Angesichts der drohenden Getreideknappheit gibt es Pläne, durch weniger Umweltauflagen mehr zu produzieren. Macht das einen Unterschied?
Angesichts drohender Ernteausfälle und verkündeter Exportbeschränkungen im Zuge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hatten sich verschiedene EU-Politiker und Agrar-Interessenverbände dafür ausgesprochen, Umweltauflagen zurückzustellen, damit in der Europäischen Union mehr Lebensmittel produziert werden können. Der Vorsitzende des Agrarausschusses im Europaparlament, Norbert Lins (CDU), betonte, die europäische Agrarpolitik müsse jetzt auf Produktionssteigerungen ausgerichtet werden, um einen Beitrag zur stabilen Nahrungsmittelversorgung in der Welt leisten zu können. Um den Plan, künftig vier Prozent des Ackerlandes in der EU nicht mehr aktiv zu bewirtschaften, sondern für ökologische Zwecke einzusetzen, ist eine Debatte entbrannt.
Böll-Stiftung: Nur geringer Nutzen
Die Heinrich-Böll-Stiftung sieht nur einen geringen Nutzen darin, diese Umweltauflagen nun zugunsten einer höheren Lebensmittelproduktion zu verschieben. Laut Berechnungen der den Grünen nahestehenden Böll-Stiftung ließe sich damit die weltweite Produktionsmenge von Getreide nur um 0,4 Prozent steigern. Der Weltmarktpreis könnte um 0,4 bis 2,2 Prozent gesenkt werden. Und das sei eher noch zu hoch gegriffen, da Begrenzungen wie Arbeitskräfte- oder Wassermangel nicht einbezogen worden seien. Hilfreicher als die Flächenstilllegung zurückzudrehen, seien Finanzhilfen für die Länder des globalen Südens, damit sich diese auch teurere Lebensmittel kaufen könnten, so das Fazit der Stiftung.
Ukraine-Krieg: Die Lage realistisch einschätzen
Streit um EU-Agrarpolitik
Der französische Agrarminister Julien Denormandie sprach sich für Anpassungen der Umweltregeln aus. Cem Özdemir hingegen hält an diesen fest: Er bezeichnete es als „Holzweg“, eine umweltfreundlichere Lebensmittelproduktion zurückzudrehen. Niedersachsens Agrarministerin Barbara Otte-Kinast mahnte an, man müsse im Sinne der Ernährungssicherheit sofort handeln, der Bund müsse die nötigen Spielräume dafür nutzen. Im Rahmen der GAP-Umsetzung solle die vorübergehende Aussetzung von Verpflichtungen zur Flächenstilllegung ermöglicht werden - das forderten Otte-Kinast und Amtskollegen in der „Burg Warberger Erklärung“.