Das ist ein Artikel vom Top-Thema:
Werfen wir bald Schlachtschweine in den Müll?
In der aktuellen Lage kommen Schweinehaltern die Tränen, weil sie nicht mehr weiter können. Jetzt ist Solidarität gefragt.
Auch betroffenen Landwirten kommen die Tränen, weil sie nicht mehr weiter können. Hiesige Ställe sind teuer, sie sind „auf Maß“ gebaut für eine bestimmte Anzahl an Tiere, mehr passen nicht rein. Und das arbeitsteilige System ist eng getaktet. Die Schlachthöfe müssen corona-bedingt heute sagen: „Mehr Schweine kann ich nicht schlachten.“ Doch die Schweinehalter sind wieder einmal das letzte Glied in der Kette. Die Tiere sind da, es kommen täglich neue dazu und sie wachsen jeden Tag.
Solidarität mit Schweinehaltern
Jetzt ist dringend Solidarität gefragt und sie wird von Beteiligten ja auch schon gelebt:
- vom Mäster, der kein einziges Abteil leer stehen lässt,
- vom Berufskollegen, der seinen alten Stall zur Verfügung stellt,
- vom Vermarkter, der organisatorisch alles bewegt, um die größte Platznot zu lindern,
- vom corona-freien Schlachthof, der so viele Tiere wie möglich aufnimmt,
- von den Behörden, die, wie jüngst geschehen, eine Aufrechterhaltung des Schlachtbetriebs trotz Corona ermöglichen oder hoffentlich auch Landwirte unkonventionell bei der Schaffung vorübergehender Unterbringungsmöglichkeiten unterstützen werden.
Katastrophe abwenden
Das alles zusammen kann – in Verbindung mit sehr viel Glück - vielleicht ausreichen, dass es nicht zur Katastrophe kommt, nämlich dass wir tatsächlich gesunde Tiere wegwerfen müssen. Dass so etwas keine Utopie mehr ist, zeigt ein Blick in die USA, dort ging es, auch corona-bedingt, nicht mehr anders.
Wegwerfgesellschaft
Wir sind schon heute eine Wegwerfgesellschaft, wir leben hier im Überfluss, das zeigen uns täglich Bilder und Berichte aus anderen Teilen der Welt, wo Armut und Hunger herrschen. Wenn wir es jetzt nicht schaffen, das Entsorgen unserer Tiere zu verhindern, ist das ein Armutszeugnis. Aber es ist kein Armutszeugnis für die Landwirtschaft, sondern ein Armutszeugnis für unsere gesamte Gesellschaft!
Nicht auf Kosten der Schweinehalter
In diesem Sinne ist auch Solidariät gefragt angesichts der unheilvollen Diskussionen, die besagen, dass die Schweinehalter selbst Schuld sind an ihrer aktuellen Misere. Diese dogmatische Sicht der Dinge zu verbreiten, werden einige Politiker und Interessensvertreter derzeit nicht müde. Oder Politiker prangern die Wiederöffnung des Sögeler Schlachthofs als „Kungelei“ an und wischen die existentielle Not der betroffenen Landwirte dahinter anscheinend lapidar beiseite.
Natürlich soll man über unser „System Fleisch“ diskutieren und ob es längerfristig so bleiben soll. Aber das sollte man nicht jetzt auf Kosten einer Berufsgruppe diskutieren, die mit dem Rücken zur Wand steht. Das ist zynisch und das ist zu verurteilen - unsere Gesellschaft sollte sich da eindeutig positionieren. Und, selbst wenn das schon hundertfach gesagt wurde, Solidarität kann man als Verbraucher auch an der Fleischtheke zeigen.