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Betriebsleiterhaus: Nutzungskonflikte müssen selbst gelöst werden
Genug Platz, leider nicht für den Hofnachfolger: Weil ein Großteil des Wohnraums von anderen Angehörigen belegt war, hat eine Baubehörde die Genehmigung für ein Betriebsleiterhaus abgelehnt. Klage erfolglos.
Zu Bauvorhaben, die im Außenbereich privilegiert und damit nach § 35 Abs. 1 BauGB genehmigungsfähig sind, kann auch ein Betriebsleiterhaus gehören – wenn es einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient. Die Eigenschaft des Dienens kann aber fehlen, wenn der Bedarf für den Wohnraum des Betriebsleiters durch einen selbst verursachten Nutzungskonflikt auf dem Hofgrundstück entstanden ist, wie eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Lüneburg zeigt.
Vier Wohnungen auf Hofgrundstück
Geklagt hatte der Eigentümer eines von einem landwirtschaftlichen Betrieb genutzten und mit einem Wohnhaus mit vier Wohnungen bebauten Grundstücks im Außenbereich der Stadt Winsen (Luhe). Seinen Angaben zufolge bewohnt er selbst zusammen mit seiner Ehefrau eine dieser Wohnungen als Altenteiler. Eine werde durch seine Schwester bewohnt, die ins Haus gezogen sei, um unter anderem die gemeinsame Mutter als vormalige Altenteilerin zu pflegen.
Wohngebäude im Außenbereich
In der dritten Wohnung lebten die hochbetagten und pflegebedürftigen Schwiegereltern des Klägers und in der Dachgeschosswohnung sein Sohn und Hofnachfolger in Wohngemeinschaft mit dessen jüngerem Bruder. Südlich dieses Wohngrundstücks liegt ein weiteres Grundstück, das zumindest ursprünglich ebenfalls dem Kläger gehörte.
Auf dieser Fläche wollte er ein weiteres Wohnhaus bauen und beantragte dafür 2016 eine Baugenehmigung, die aber 2017 abgelehnt wurde. Sein Widerspruch dagegen war erfolglos: Er reichte daraufhin beim Verwaltungsgericht Lüneburg eine Klage auf Erteilung der Genehmigung ein.
Seiner Meinung nach war das Wohngebäude, das als Betriebsleiterhaus für seinen Nachfolger – den ältesten Sohn – vorgesehen war, im Außenbereich rechtlich zulässig. Der Kläger meinte, die ständige Anwesenheit des Sohnes in der Nähe des landwirtschaftlichen Betriebs sei nötig, um die landwirtschaftlichen Maschinen gegen Diebstahl abzusichern. Außerdem würden auf dem Betriebsgrundstück landwirtschaftliche Erzeugnisse zur Verarbeitung gelagert.
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Gericht weist die Klage ab
Das Verwaltungsgericht wies die Klage im September 2021 ab. Es urteilte, dass der Bau nicht dem landwirtschaftlichen Betrieb dient und damit nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB unzulässig ist.
Zwar räumte das Gericht ein, dass ein Betriebsleiterwohnhaus in der unmittelbaren Nachbarschaft zu den landwirtschaftlichen Gebäuden dem Betrieb grundsätzlich „förderlich“ ist. Das beantragte Wohnhaus auf dem Grundstück des Klägers „diene“ aber deshalb nicht dem landwirtschaftlichen Betrieb, weil es auf dem Hofgrundstück genug Wohnraum gebe, um auch generationsübergreifend den Fortbestand des Betriebs zu sichern.
Die Richter entschieden, dass sich der Kläger auch nicht nach Treu und Glauben darauf berufen kann, dass alle vier Wohnungen bewohnt sind. Denn er habe seinem Sohn ja den Betrieb übergeben, wohlwissend dass es für ihn dort keine angemessene Wohnung gibt. Dadurch, dass er der Schwester und den Schwiegereltern Wohnungen überlassen habe, sei der Hofstelle Wohnraum entzogen worden.
Auch die ständige Anwesenheit des Betriebsinhabers hielt das Verwaltungsgericht nicht für notwendig, damit die landwirtschaftlichen Maschinen ausreichend vor Diebstahl und Brand geschützt sind, denn Diebe würden genauso gut von den bereits bestehenden Wohnungen abgeschreckt, die sogar näher an den Scheunen und damit an den Maschinen stünden.
Wohnraum für zwei Generationen reicht
Dieser Ansicht schloss sich das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg an und wies damit den Antrag des Klägers ab, mit dem er die Zulassung der Berufung erreichen wollte. Darin hatte er gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts eigewandt, er habe seinem Betrieb keinen Wohnraum entzogen, sondern den Wohnraum nur auf Zeit Mitgliedern der Familie überlassen, die darauf angewiesen seien. Das sei eine in der Landwirtschaft übliche familiäre Solidaritätsleistung. Das Gericht könne auch nicht vorschreiben, seinen Sohn und künftigen Betriebsinhaber auf eine Wohngemeinschaft mit dessen Bruder zu verweisen.
Dem OVG reichte der Vortrag aber nicht für die Zulassung der Berufung: Die Richter erklärten die Begründung für zutreffend, mit der das Verwaltungsgericht den Anspruch auf die Baugenehmigung für ein weiteres Betriebsleiterwohnhaus abgelehnt hat. Die entspreche nämlich der in der Rechtsprechung verbreiteten und (jedenfalls üblicherweise) richtige Annahme, dass es im Regelfall ausreicht, wenn für einen landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetrieb Wohnraum für zwei Generationen zur Verfügung steht. Für ein weitergehendes Wohnungsangebot fehle das Merkmal des „Dienens“ im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB.
Nutzungskonflikt muss selbst gelöst werden
So ein Regelfall sei auch hier gegeben. Dass der Kläger und Eigentümer einen großen Teil seiner vier Wohnungen für anderen Familienangehörigen bereitgestellt hat und diese Nutzungen eventuell sogar schuldrechtlich und/oder sogar dinglich gesichert worden sind, machte für das OVG dabei keinen Unterschied.
Denn dadurch hätte der Kläger den Wohnbedarf für seinen Sohn erst herbeigeführt, der ohne die Überlassung an Familienangehörige gar nicht bestehen würde – deren Nutzungen im Übrigen im Außenbereich nach § 35 Abs. 1 BauGB nicht privilegiert seien. Insofern könne der Landwirt nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht verlangen, dass ein Nutzungskonflikt, den er selbst verursacht hat, auf Kosten des Außenbereichs gelöst wird.
Räume der Kläger also, auch wenn es menschlich nachvollziehbar sei, dem Bedarf von nahen Angehörigen Vorrang ein, Wohnraum für seinen Betriebsnachfolger zu schaffen, müsse er dessen Wohnbedarf anderweitig decken und damit verbundene Schwierigkeiten (mangelnde Sicherung gegen Diebstahl, etc.) hinnehmen oder ihnen anderweitig begegnen.
Dadurch, dass das OVG Lüneburg den Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt hat (Beschluss vom 10. Januar 2023, Az. 1 LA 154/21), wurde das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg rechtskräftig.