Wenn Pflegeheime ihre Entgelte wegen der gestiegenen Kosten erhöhen wollen, müssen sie gesetzliche Vorgaben einhalten. Sonst ist die Erhöhung unwirksam (Symbolfoto).

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Cornelia Krieg | am

Preiserhöhung des Pflegeheims: So können Sie reagieren

Gerade ist das Geld an allen Ecken knapp. Wenn dann noch eine Erhöhung für das Pflegeheim ansteht, sollte man ganz genau hinschauen.

Ein Platz im Pflegeheim kostet viel Geld: Durchschnittlich 1.913 Euro monatlich muss eine vollstationär versorgte pflegebedürftige Person nach Zahlen des Verbandes der Ersatzkassen in Niedersachsen für einen Heimplatz als Eigenbeteiligung zahlen (Stand Juli 2022). Ausbildungsumlage und Zuschuss sind dabei noch nicht eingerechnet.

So setzen sich die Kosten zusammen:

Die Kosten für eine vollstationäre Unterkunft setzen sich zusammen aus:

  • Kosten für Unterkunft und Verpflegung
  • Kosten für Pflege und Betreuung (Pflegesatz)
  • Investitionskosten
  • ggf. Ausbildungsumlage und Zusatzleistungen

Gestiegene Aufwendungen

Die Inflation, Energiekosten und vor allem die gestiegenen Aufwendungen für Personal lassen die Kosten in die Höhe schnellen. Pflegeheime dürfen unter bestimmten Voraussetzungen und Einhaltung eines fest vorgeschriebenen Verfahrens die Preise erhöhen. Die Regeln für eine Preiserhöhung sind im Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG) verankert. Das Gesetz regelt jedoch nicht, bis zu welchem Prozentsatz und wie oft die Kosten erhöht werden dürfen.

Pflege und Betreuung

Hat der Heimbewohner eine festgestellte Pflegebedürftigkeit (Pflegegrad 1 bis 5), beteiligt sich die Pflegekasse ausschließlich an den Kosten für Pflege und Betreuung. Pflegeheimbewohner zahlen ab Pflegegrad 2 einen Einrichtungseinheitlichen Eigenbetrag. Dieser bezeichnet den Anteil an den Pflegekosten in Pflegeeinrichtungen, der über die Leistungsbeträge der Pflegeversicherung hinausgeht. Es ist ein einheitlicher Betrag für alle Pflegeheimbewohner ab Pflegegrad 2. Der Eigenanteil variiert aber zwischen den einzelnen Pflegeeinrichtungen. Schwerpunkt der Kosten sind in erster Linie Personalkosten. Die Mindest- bzw. Tariflöhne für Pflegekräfte sind ab dem 1. September 2022 gestiegen (Tarifgebundenheit). Sie werden laut Pflegekommission bis Ende 2023 stufenweise deutlich angehoben. Die Kosten für Pflege und Betreuung betragen derzeit (Stand Juli 2022) durchschnittlich 760 Euro monatlich.

Leistungszuschlag

Seit Januar 2022 zahlt die Pflegeversicherung ab Pflegegrad 2 einen Leistungszuschlag. Dieser Zuschlag wird aber nur auf den Eigenanteil an Pflege und Ausbildungsumlage gewährt. Er ist abhängig von der Aufenthaltsdauer im Pflegeheim und beträgt bis 12 Monate Aufenthaltsdauer 5 %, bei mehr als 12 Monaten 25 %. Wer länger als 24 Monate im Heim ist, erhält 45 % und bei mehr als 36 Monate 70 %. Das bedeutet eine Entlastung von 532 Euro monatlich bei einem Aufenthalt, der länger als 36 Monate dauert. So reduziert sich der Eigenanteil für den Heimbewohner. Alle anderen Kosten muss er selbst tragen. Der Zuschlag wird aber nicht an den Heimbewohner ausgezahlt, sondern an das Pflegeheim.

Sogenannte "Hotelkosten"

Kosten für Unterkunft und Verpflegung beinhalten den Aufwand für Service, Zimmerreinigung und damit auch die damit verbundenen Personalkosten, ferner Lebensmittelkosten und Energiekosten, die häufig als Unterbringungs- bzw. als sogenannte „Hotelkosten“ bezeichnet werden. Sie betragen in Niedersachsen durchschnittlich 648 Euro monatlich.

Investitionskosten anpassen

Das Pflegeunternehmen kann Investitionskosten anpassen und auf die Heimbewohner umlegen. Darunter fallen zum Beispiel:

  • Kosten für technische Einrichtungen,
  • erforderliche Umbau- und Erweiterungsmaßnahmen,
  • Instandsetzungsarbeiten,
  • gesetzlich vorgeschriebene Bau- und Sicherheitsmaßnahmen,
  • Brandschutz, Anschaffung von Fahrzeugen.

Kosten fachmännisch prüfen lassen

Die Pflegekassen verhandeln die Investitionskosten nicht mit den Pflegeeinrichtungen. Das passiert nur, wenn die Bewohner Sozialhilfe beziehen. Dann muss der zuständige Sozialhilfeträger einer Anpassung zustimmen. Investitionskosten müssen zwingend notwendig und angemessen sein. Außerdem dürfen Investitionen nicht durch öffentliche Mittel gedeckt bzw. überwiegend gefördert worden sein. Luxussanierungen dürfen nicht umgelegt werden. Jeder Heimbewohner hat das Recht, die verlangten Kosten zu prüfen bzw. fachmännisch prüfen zu lassen. Dazu gehört auch die Einsicht in die Kalkulationsunterlagen der Pflegeeinrichtung. Für Investitionskosten müssen von den Pflegeheimbewohnern in Niedersachsen durchschnittlich 506 Euro monatlich aufgebracht werden (Stand Juli 2022).

Kosten selbst tragen

Vertraglich vereinbarte Zusatzleistungen, die über die üblichen Leistungen hinausgehen und steigende Ausbildungsvergütungen können zu einer höheren Belastung führen. Viele Heimbewohner tragen die Kosten komplett selbst, ohne Unterstützung eines Sozialhilfeträgers. Daher ist für das Pflegeunternehmen eine Verhandlung mit den Pflegekassen nicht erforderlich. Doch auch in diesen Fällen muss sich das Pflegeunternehmen an bestimmte, vergleichbare Regeln halten.

Verträge neu verhandeln

Wer Sozialleistungen bekommt, für den hat das Pflegeheim einen Vertrag mit Pflegeversicherung und Sozialhilfeträger abgeschlossen. Bei einer Kostenerhöhung muss dieser Vertrag neu verhandelt werden. Nur wenn sich alle Vertragspartner über die veränderten Sätze einig sind, können die Entgelte erhöht werden.

Will das Pflegeunternehmen die Kosten für den Heimbewohner erhöhen, muss ein gesetzlich vorgeschriebenes Verfahren eingehalten werden (§ 9 Abs. 2 Satz 5 WBVG). Wird dieses Verfahren in einzelnen Punkten nicht eingehalten, ist die Erhöhung unwirksam. Das Pflegeunternehmen muss dem Heimbewohner die Erhöhung schriftlich mitteilen und ab wann sie gelten soll. Dieses Schreiben muss mit einer Unterschrift versehen sein.

Sonderkündigungsrecht

Darin ist die Anpassung nachweislich und transparent zu begründen. Das heißt: Das Heim muss die Positionen benennen, für die sich durch die veränderte Berechnungsgrundlage höhere Kosten ergeben und die bisherigen Entgeltbestandteile den vorgesehenen neuen gegenüberstellen. Es muss den genauen Betrag mitteilen, den Umlageschlüssel für die einzelnen Positionen erläutern und das Recht auf Einsicht in die Kalkulationsunterlagen enthalten.

Rechtlich beraten lassen

Der Bewohner muss die Mitteilung über die Preiserhöhung, vier Wochen vor dem Tag erhalten, an dem er den erhöhten Betrag zahlen soll. Dieses Verfahren gilt für alle Heimbewohner, egal ob Selbstzahler oder Sozialhilfeempfänger.

Erfüllt der Pflegeheimbetreiber die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Kostenanpassung nicht, ist die Entgelterhöhung unwirksam. Wer mehr zahlen soll, hat außerdem ein Sonderkündigungsrecht. Aber: Das will genau überlegt sein, denn die Zahl der Heimplätze ist regional begrenzt. Wer kündigen will, sollte sich auf jeden Fall vorher (rechtlich) beraten lassen. Ist die Entgelterhöhung gerechtfertigt, wird der Vertrag geändert. Der Heimbewohner muss aber zustimmen.

Hier finden Sie Hilfe bei der Heimsuche

  • Wer für sich oder einen Angehörigen einen Heimplatz sucht, sollte sich bei einer unabhängigen Pflegeberatung, zum Beispiel einem Pflegestützpunkt, informieren. Diese klären Sie darüber auf, welche Pflegeeinrichtungen es in näherer Umgebung gibt und welche finanzielle Unterstützung möglich ist.
  • Auch die örtlichen Sozialämter und die Verbraucherzentralen beraten.
  • Außerdem gibt es Internetportale, die über Pflegeeinrichtungen informieren. Achten Sie auf Seriosität.
  • Kommen mehrere Pflegeheime infrage, kann man sich auf den Internetseiten der Einrichtungen über weitere Details informieren.
  • Der Verband der Ersatzkassen (vdek) hilft unter www.pflegelotse.de bei der Suche nach passenden Pflegeeinrichtungen und informiert über ihre Ergebnisse bei Qualitätsprüfungen.
  • Seit 2019 gibt es ein neues System der Qualitätsmessung und deren Darstellung. Entscheidend ist aber letztlich der eigene persönliche Eindruck der Pflegeeinrichtung und ob die Finanzierung gewährleistet ist.
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