Holz, soweit das Auge reicht. Aber wird es eventuell den Status als „erneuerbare Energie“ verlieren?

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Imke Harms | am

Verliert Holz ab dem Jahr 2030 den Status „erneuerbare Energie“?

Das ist eine heikle Kontroverse: Es geht um den Erneuerbaren-Status von Holzenergie. Der steht gerade auf der Kippe.

Mit einer weiteren Novellierung der Erneuerbaren Energien Richtlinie (RED III) droht die Wertung von Waldholz als „erneuerbare Energie“ durch die EU in Zukunft abgeschafft zu werden. Das berichtet der Waldbesitzerverband Niedersachsen.

Holz nicht mehr förderfähig

Würde es so kommen, wäre Holz nicht mehr förderfähig. Was jetzt passiert? Deutschlands und Niedersachsens Waldbesitzer laufen Sturm: „Die unterzeichnenden Organisationen des deutschen Kleinprivatwaldes protestieren nachdrücklich gegen diese Diskriminierung. Die Konsequenzen hieraus sind nicht nur klimapolitisch kontraproduktiv, sondern würden besonders die vielen kleineren Waldbesitzenden wirtschaftlich hart treffen“, erklärt dazu Petra Sorgenfrei, Geschäftsführerin des Niedersächsischen Waldbesitzerverbandes.

2,4 Millionen Hektar Wald

Seit Januar 2022 wird die RED II-Richtlinie (Renewable Energy Directive II – Die europäische „Erneuerbare-Energien-Richtlinie“) mit dem neu eingeführten risikobasierten Ansatz umgesetzt, wie auch das niedersächsische Landvolk mitteilt. „Eine Evaluierung hierzu gibt es noch nicht. Dennoch wurden von der Europäischen Kommission mit der Veröffentlichung des RED III-Vorschlags weitere Verschärfungen vorgelegt und beschlossen“, wird Petra Sorgenfrei vom Landvolk zitiert. Deshalb haben sich mehr als 250.000 Mitglieder der unterzeichnenden Organisationen, die insgesamt über 2,4 Mio Hektar Wald bewirtschaften mit einem Schreiben an die Teilnehmenden der Verhandlungen gewendet.

Holzfeuerungen in Niedersachsen leisteten einen großen Beitrag zur Wärmeerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen.

Abqualifizierung von holzartiger Biomasse

„Wir wehren uns gegen eine Politik, deren einseitige Begründungen aus fragwürdigen Kampagnen stammen. Die im Parlamentsbeschluss vorgesehene Stufenlösung zum Auslaufen der Anrechenbarkeit ist grundsätzlich nicht akzeptabel und in der Praxis nicht handhabbar“, führt Sorgenfrei aus. Die pauschale Abqualifizierung von primärer holzartiger Biomasse – also direkt aus Wäldern stammende Biomasse – als Rohstoff zweiter Klasse führe dazu, dass diese Biomasse als erneuerbare Energie zukünftig wegfallen werde, was weitreichende Folgen habe. „In den Mitgliedstaaten wird damit der Weg geebnet für CO2-Abgaben auf Brennholz und für das endgültige Aus zu einem Zeitpunkt, wenn nur noch erneuerbare Energieträger erlaubt sein werden“, erklärt Sorgenfrei.

Massiver Rückschritt in Sachen Klimaschutz

Verbleiben große Mengen geringwertiger Biomasse im Wald, werden sich in vielen Regionen der EU die CO2-Emissionen durch natürliche Zersetzung verstärken. „Diese kalte Verbrennung von Waldbiomasse ersetzt keine fossilen Rohstoffe, wäre ein massiver Rückschritt für den Klimaschutz und richtet sich gegen die Ziele des Green Deals“, ist die Geschäftsführerin des Waldbesitzerverbandes überzeugt.

Schädliche Folgen

Diese Konsequenzen wären nicht nur klimapolitisch kontraproduktiv, sondern würden besonders die vielen kleineren Waldbesitzenden wirtschaftlich hart treffen. Vor allem würde es den Baumartenwechsel in Richtung wärmetoleranter Arten behindern, heißt es in der Mitteilung des Waldbesitzerverbandes weiter. „Deshalb muss im Sinne des Green Deals die Erneuerbaren Energien-Richtlinie inklusive der neuen Kategorie Primärbiomasse mit all ihren schädlichen Folgen für das Klima, die dezentrale Energieversorgung und die sozio-ökonomische Stabilität im ländlichen Raum geändert bzw. auf sie verzichtet werden“, fordert Petra Sorgenfrei und hofft auf ein Umdenken bei den Verantwortlichen.

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Rückblick: Fachkongress Holzenergie in Würzburg

Schon im vergangenen Jahr wurde die Kontroverse um den Status von Holzenergie behandelt. Auch auf dem Fachkongress Holzenergie in Würzburg gab es Streit um die Speicherleistung. „Im Wald wird zweieinhalbmal mehr CO2 gebunden als freigesetzt“, argumentierte damals Sebastian Henghuber, Vorstand im Fachverband Holzenergie, der den Kongress veranstaltete. Die Aussage, der Wald sei eine Kohlenstoffsenke begründete er so: Bei der energetischen Nutzung von Holz würden jährlich im Durchschnitt der Jahre 2017 bis 2020 in Deutschland 35 Mio. t biogenes CO2 frei. Diese Menge an Emissionen würde ohnehin anfallen – nämlich, wenn Bäume das Ende ihres Lebenszyklus erreicht hätten und der Zersetzungsprozess beginne. Dagegen würde beim Ersatz fossiler Energien die Freisetzung durch Verrottung im Wald entfallen. Setze man die durch diese Substitution eingesparte CO2-Menge von 34,3 Mio. Tonnen zusammen mit den 54,7 Mio. Tonnen pro Jahr im Wald gespeicherten CO2 ins Verhältnis zu dem bei der Verbrennung freigesetzten CO2 in Höhe von 35 Mio Tonnen, ergebe sich für die nachhaltige Waldwirtschaft mit Holzenergienutzung ein Klimaschutzfaktor von 2,5.

Methodikfehler?

Hier merkte jedoch Martin Waldhausen, Vertreter des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), einen Methodikfehler an: „Das Argument, Holz, das im Wald liegenbleibt, emittiert auch CO2, zieht nicht. Der Kohlenstoff geht zum Teil auch in den Waldboden.“ Nicht alles werde als CO2 freigesetzt. Roland Irslinger, Professor a.D. an der Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg, hatte damals noch ein weiteres Argument vorgebracht: „Wenn wir den deutschen Wald total stilllegen würden, kämen wir mit einem Naturschutzwald, bei dem der Holzvorrat auf konstantem Niveau bleiben würde, auf eine CO2-Bindung von jährlich 40 Mio. Tonnen. Wenn wir die Waldfläche in Deutschland nutzen, haben wir 120 Mio. Tonnen.“ Das könne man nicht einfach „wegdiskutieren.“

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Kulturwald als solchen erhalten

Er vertrat die Auffassung, es sei ein Trugschluss, zu behaupten, dass sich selbst überlassene Wälder im Klimawandel stabiler würden und untermauerte diese Aussage mit Luftbildern des Naturschutzwaldes im Nationalpark Hainich, in dem Buchen genauso unter dem Klimawandel leiden wie Nadelbäume. Irslinger: „Wir haben in Europa seit Jahrhunderten Kulturwald und den müssen wir weiter als Kulturwald behandeln.“

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