Dürfen Schwangere im Geflügelstall arbeiten? Und wenn ja, wie lange und unter welchen Umständen? Einfach ist es nicht.
Die Antwort darauf, ob und wie lange Schwangere im Geflügelstall arbeiten dürfen, ist nicht so eindeutig. Grundsätzlich gilt das Mutterschutzgesetz. Der Arbeitgeber hat die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass Gefährdungen einer schwangeren oder stillenden Frau oder ihres Kindes möglichst vermieden werden und eine unverantwortbare Gefährdung ausgeschlossen wird.
Generelles Beschäftigungsverbot für werdende Mütter?
Bei der Arbeit mit Tieren ist ein generelles Beschäftigungsverbot wahrscheinlich. Das hieße, Schwangere werden bezahlt von der Arbeit freigestellt. Für jede Schwangere und für jeden Arbeitsplatz muss eine individuelle Gefährdungsbeurteilung vom Arbeitgeber angefertigt werden – egal, um was für eine Tätigkeit es sich handelt. Das bedeutet: sowohl für die Arbeit im Stall (als Tierwirtin) als auch für Arbeiten in einer Packstelle beim Verpacken der Eier, muss eine Gefährdungsbeurteilung angefertigt werden. Denn die Gefährdungen unterscheiden sich deutlich voneinander. Der Arbeitgeber muss beurteilen, welche Gefahren potenziell bestehen könnten und ob beziehungsweise wie diese im besten Falle vermeidbar oder abzumildern wären.
Gefährdung durch Staub als Überträger
Im Geflügelstall stellt in erster Linie – kurz und vereinfacht gesagt – der Aufenthalt in einer staubigen Umgebung eine Gefährdung dar. Diese muss beurteilt werden. Denn der Staub im Geflügelstall weist eine kleine Teilchengröße auf und ist deshalb alveolengängig, kann also weit in die Lungenbläschen eindringen. Es handelt sich, ganz korrekt ausgedrückt, um einen biologischen Arbeitsstoff und der Staub kann Träger übertragbarer Krankheiten oder Allergenen sein. Ein weiteres Reservoir für Viren, Bakterien und Allergene sind die Tiere selbst, beispielsweise durch ihre Ausscheidungen (Speichel, Atemwegssekret, andere Körperflüssigkeiten). Hier werden häufig folgende Erreger genannt, die alle auch im Geflügelstall vorkommen können:
- E.coli
- Salmonellen
- Campylobacter
Mutterschutz: Was müssen landwirtschaftliche Betriebe beachten?
Erreger für den Organismus eine Belastung
Die Arbeit mit der Auflage „Maske FFP-2“ ist dabei keine Lösung, weil das für Schwangere nicht in Frage kommt. Es gibt Studien, nach denen es zu einer mangelnden Sauerstoffsättigung beim Fötus führen könnte. Allerdings ist dies nicht abschließend zu beurteilen. Insgesamt sollte man sich aber bewusst sein, dass alle genannten Erreger für jeden Organismus eine Belastung sind - egal ob schwanger oder nicht.
Achtung Hanta-Virus: nicht nur für Schwangere gefährlich
Eine besondere Gefahr, für alle, die im Geflügelstall arbeiten, geht vom Hanta-Virus aus. Das Virus ist als kritisch anzusehen und findet sich vor allem dort im Staub, wo sich auch Schadnager (vor allem Ratten und Mäuse) bewegen. Die Gefahr entsteht zum Beispiel beim Fegen der Vorräume oder Kontrolle von Schadnagerboxen. Auch diese Arbeit (Stichwort: Giftköder) darf aber von Schwangeren eh nicht ausgeführt werden, da es sich um einen Gefahrenstoff handelt.
Biosicherheit im Geflügelstall einhalten
Arbeit mit Desinfektions- und Arzneimittel
Hinzu kommt in Ställen der Umgang mit Desinfektionsmitteln und Arzneimitteln - wie gegebenenfalls Impfstoffen. Zu den gefährdenden Arzneimitteln gelten solche, die krebserzeugend, mutagen oder fruchtschädigend sein können. Der Umgang mit gefährdenden Arzneimitteln könnte man sicher noch durch eine entsprechende Arbeitsorganisation lösen, doch die Desinfektionsmittel verbleiben ja im Stall. Ähnliches gilt für die Silikate, die Geflügelhalter zur Milbenbekämpfung ausbringen. Wer unsicher über die Einschätzung eines Mittels ist, dem hilft ein Blick in das Sicherheitsdatenblatt, das zugänglich gemacht werden muss. Dort findet man entsprechende Hinweise.
Arbeitszeitregelung für Schwangere beachten
Außerdem müssen Arbeitgeber die Arbeitszeitregelungen für angestellte Schwangere und die Vorgaben zum Heben und Tragen beachten: Zum Bespiel dürfen Schwangere bei Nacht nicht beim Ausstallen eingesetzt werden. Schwangere Frauen dürfen nicht mit Tätigkeiten beschäftigt werden, bei denen Unfälle, insbesondere durch Ausgleiten, Fallen, oder Stürzen oder Tätlichkeiten zu befürchten sind, wenn dies für sie oder ihr Kind eine unverantwortbare Gefährdung darstellt. Die Aufzählung der Unfallgefahren ist nicht abschließend, sondern nur beispielhaft. So birgt das Hochsetzen von Legehennen am Abend neben den Einschränkungen zur Arbeitszeit auch Gefahren wie Stoßen, Fallen oder Stolpern, zumal es im Dunkeln durchgeführt wird. Eine erhöhte Unfallgefahr besteht auch in anderen besonders gefährlichen Arbeitssituationen, zum Beispiel beim Umgang mit Tieren, insbesondere bei Großtieren oder beim Umgang mit besonders gefährlichen Arbeitsmitteln.
Gefährdung im Geflügelstall - viele offene Fragen für Schwangere
Insgesamt wurde dieses Thema noch wenig behandelt, deshalb gab es in der Vergangenheit auch wenig Informationen dazu. Herzstück für alle Arbeitsschutzfragen ist aber die Gefährdungsbeurteilung. Verantwortliche haben bereits die Erfahrung gemacht, dass es schnell zu Ärger kommen kann, aber kaum entsprechenden Materialien oder Hilfestellungen gefunden. Im Zweifelsfall sollten betroffene Arbeitgeber, aber auch die Schwangeren selbst sich an die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) und – noch besser – an das Amt für Arbeitsschutz, respektive die Gewerbeaufsicht wenden. Bei Letzteren muss die die Beschäftigung einer Schwangeren auch angezeigt werden, sobald sie dem Betrieb bekannt wird. Alles in allem sollte man sich ehrlich die Frage beantworten, wie und was eine Schwangere in einem Geflügelstall noch an Arbeiten leisten kann und darf. Die Gefährdungsbeurteilung ist deshalb auch das Dokument, das gerichtsfest begründe muss, was erlaubt ist und was nicht. Als Betrieb hat man unbedingt eine Fürsorgepflicht.