Das Thüringer Waldgesetz verbietet die Änderung der Nutzungsart von Waldflächen zur Errichtung von Windenergieanlagen. Gegen diese Regelung hatten Waldbesitzer Verfassungsbeschwerde eingelegt. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat ihnen jetzt rechtgegeben. Gibt es Handlungsbedarf auch in anderen Bundesländern?
Mit dem am 10. November veröffentlichtem Beschluss hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass der entsprechende § 10 Abs. 1 Satz 2 des Thüringer Waldgesetzes (ThürWaldG) mit dem Grundgesetz unvereinbar und damit nichtig ist.
Verstoß gegen Eigentumsrecht
Diese Vorschrift verbietet ausnahmslos die Änderung der Nutzungsart von Waldgebieten zur Errichtung von Windenergieanlagen und verhindert damit jeden Bau von Windenergieanlagen in Waldgebieten. Das greife in das von Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) geschützte Eigentumsrecht der beschwerdeführenden Waldeigentümerin und Waldeigentümer ein.
Dieser Eingriff sei nicht gerechtfertigt, weil das Gesetz formell verfassungswidrig sei. Dem Freistaat Thüringen fehle für die angegriffene Regelung die Gesetzgebungskompetenz. § 10 Abs. 1 Satz 2 ThürWaldG ist der Gesetzgebungszuständigkeit für das Bodenrecht zuzuordnen, die beim Bund liege. Dieser habe davon durch die bauplanungsrechtliche Privilegierung von Windenergieanlagen im Außenbereich abschließend Gebrauch gemacht.
Pauschale Regelung unzulässig
Die Landesgesetzgeber können Waldgebiete aufgrund ihrer Gesetzgebungskompetenz für Naturschutz und Landschaftspflege unter Schutz stellen, sofern diese Gebiete aufgrund ihrer ökologischen Funktion, ihrer Lage oder auch wegen ihrer Schönheit schutzwürdig und -bedürftig sind.
In diesem Rahmen kann die Errichtung von Windenergieanlagen in den ausgewiesenen Gebieten untersagt werden, nicht aber pauschal für die gesamte Waldfläche Thüringens.
Detaillierte Begründungen zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts finden sich in der entsprechenden Pressemitteilung und in Leitsätzen zur Windkraft in Wald, die das Gericht veröffentlicht hat.
Verbandsreaktionen
Mehrere Forstverbände haben sich erfreut über das Urteil geäußert.
Die Familienbetriebe Land und Forst sehen durch den Karlsruher Richterspruch das Eigentumsrecht gestärkt. Alle Regelungen in Bund und Ländern, die gegenwärtig den Ausbau der Windkraft im Wald verbieten, müssten jetzt auf den Prüfstand, fordert der Verband. Er sieht das Urteil gleichzeitig als Warnung an den Gesetzgeber, auch in anderen Bereichen der Umweltgesetzgebung den Eigentumsschutz zu achten. So greife auch der EU Green Deal rücksichtslos in die Rechte der Eigentümer und Bewirtschafter ein.
Der Dachverband AGDW – Die Waldeigentümer erklärt, der Beschluss stärke die Eigentümerautonomie der Waldbesitzenden und beseitige ein Hindernis für eine marktwirtschaftliche Honorierung der Ökosystemleistungen des Waldes. Jetzt gelte es für die Bundesländer, zügig bestehende Verbote von Windenergieanlagen zu überprüfen und den Weg für neue Windkraftanlagen freizumachen.
Niedersachsen erlaubt Windkraft im Wald eingeschränkt
Die Nutzung von Waldstandorten für die Windenergie ist derzeit in sechs Bundesländern zulässig: Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hessen, Rheinland-Pfalz sowie im Saarland. In Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen ist sie eingeschränkt möglich. Die derzeitige rechtliche Lage in Niedersachsen sieht nur eine regional sehr unterschiedlich ausfallende und oftmals nur zaghafte Öffnung des Waldes für die Windenergie vor.
Der Waldbesitzerverband Niedersachsen hatte im April seine Forderung nach einer Nutzung des Waldes für die Windenergie untermauert. Stürme, Hitze, Dürre und Insektenbefall sorgen in den Wäldern für große Schäden. „Allein in Niedersachsen haben wir über 60.000 ha Schadflächen, die wiederaufgeforstet werden müssen“, sagt Philip von Oldershausen, Präsident des Waldbesitzerverbandes Niedersachsen (WBV).
Die Nutzung von Windenergie im Wald trägt nicht nur entscheidend zur Energiewende bei, mit den Einnahmen können auch die Wiederbewaldung, der Waldumbau und der Waldschutz mitfinanziert werden, so der WBV. „Im Wald gibt es viele Freiflächen, auf denen der Wind weht, es sollte eigentlich nichts dagegensprechen, diese für die Windenergie zu nutzen“, so von Oldershausen.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat die Bundesländer kürzlich aufgefordert, mehr Flächen für neue Windkraftanlagen zur Verfügung zu stellen. Es gebe derzeit zu wenig realisierungsfähige Projekte. Laut Bundesregierung sind bislang bundesweit 0,8 Prozent der Landesfläche für Windenergie an Land ausgewiesen. Davon sind nur 0,5 Prozent aber tatsächlich verfügbar.