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Marathon im Bundesrat: Das sind die agrarpolitischen Entscheidungen
Im Bundesrat steht vor der Sommerpause eine Marathon-Sitzung an. Über diese agrarpolitischen Themen müssen Sie Bescheid wissen.
Klimaschutzgesetz
Der Bundesrat hat heute Änderungen des Klimaschutzgesetzes gebilligt.
Bis 2030 muss nach dem Gesetz die Treibhausgasminderung gegenüber 1990 von 55 Prozent auf 65 Prozent steigen. Weiterhin ist nun eine Minderung von 88 Prozent bis 2040 festgeschrieben. Den Löwenanteil der zusätzlichen Minderung bis 2030 werden die Energiewirtschaft und die Industrie übernehmen.
Bundesrat billigt Insektenschutzpaket mit Glyphosat-Ausstieg
Der Bundesrat ließ das vom Bundestag beschlossene Gesetz passieren und stimmte einer Verordnung zu, die die Anwendung von Glyphosat im Ackerbau und auf Grünland einschränkt: Sie darf künftig nur noch erfolgen, wenn es keine alternativen Möglichkeiten gibt, zum Beispiel bei schwer zu bekämpfenden Unkräutern oder auf erosionsgefährdeten Flächen.
In der Verordnung umgesetzt werden außerdem die Pflanzenschutzmaßnahmen des Aktionsprogramms Insektenschutz (API). Die bereits bestehenden Anwendungsverbote für bestimmte Pflanzenschutzmittel etwa in Nationalparks oder Naturschutzgebieten werden um Herbizide und bestimmte Insektizide erweitert. Beim Ackerbau soll durch freiwillige Maßnahmen eine Reduzierung der Anwendung dieser Pflanzenschutzmittel erreicht werden. Ausgenommen von der Regelung sind der Garten-, der Obst- und Weinbau, die Saatgut- und Pflanzgutvermehrung und der Hopfenanbau. Außerdem wird ein allgemeiner Abstand zu Gewässern für die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln festgelegt.
Lieferkettengesetz
Der Bundesrat billigte heute das Lieferkettengesetz. Es wird zu großen Teilen am 1. Januar 2023 in Kraft treten - einzelne Vorschriften bereits am Tag nach der Verkündung.
In Deutschland ansässige Unternehmen ab einer bestimmten Größe sind dann verpflichtet, ihrer Verantwortung in der Lieferkette in Bezug auf die Achtung international anerkannter Menschenrechte besser nachzukommen.
Von 2023 an soll das Lieferkettengesetz für Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitern gelten. Von 2024 sinkt diese Schwelle auf 1.000.
Gesetze zur GAP-Reform
In Deutschland hat die Umsetzung der EU-Agrarreform indes heute eine weitere Hürde genommen. Der Bundesrat stimmte den insgesamt drei Gesetzen zur GAP-Reform zu. Außerdem billigte die Länderkammer erwartungsgemäß eine Kürzung des Direktzahlungsbudgets um 8 Prozent für das kommende Jahr. Die Mittel fließen in die zweite Säule.
Kerninhalte der Gesetzentwürfe:
- Konditionalität: Jeder Euro Direktzahlung wird an die Einhaltung von Grundanforderungen im Bereich des Umweltschutzes gebunden, etwa an die Bereitstellung nicht-produktiver Flächen oder an den Moorbodenschutz.
- Budget für Öko-Regelungen: 25 Prozent der Direktzahlungen werden für freiwillige Leistungen reserviert, die über die Auflagen der Konditionalität hinausgehen.
- Umschichtung: Ab 2023 werden zehn Prozent der Mittel aus der Ersten Säule der GAP in die Zweite Säule umgeschichtet, wo sie den Ländern für weitere Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen oder zur Förderung des Öko-Landbaus zur Verfügung stehen. Diese Summe steigt bis 2026 auf 15 Prozent. Für das Übergangsjahr 2022 gelten acht Prozent.
- Umverteilung: Kleine und mittlere Betriebe werden künftig mit zwölf Prozent der Obergrenze für Direktzahlungen nach Umschichtung besonders gefördert – bisher sind es nur sieben Prozent. Allein in 2023 würden so für die ersten 60 Hektare mehr als 530 Millionen Euro als Extra-Prämien gezahlt.
- Junglandwirte: Um den Nachwuchs in der Landwirtschaft zu unterstützen, sollen junge Bäuerinnen und Bauern eine erweiterte Förderung von 98 Millionen Euro erhalten.
Tierschutztransportverordnung
Die Anforderungen beim Tiertransport werden verschärft:
- Bei einer Außentemperatur von mehr als 30 Grad Celsius in Transportmitteln ohne Lüftung und weitere Ausstattungsmerkmale muss der Transport zum Schlachthof innerhalb von viereinhalb Stunden beendet sein.
- Im Gegensatz zur Europäischen Transportverordnung werden dadurch national auch Transporte mit einer Dauer von unter acht Stunden reglementiert.
- Verstöße gegen die durch das europäische Recht vorgegebenen Temperaturanforderungen werden künftig als Ordnungswidrigkeit auch bei Beförderungen von unter acht Stunden zu einem Schlachtbetrieb geahndet und mit Bußgeld bewehrt.
Obergrenze für Tierbestände
Der Bundesrat befürwortete heute Mecklenburg-Vorpommerns Antrag zur Einführung von Obergrenzen für Tiere in Tierhaltungsanlagen. Die Länder stimmten mehrheitlich für den Antrag aus Mecklenburg-Vorpommern. Die Bundesregierung wird in der Entschließung aufgefordert, Größenbeschränkungen und ein konkretes Konzept dazu vorzulegen.
Vorgesehen sind auch bundesweite Mindeststandards für den Brandschutz in Tierhaltungsanlagen. Unter anderem soll die Bundesregierung jährlich Informationen zu Stör- und Brandfällen in Tierhaltungsanlagen bereitstellen, sofern diese mit hohen Tierverlusten einhergehen. Im Baurecht sollen für Tierhaltungsanlagen bundesweite Mindeststandards für den Brandschutz verankert werden.
Stallumbauten
Der Bundesrat stimmte den erleichterten Umbauten von Jungsauen- und Sauenställen zu. Die Neuregelung betrifft Anlagen zur Haltung von Jungsauen und Sauen, die infolge der Änderung des Baugesetzbuchs von 2013 ihre baurechtliche Privilegierung im Außenbereich verloren haben. Diese Ställe erhalten nunmehr Bestandsschutz.
Niedersachsen hat außerdem eine Entschließung des Bundesrates zur Erleichterung tierwohlbezogener Bauvorhaben eingebracht. Die Initiative adressiert vor allem die Aufforderung an den Bund, seine Rechtsvorschriften so zu überarbeiten, dass die neuen Tierschutzstandards für alle landwirtschaftlichen Betriebe zeitnah umgesetzt werden können. Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast: "Für die Zukunft der Tierhaltung in Niedersachsen ist es von existenzieller Bedeutung, dass der Bund das Fachrecht anpasst und diese Umbauten ermöglicht. Die Landwirte wollen mehr Tierschutz - das muss aber auch wirtschaftlich darstellbar sein!" Die Entschließung geht nun in die Ausschussberatungen, bevor das Plenum voraussichtlich in der Sitzung am 24. September darüber entscheidet.
Änderung des Arzneimittelgesetzbuches
Mit dem Gesetz werden Modalitäten und Abläufe des Antibiotikaminimierungskonzepts des Bundesministeriums präzisiert, um die Datengrundlage zu verbessern, Tierhalter administrativ zu entlasten, die Berechnungsmodalitäten zur Therapiehäufigkeit bei Arzneimitteln mit mehreren Wirkstoffen anzupassen und die erfolgreiche Datenauswertung zur Evaluierung fortzuführen. Vorgesehen ist u. a.:
- Nullmeldungen werden Pflicht. D. h. es gibt eine Mitteilungsverpflichtung für Tierhalter an die zuständige Behörde auch dann, wenn keine antibakteriellen Arzneimittel angewendet wurden. Damit wird das Monitoring verschärft.
- Möglichkeit der elektronischen Abgabe der Versicherung der Tierhalter über die Einhaltung der tierärztlichen Behandlungsanweisung.
Pflanzengesundheitsgesetz
Das Gesetz dient der Durchführung von EU-Recht. Es werden Regelungen etwa zur Sanktionierung von Verstößen, zur Festlegung der Zuständigkeiten mit Blick auf neue Aufgaben auf Bundes- und Länderebene sowie zur Mitwirkung der Zollbehörden bei phytosanitären Einfuhrkontrollen getroffen.
Verankerung von Agroforstsystemen in der Agrarförderung
Der Bundesrat hat sich dafür ausgesprochen, Agroforstsysteme auf Ackerflächen im Agrarfördersystem zu verankern. Bestehende Hemmnisse bei der Etablierung und Förderung von Agroforstsystemen auf Ackerflächen seien bis zum Inkrafttreten der neuen Förderperiode in der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) so weit wie möglich abzubauen, heißt es in einer Entschließung.
Eine vom Umweltausschuss geforderte Änderung der Entschließung fand keine Mehrheit. Er hatte dafür plädiert, nur solche Agroforstbestände zu fördern, die extensiv bewirtschaftet würden, mit heimischen Gehölzen bestockt seien und bestehende Feldvogelpopulationen nicht gefährdeten. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) hatte dies scharf kritisiert. Die extrem hohen und unverhältnismäßigen Hürden würden potentielle Agroforstwirte eher abschrecken.
Änderung des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB)
Zur Rückverfolgbarkeit von Lebens- und Futtermitteln gelten künftig neue Vorgaben: Informationen zur Rückverfolgbarkeit sind binnen 24 Stunden und elektronisch an die zuständigen Behörden zu übermitteln. Der entsprechenden Änderung des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB) stimmte der Bundesrat zu. Der Neuregelung zufolge werden außerdem Betreiber von Online-Marktplätzen stärker in die Verantwortung genommen, unsichere Erzeugnisse von ihrer Plattform zu entfernen. Ferner wird eine Regelung zur anonymen Probennahme geschaffen, um eine Gleichstellung zum stationären Handel zu erreichen.
Daneben überwies der Bundesrat in seiner Sitzung einen Entschließungsantrag des Landes Niedersachsen zur Reduzierung von Lebensmittelabfällen an die zuständigen Ausschüsse. Nach Ansicht der Landesregierung in Hannover sind in Deutschland mehr Vorgaben nötig, um das in der "Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung" der Vereinten Nationen (UN) festgeschriebene Ziel einer Halbierung der Lebensmittelverluste bis 2030 zu erreichen. Der Antrag zielt deshalb darauf ab, die Wirtschaftsbeteiligten auf allen Herstellungs- und Vertriebsebenen zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen zu verpflichten.
Änderung Öko-Landbau- und Öko-Kennzeichengesetz
Bis 2030 sollen 20 Prozent der Fläche in Deutschland ökologisch bewirtschaftet werden.
Mit den gesetzlichen Anpassungen erfolgen nun Änderungen im Hinblick auf die Neufassung unionsrechtlicher Verordnungen. Unter anderem besteht zukünftig eine Ausnahmemöglichkeit von der Zertifizierungspflicht für Verkäufer geringfügiger Mengen. Zudem werden nebenstrafliche Bestimmungen zum Schutz vor Missbrauch der bestehenden Bio-Siegel eingeführt.
Zum Kernbereich der damit verbundenen Straf- und Bußgeldbestimmungen gehören Regelungen bei Verstößen zur Verwendung von Bezeichnungen mit Bezug auf die ökologische Produktion. Zudem wurden mit den Gesetzesänderungen Anreize für eine Stärkung des Biokonsums im Außer-Haus-Verzehr (AHV) gesetzt.
Förderprogramm für schweinehaltende Betriebe (ASP)
Der Bundesrat hat eine finanzielle Unterstützung für schweinehaltende Betriebe angemahnt, die durch den Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest unter Druck geraten sind. In der Entschließung wird der Bund aufgefordert, ein entsprechendes Förderprogramm aufzulegen. Die Entschließung geht auf eine Initiative Brandenburgs zurück.
Ziel eines solchen Programms müsse es sein, Betriebe bei einem seuchenbedingten temporären Ausstieg oder Teilausstieg aus der Erzeugung zu unterstützen. Dabei sollte es der Entschließung zufolge den Betrieben ermöglicht werden, funktionierende und verlässliche Verarbeitungs- und Vermarktungswege fortzuführen. Zugleich müsse eine dauerhafte Aufgabe der Produktion ausgeschlossen werden. Für ein endgültiges Zurückdrängen der Tierseuche seien zudem weitergehende Maßnahmen insbesondere an der deutsch-polnischen Grenze erforderlich.
Schmitt neue Vorsitzende Agrarausschuss
Einstimmig hat der Bundesrat heute Daniela Schmitt, Ministerin für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau des Landes Rheinland-Pfalz zur neuen Vorsitzenden des Ausschusses für Agrarpolitik und Verbraucherschutz gewählt.