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So funktioniert Russlands Getreideschmuggel aus der Ukraine
Seit Beginn der russischen Invasion wurde Getreide im Wert von über 500 Millionen US-Dollar aus der Ukraine gestohlen und in Länder wie die Türkei, Syrien und den Libanon geschmuggelt. Das geht aus Recherchen der Associate Press (AP) und dem amerikanischen Fernsehsender „Public Broadcasting Service“ (PBS) hervor.
Rund drei Dutzend Schiffe haben im Zug von insgesamt über 50 Fahrten Beutegetreide im Wert von über 530 Millionen US-Dollar aus russisch-besetzten Häfen der Ukraine geschmuggelt. Recherchen von AP und PBS würde gestohlenes Getreide per LKW und Zug unter anderem auf die Halbinsel Krim transportiert. Die russische Nachrichtenagentur TASS schreibt in einer Meldung vom 16. Juni, dass Getreide aus der Region Cherson auf die Krim gebracht werde und dass es dabei zu langen Staus von LKWs gekommen sei. Weder die Region Cherson noch die Krim werden von der internationalen Gemeinschaft als Teile Russlands anerkannt. Die russische Regierung weist alle Vorwürfe von Getreidediebstählen zurück.
Häfen genutzt, die nicht genug Tiefgang haben
Die AP und PBS schildern am Beispiel des Frachters Laodicea, wie der Transport von Beutegetreide abläuft. So zeigten Satellitenaufnahmen vom 11. Juli, wie das Schiff im Hafen von Feodosia auf der Krim mit einer weißen Substanz von LKWs beladen worden sei. Die Radiotransponder der Laodicea seien zu diesem Zeitpunkt ausgeschaltet gewesen. Zwei Wochen später wurde das Schiff im Hafen von Tripoli im Libanon entladen. Laut der Frachtpapiere, habe die Laodicea zu diesem Zeitpunkt 10.000 Tonnen „russische Gerste und russisches Mehl“ geladen, die es im russischen Hafen Kawkas an Bord genommen habe. Der Frachter konnte die Ladung dort aber nicht aufgenommen haben: Der Tiefgang der Laodicea beträgt 8 Meter, der Hafen Kawkas sei jedoch nur für Schiffe mit einem Tiefgang von bis zu 5,30 Metern zugelassen.
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Was ist die besondere Rolle der Türkei?
Ende Juni sagte der türkische Außenminister Mevlut Cavusoglu, dass es keinen Verkauf von gestohlenem Getreide in der Türkei erlauben würde. Die Türkei werde Vorwürfe von Getreideschmuggeln genau untersuchen. Anfang Juli setzten türkische Behörden einen russischen Frachter mit angeblich gestohlenem Getreide fest, ließen diesen nach einer Überprüfung allerdings wieder frei. Die Ukraine warf daraufhin der Türkei vor, selbst von russischem Getreidediebstahl zu profitieren. Dass dies dennoch der Fall sein könnte, legen die aktuellen Recherchen von AP und PBS jedoch nahe. Ende Juli wurde unter türkischer Vermittlung ein Abkommen zum Export von russischem und ukrainischem Getreide über die Schwarzmeerhäfen geschlossen.
Landwirtschaft in der Ukraine ein Ziel Russlands
Bereits seit Beginn der Kampfhandlungen in der Ukraine ist die Landwirtschaft ein Ziel der russischen Invasion. Anfang Mai berichtete der US-Fernsehsender CNN, dass rund 400.000 Tonnen Getreide aus Russland gestohlen worden seien. Auch moderne Landmaschinen seien von russischen Truppen gestohlen worden. Dimitry Skornyakov, Geschäftsführer des ukrainischen Agrarhandelsunternehmens HarvEast wird von AP mit den Worten zitiert: „Um [unser Getreide] zu stehlen, fahren es [die Russen] nach Rostov und Tagnarog, kleinen russischen Häfen, mischen es mit russischem Getreide und sagen, dass es russisches Getreide sei.“
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Getreideexporte aus Kawkas – oder doch aus Sewastopol?
Auch Recherchen der britischen Tageszeitung Financial Times von Ende Juni 2022 legen großangelegten Export von Beutegetreide aus der Ukraine durch Russland nahe. So seien allein im Mai 2022 rund 140.000 Tonnen Getreide aus Sewastopol exportiert wurden. Das entspricht rund 6 % der gesamten russischen Exportmenge in diesem Monat, einer ungewöhnlich großen Menge für einen einzigen Hafen. Ebenfalls im Mai seien laut entsprechenden Frachtpapieren 576.000 Tonnen Getreide im russischen Hafen Kawkas für den Export verladen worden.