UTP-Richtlinien zum Schutz von Landwirten und Lieferanten vor unfairen Praktiken der Handelsriesen, ab sofort anzuwenden und nicht auf eine gesetzliche Regelung zu warten. Das gilt etwa für den Verzicht auf einseitige Vertragsänderungen oder die einseitige Durchsetzung von Listungsgebühren, Werbekosten- oder Vermarktungszuschüssen gegenüber den Landwirten.
Zudem kündigen die Händler an, neue Produktionsstandards - etwa für mehr Tierwohl - künftig "mit Augenmaß und im Dialog mit landwirtschaftlichen Erzeugern" setzen zu wollen und den damit verbundenen Mehraufwand bei der Gestaltung der Lieferverträge angemessen zu berücksichtigen. Und sie signalisierten, dass neben dem Preis auch andere Faktoren wie Qualität, Nachhaltigkeit, Tierwohl oder Regionalität eine größere Rolle in der Werbung spielen könnten.
Ausdrücklich wies der HDE allerdings auch auf die Grenzen des Verhaltenskodex hin. "Die rote Linie für die Festlegungen in der Selbstverpflichtung gibt das Kartellrecht vor", sagte Sanktjohanser. Wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen - etwa zu Mindestpreisen - könnten deshalb nicht Gegenstand des Kodex sein.
Hennies: Produktionsstandards nicht zum Nulltarif
"Der Handel verbreitet reine Absichtsbekundungen, auch wenn das Bemühen durchaus anzuerkennen ist", erklärte Dr. Holger Hennies, Präsident des Landvolk Niedersachen. "Er hält weiterhin an intransparenten Methoden für Direktlieferanten fest. Dazu zählen Listungsgebühren und Werbekostenzuschüsse. Der Handel schiebt die Hauptverantwortung den Molkereien und Schlachtbetrieben zu. Das ist ein durchsichtiges Ablenkungsmanöver."
Das Landvolk fordere daher statt eines Verhaltenskodex‘ konkrete Maßnahmen wie eine leistungsgerechte und transparente Preisfindung. "Unsere hohen Produktionsstandards kann es nicht zum Nulltarif geben", stellte Hennies klar. "Dass der LEH für heimische Lebensmittel wirbt, ist ganz in unserem Sinne. Hoffen wir, dass die angekündigte Koordinierungsstelle auf Bundesebene bald ihre Arbeit aufnimmt und für die Landwirte brauchbare Ergebnisse erzielt, die mittel- und langfristig wirken."
Nur Eigenwerbung?
Anthony Lee von Land schafft Verbindung (LsV) – Niedersachsen sieht die Selbstverpflichtung kritisch. "Es ist einfach, kurz vor der gesetzlichen Regelung einen Verhaltenskodex auf den Weg zubringen und damit noch etwas Eigenwerbung zu betreiben", so Lee. "Ich habe in den vergangenen Monaten leider zu häufig negative Erfahrungen bei Absprachen mit dem Lebenseinzelhandel erfahren, auch wenn es hierbei natürlich einige positive Beispiele gab."
Der Deutsche Bauernverband (DBV) begrüßte die Selbstverpflichtung des Lebensmittelhandels. Aber es käme maßgeblich darauf an, dass die Umsetzung im Tagesgeschäft erfolge.
Ein erster Schritt
Auch Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner begrüßte den Verhaltenskodex. "Es ist ein erster Schritt hin zu einem besseren Miteinander in der Lebensmittelkette", so Klöckner. "Die jetzt vorgestellte Initiative kann eine gute Basis für einen besseren Interessenausgleich zwischen den Marktpartnern sein. Diesen Prozess und vor allem die konkrete Umsetzung und Wirksamkeit der heute angekündigten Maßnahmen werden wir aufmerksam verfolgen."
Problematisch ist, dass der Handel nur einen kleinen Teil seiner Ware direkt von den Bauern bezieht. Meist sind es Verarbeiter, Zwischenhändler oder die Lebensmittelindustrie, mit denen es die Bauern zu tun haben - und nicht Edeka, Rewe, Aldi oder Lidl. In all diesen Fällen greift die Selbstverpflichtung nicht.
Es hängt auch vom Verbraucher ab
Ob die Einhaltung der UTP-Richtlinien tatsächlich ein großes Zugeständnis ist, darüber lässt sich ohnehin trefflich streiten. Denn bei einer Befragung durch das Bundeskartellamt meldete die Mehrheit der Lieferanten im vergangenen Jahr keine Probleme, was diese Fragen angeht. Geschlossene Verträge würden vom Handel eingehalten. Die Lieferanten beklagten sich viel mehr darüber, mit welcher Härte die Händler in den Verhandlungen ihre Forderungen zu Preisen und Konditionen durchsetzen.
Am Ende könnte es deshalb für die Bauern vor allem wichtig sein, dass der Handel in seiner Werbung tatsächlich damit beginnt neben dem Preis auch andere Faktoren wie Qualität, Nachhaltigkeit, Tierwohl oder Regionalität in den Vordergrund zu stellen. Doch auch hier gibt es einen Haken: Die Frage ist, ob der Kunde mitspielt.
Als Lidl im Dezember nach Protestaktionen der Bauern die Schweinepreise zugunsten der Landwirte um 1 Euro pro Kilogramm erhöhte, spielten die Kunden jedenfalls nicht mit. Anfang Februar brach der Discounter den Versuch ab. Die Preise des Discounters liegen seitdem wieder auf dem niedrigeren Marktniveau.