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Energieversorgung: Neue Chancen für dezentrale Wärmenetze
Wer mit Holz heizen kann, ist noch immer auf eine Öl- oder Gasheizung angewiesen. Doch ab 2024 sollen keine neuen fossilen Heizungen mehr eingebaut werden dürfen. Das bringt Dezentrale Wärmenetze ins Spiel.
Während der vergangenen 20 Jahre sind in Niedersachsen viele Wärmenetze entstanden, die von Biogasanlagen oder Holzheizwerken gespeist werden und umliegende Gebäude mit der Wärme aus erneuerbaren Energiequellen versorgen. Auf diese Weise kann 68 Prozent der Wärme niedersächsischer Biogasanlagen genutzt werden. Und 88 Prozent der Biogasanlagen in Niedersachsen verfügen bereits über eine externe Wärmenutzung.
Wärmeerzeugung: Flexible Technologie
Vorteil des Wärmenetzes ist, dass die Technik der Wärmeerzeugung umgestellt werden kann, ohne beim Wärmekunden etwas ändern zu müssen. Gegenüber Einzelheizungen ist diese Technologie also flexibler, was Anpassungen an künftige technische Entwicklungen betrifft. Allerdings ist ein gewisser Mindestwärmebedarf erforderlich, sodass nicht das Neubaugebiet des Dorfes, sondern die Bestandsgebäude aus den 1960er- und 1970er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts für den Anschluss infrage kommen.
Vor dem Hintergrund der aktuellen Energie- und Klimakrise ging es vor Kurzem auf einem Seminar des Kompetenzzentrums Niedersachsen Netzwerk Nachwachsende Rohstoffe (3 N) in Rodewald im Kreis Nienburg/Weser um Wärmenetze als Baustein einer dezentralen Energieversorgung. Die Veranstaltung fand im Rahmen des Interreg-Projektes BIOZE statt, in dessen Rahmen das 3N Kompetenzzentrum zusammen mit Partnern aus Frankreich, den Niederlanden und Schweden Kommunen dabei unterstützen möchte, Bioenergieprojekte erfolgreich umzusetzen.
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Verträge umfassend regeln
Doch vor dem Vertragsabschluss gilt es aus Sicht von Experten einiges zu beachten. So stelle der Vertrag zwischen Wärmelieferant und Wärmekunde die Grundlage für ein langjähriges Dienstleistungsverhältnis dar. In ihm werden neben den technischen Größen die wirtschaftlichen Faktoren sowie die organisatorischen und rechtlichen Randbedingungen festgelegt. Auch wenn die Vertragspartner oft einfache Formulierungen bevorzugen, ist die umfassende Regelung der individuellen Sachverhalte dringend anzuraten.
Wärmelieferung aus Bioenergieanlagen
Allgemeingültige Musterverträge seien insbesondere bei der Wärmelieferung aus Bioenergieanlagen wenig sinnvoll, da sie leicht veralten und selten die individuellen Gegebenheiten abbilden. Der Bezug auf die AVB Fernwärme („Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme“) ermögliche die Orientierung der rechtlichen Bedingungen an einem gesetzlichen Regelwerk, sodass der eigentliche Vertrag überschaubar gehalten werden könne.
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Wirtschaftliche Grenzen von Wärmenetzen
Die Wirtschaftlichkeit eines Wärmeverbundes hänge dabei wesentlich von der Größe und der Struktur eines Gebietes ab. Durch die mit Wärmeleitungen verbundenen Investitionen stoßen Nahwärmeverbunde an wirtschaftliche Grenzen. Weitläufige und kostenaufwendige Netze könnten nur sehr begrenzt durch effiziente Energieerzeugung ausgeglichen werden. Gute Netze seien kompakt.
Restwärme der Industrie nutzen
„Auch Restwärme von Industriebetrieben und sogar aus Abwasserleitungen kann als wertvolle Energiequellen einkalkuliert werden“, betont Prof. Dr.-Ing. Stefan Holler von der HAWK Hochschule Hildesheim/Holzminden/Göttingen, der die Planung von effizienten Wärmeversorgungsnetzen am Beispiel der Stadt Werlte erläuterte. „Die Ausgangsbasis ist dabei immer eine Inventur des Wärmebedarfs von Gebäuden und Betrieben,“ hob Holler in einer Pressemitteilung hervor.
Ein niedriger Wärmebedarf könne mit einer hohen Netzanschlussquote kompensiert werden. Wenn der Wärmebedarf sinkt, könnten möglicherweise auch neue Wärmequellen erschlossen werden. Eine davon ist das Abwasser, so Stefan Holler: „Es hat in den Leitungen eine Temperatur von 15 – 20 °C. Die Wärmeversorgung der Zukunft besteht aus einer Vielzahl interessanter Wärmequellen.“
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Zwei Pionierbetriebe
In der Gemeinde Gilten bei Schwarmstedt gibt es gleich zwei Pionierbetriebe, die zeigen, wie die regenerative Wärmeversorgung im ländlichen Raum funktionieren kann: Die Firma Lohse Biogas nutzt die Abwärme aus der Stromerzeugung nicht mehr nur für die Beheizung von Gewächshäusern, sondern versorgt neuerdings auch 43 Wohnhäuser über ein Wärmenetz. Und ganz in der Nähe hat die Duensing Bioenergie GbR seit einem Jahr 55 Haushalte im Norden von Suderbruch unabhängig von Heizöl und Propangas gemacht, indem sie Holzhackschnitzel aus der Landschafts- und Waldpflege effizient und sauber verfeuert.