Junglandwirte

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Jörn Henning Pistorius/cby | am

Wie hilft ein Mediator bei der Hofübergabe?

Bei einer Hofübergabe sind oft starke Gefühle im Spiel, die den Zusammenhalt in der Familie gefährden können. Hier leisten Mediatoren wertvolle Dienste.

Bei aller Genauigkeit, die bei finanziellen und rechtlichen Aspekten der Hofübergabe zum Einsatz kommt, wird häufig eine wichtige Komponente vernachlässigt: die Gefühle der an der Hofübergabe Beteiligten. Woran das liegt und wie die Beteiligten sich helfen lassen können erklärt der zertifizierte Mediator und Coach Jörn Henning Pistorius.

Warum werden die Kinder bei der Hofübergabe auch oft emotional?

Der Hof bildete oftmals das Zentrum der Familie. Damit hat er für die so geprägten Kinder, zumindest auf unbewusster Ebene, einen genauso hohen emotionalen Wert wie für den Hofabgeber.

In dem Moment, in dem die Nachfolge entschieden wird, erfahren die weichenden Kinder eine emotionale Zurücksetzung. Auch wenn die Diskussion oft um Vermögenswerte kreist, geht es tatsächlich um Fragen der Wertschätzung durch die Eltern:

  • „gesehen werden“,
  • „gehört -werden“
  • und als „gleiches Kind“ akzeptiert sein.

Oftmals mischen sich auch Altkonflikte, zum Beispiel, dass sich ein Kind immer zurückgesetzt fühlte, in dieses Szenario. Wird insgesamt nicht erkannt, worum es wirklich geht, können aus diesen Quellen Spannungen resultieren. Werden diese Antreiber erkannt und berücksichtigt, so erleichtert dies alle Folgediskussionen, zum Beispiele um die Wertkompensation.

Was sind die Knackpunkte für den Hofnachfolger?

Ist der Hof schon übergeben worden, dann kritisiert die abgebende Generation oft die strategischen und alltäglichen Entscheidungen des Nachfolgers. Der Hofabgeber sieht sein Lebenswerk und Wertesystem gefährdet  oder missachtet.

Der Hoferbe wiederum sieht sich in der Freiheit der Ausübung seiner Unternehmerschaft und seiner Existenzgestaltung beeinträchtigt. Die jeweiligen Erwartungshaltungen und Vorstellungen bezüglich der Zukunft des Hofes wurden im Vorfeld der Übergabe unvollständig besprochen oder für selbstverständlich gehalten. Die fehlende Transparenz bewirkt, dass die unterschiedlichen Ansätze als Vorwürfe und Unterstellungen aufeinanderprallen.  

Was macht der Hofübergeber oft falsch?

Der Hof wurde zwar rechtlich übergeben, aber tatsächlich nicht losgelassen. Der Abgeber ist weiterhin, z.B. aus Unersetzlichkeitsdenken, hoher Leidenschaft oder wegen einer fehlenden, persönlich erfüllenden Aufgabe nach der Übergabe, fest mit dem Hof verbunden. Er sieht sich nach wie vor als den relevanten Entscheider oder mischt sich zumindest noch stark ein. Bei dem Hofübernehmer kommt dies als Kritik und fehlendes Vertrauen an. Verschiedenste Konflikte müssen entstehen. 

Woran hapert es in der Familie oft schon vor der Übergabe?

Oft wirkt eine Diskussion um die Hofnachfolge nur so, als sei sie offen. Tatsächlich ist sie es dann nicht, weil die Beteiligten sich nicht richtig öffnen können. Sie nehmen Rücksicht, trauen sich nicht, ihre abweichende Meinung zu sagen oder denken, das sei aussichtslos. Mitunter fehlt eine Konfliktkultur, die eine offene, verletzungsfreie Diskussionen zulässt.

Warum sollte sich die Familie schon früh begleiten lassen?

Vorbeugend einen erfahrenen Mediator einzubinden verspricht eine höhere Sicherheit, um die Gefühlswelten erfolgreich abzustimmen. Mediatoren sind zur Verschwiegenheit verpflichtet. Sie schaffen damit eine geschützte Atmosphäre, so dass individuelle Wünsche, Erwartungen und Gefühle tatsächlich frei ausgesprochen werden können. Außerdem erfahren die Beteiligten wechselseitig ihre jeweiligen Motive und Antriebe, was gegenseitiges Verständnis schafft.

Mediatoren besitzen den nötigen Sachverstand, denn sie sind ausgebildet – sowohl in Kommunikations- und Verhandlungstechniken als auch im Konfliktmanagement. Sie halten den Hofübergeber und seine Kinder bzw. die Kinder untereinander auch dann gesprächsoffen und mit Verständnis füreinander auf dem Lösungsweg, wenn die Meinungen unterschiedlich sind.

Rechtzeitig einen Mediator einzusetzen hilft, Konflikte erst gar nicht entstehen zu lassen. Ein Mediator ist damit ein ebenfalls ein zentraler Berater des Übergabeprozesses – auf Augenhöhe mit Anwalt/Notar und Steuerberater.

Wie läuft so eine Mediation in der Praxis ab?

Landwirte-Bestandskontrolle-Raps

Die Mediation ist für alle Beteiligten zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens freiwillig. Bei der Hofübergabe hat sie das Ziel, die Familie und das Lebenswerk des Übergebers zu schützen und gleichzeitig einen Konsens zu finden. Die Lösung soll eigenverantwortlich aus Kommunikation zwischen den Beteiligten entstehen. Der Mediator ist dabei unparteiisch und leitet den Prozess. Er selbst bringt regelmäßig keine eigenen konkreten Lösungsvorschläge ein, kann aber Impulsgeber für Denkansätze sein.

Konkret wird zunächst ein (telefonisches) Vorgespräch mit dem Auftraggeber, regelmäßig dem Hofübergeber, geführt, um einen Überblick über die Situation zu bekommen. Der Mediator erklärt zuerst Zweck und Ablauf des Verfahrens und fragt bei den weiteren Beteiligten, ob sie an einer Mediation teilnehmen würden. Stimmen sie zu, dann hängt das weitere Vorgehen davon ab, wie komplex die Situation ist: Entweder werden mit allen oder einigen Beteiligten zuerst Einzelgespräche geführt oder die Beteiligten „tagen“ unter Leitung des Mediators gemeinsam.

Wo findet die Mediation statt?

Wo die Gespräche stattfinden, ist wieder einzelfall- und auch kostenabhängig. Der Ort hängt grundsätzlich davon ab, ob neutrale Räumlichkeiten benötigt werden oder ob die Mediation in der heimischen Umgebung stattfinden kann. Ein Zeitrahmen für eine Mediation kann schwer gesetzt werden.

Mitunter benötigen einzelne Beteiligte Zeit, um ihre Positionen zu überdenken oder erlangte Erkenntnisse zu verarbeiten. Damit der Mediationsprozess und damit auch seine Beteiligten nicht unter Druck geraten, sollte mit dem Mediationsverfahren möglichst frühzeitig, noch vor steuerlichen und sonstigen rechtlichen Überlegungen, begonnen werden.

Was kostet eine Mediation?

Die Kosten für ein Mediationsverfahren hängen im Schwerpunkt von der Anzahl der Beteiligten, bzw. der Anzahl der persönlichen Gespräche ab. Die Stundensätze beginnen bei zirka 80 Euro und sind nach oben „offen“. Außerdem gibt es auch stundenunabhängige Sitzungspauschalen und streitwertorientierte Preismodelle.

Weitere Nebenkosten, wie zum Beispiel eine Telefonkostenpauschale, können noch dazukommen. Eine Vergütungsordnung gibt es nicht. Die Kosten sollten vor dem Verfahren abgeklärt werden. Eine Mediation in der Hofübergabe ist eine einmalige Investition. Ihre Langzeitwirkung sollte bei der Kostenüberlegung berücksichtigt werden. Entscheidend ist, dass die Leistung ihr Geld wert ist.

Worauf sollte bei der Auswahl des Mediators geachtet werden?

Der Begriff „zertifizierter Mediator“ steht für die Erfüllung eines definierten Mindeststandards der Aus- und Fortbildung, die im Mediationsgesetz definiert ist (§ 5 in Verbindung mit § 6 MediationsG).

„Zertifiziert“ darf sich daher nur nennen, wer diesen Standard erfüllt. Zusatzqualifikationen mit im weitesten Sinne psychologischem Hintergrund, die über den Mindeststandard hinausgehen, können wertvolle Profilergänzungen darstellen.

Zusätzlich sollte der Mediator auch Kenntnisse in den Bereichen

  • „Hofübergabe/Unternehmensübergabe“,
  • „Landwirtschaft“ und
  • grundlegende rechtliche und steuerliche Rahmenbedingung einer Übergabe“

haben (sogenannte Feldkompetenzen). Zentral ist neben diesen eher formalen Kriterien das erste telefonische Gespräch. Als Auftraggeber sollte man darauf achten, dass man sich mit seinen Fragen wirklich verstanden fühlt.

Wo finde ich einen geeigneten Mediator?

Grundsätzlich finden sich im Internet über die Suchbegriffe „Hofnachfolge“ und „Mediation“ schon viele Mediatoren, die sie anhand der oben genannten Qualitätskriterien hinterfragen können. Klassische Anlaufpunkte sind auch die jeweiligen Kreisverbände vom Landvolk Niedersachsen (eine Liste finden Sie hier), die entweder über entsprechend ausgebildete Mitarbeiter oder über ein Partnernetzwerk verfügen. Zugang bieten daneben die unterschiedlichen Mediationsverbände oder auch vermarktende Internetplattformen.

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