Bei der 59. Münchner Sicherheitskonferenz im Hotel Bayerischer Hof wurde von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern auch über die Sicherheit der Ernährung und Versorgung diskutiert.

Das ist ein Artikel vom Top-Thema:

Maren Diersing-Espenhorst | am

Warum Nahrung wichtig für unsere Sicherheit ist

Wie hängen Nahrung, Sicherheit und Konflikte zusammen? Auf der Münchner Sicherheitskonferenz wurden diese Themen diskutiert. Die LAND & FORST sprach mit Prof. Dr. Stephan von Cramon-Taubadel, der vor Ort mitdiskutierte.

Sie haben im Rahmen der diesjährigen Münchner Sicherheitskonferenz an einer Diskussionsrunde teilgenommen. Worum ging es dabei?

Das Unternehmen Ernst & Young hat ein sogenanntes Side Event auf der Sicherheitskonferenz organisiert mit dem Titel „Mapping Pressure Points in Global Agricultural Markets“. Wir haben also über die Herausforderungen auf den globalen Agrarmärkten diskutiert.

Warum interessieren sich die Veranstalter der Münchner Sicherheitskonferenz verstärkt für Ernährungs- und Versorgungssicherheit?

Weil Ernährungs- und Versorgungsfragen wichtige Implikationen für die Sicherheitspolitik haben. Dort, wo Menschen ernährungsunsicher sind oder hungern, kommt es häufiger zu Konflikten, und wo Konflikte ausgetragen werden, kommt es häufiger zu Ernährungsunsicherheit und Hunger.

Welche Befürchtungen haben Sie hinsichtlich der gesamtpolitischen Situation und der Auswirkungen auf die Nahrungsmittelerzeugung und -versorgung?

Schon vor Russlands Angriff auf die Ukraine gab es große und zunehmende Probleme mit der nachhaltigen Versorgung einer wachsenden Weltbevölkerung. Ohne die Erzeugung, die die ukrainische Landwirtschaft unter normalen Bedingungen zu leisten imstande wäre, wird es noch schwieriger, diese Probleme zu lösen.

Welche Auswirkungen wird der Krieg in der Ukraine langfristig für die weltweite Versorgung mit Agrarprodukten haben?

Wenn wieder Frieden herrscht, der Wiederaufbau gelungen ist und die Ukraine ihr landwirtschaftliches Potenzial wieder ausschöpfen kann, hat er hoffentlich keine langfristigen Auswirkungen. Aber bis ‚langfristig‘ eintritt, könnte es lange dauern. In der Zwischenzeit fehlen Erzeugnisse, die die Ukraine im internationalen Vergleich nachhaltig produzieren könnte, mit weitreichenden Folgen für die Preise und die globale Versorgungslage.

Müssen wir weitere Konflikte aufgrund von Nahrungsmittel- und Wasserknappheit oder Umweltkatastrophen befürchten?

Viele Modellrechnungen deuten darauf hin, dass es im Zuge des Klimawandels zu Produktionsrückgängen und Versorgungsengpässen gerade in den Regionen kommen könnte, in denen die Ernährungssicherheit schon heute besonders bedroht ist – zum Beispiel am Horn von Afrika. Wenn nicht rechtzeitig gegengesteuert wird, ist in solchen Regionen mit einer weiteren Zunahme von Konflikten zu rechnen.

Worauf muss sich Deutschland einstellen? Werden wir mit Lebensmittelengpässen rechnen müssen?

Nein, mit Engpässen bei der Grundversorgung mit Lebensmitteln in Deutschland ist nicht zu rechnen. Allerdings gehe ich davon aus, dass die Lebensmittelpreise bei uns anders als in vergangen Jahrzehnten zukünftig nicht mehr inflationsdämpfend wirken werden. Zudem ist denkbar, dass die Vielfalt und die Saisonunabhängigkeit des Angebots bei bestimmten Lebensmitteln wie tropischen Früchten zukünftig etwas abnehmen wird.

Sehen Sie die deutsche und europäische Agrarpolitik hinsichtlich der aktuellen Situation passend aufgestellt?

Da ist noch viel zu tun. Der Agrarsektor muss zukünftig einen wesentlich größeren Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels leisten als bisher. Die im Jahr 2021 beschlossenen GAP-Reform ist nicht geeignet, die hierfür notwendigen Grenzen und Anreize in der Landwirtschaft zu setzen beziehungsweise zu schaffen. Ich denke hierbei zum Beispiel an Landnutzungsänderungen in Moorgebieten. Das ist ein schwieriges Thema für die betroffenen Betriebe, aber auf Moorböden entstehen gut ein Drittel der Treibhausgasemissionen der Landwirtschaft in Deutschland. Mit geeigneten Maßnahmen ließen sich nicht nur hierzulande, sondern auch in einigen anderen EU-Mitgliedsländern für vergleichsweise wenig Geld große Einsparungen an Treibhausgasemissionen realisieren.

Welche Handlungsmöglichkeiten sehen Sie, um die globale Versorgung mit Lebensmitteln zu verbessern?

Das globale Agrar- und Ernährungssystem ist komplex. Wir müssen daher mehrgleisig fahren und auf verschiedene Lösungsansätze gleichzeitig setzen. Hoffentlich kann bald mit dem Wiederaufbau der ukrainischen Landwirtschaft begonnen werden. Das wird ein teures Unterfangen. Zudem sind Agrarforschung und -ausbildung von Bedeutung, insbesondere in und für die Länder des globalaen Südens. Aber auch bei uns muss verstärkt in Innovationen und Fachkräfte investiert werden. Eine Verschiebung hin zu einer mehr pflanzenbasierten Ernährung ist notwendig, um die Konkurrenz zwischen Teller und Trog zu reduzieren. Global ist in den kommenden Jahren mit einer weiter steigenden Nachfrage nach Fleisch- und Milchprodukten zu rechnen, aber in den Industrieländern können und sollten wir weniger konsumieren.

Welche Beiträge können die deutschen Landwirtinnen und Landwirte hierzu leisten?

Spezielle deutsche Beiträge sehe ich nicht. Wichtig ist meines Erachtens auf europäische Beiträge zu setzen, das heißt Lösungen und Kompromisse zusammen mit der Landwirtschaft in anderen EU-Mitgliedsländern zu suchen und umzusetzen. Nationale Alleingänge führen häufig zu Wettbewerbsverzerrungen innerhalb der EU, zu Verschiebungen statt der Reduzierung von Problemen, und letztlich zu einer Schwächung des gemeinsamen europäischen Marktes. Nur zusammen können wir auf internationaler Bühne – zum Beispiel in Verhandlungen mit anderen Ländern beziehungsweise Blöcken oder in der Welthandelsorganisation – die notwendigen Schritte hin zu einer nachhaltigen Landwirtschaft handelspolitisch flankieren.

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