Forstleute, die an der Pferderückung festhalten, werden oft als Romantiker belächelt. Dabei sind die angewandten Verfahren weder rückständig noch unwirtschaftlich, wie das Abtshagener Laubholzernteverfahren beweist.
Das Forstamt Poggendorf im Norden Mecklenburg-Vorpommerns setzt auf eine Kombination aus moderner Forsttechnik und traditioneller Pferderückung. Nach dem Standort der dafür eingesetzten Pferde wird diese Methode als Abtshagener Laubholzernteverfahren bezeichnet. Dabei arbeiten das Rückepferd und ein mit Bändern ausgestatteter Tragrückeschlepper Hand in Hand. Zum Einsatz kommt das Abtshagener Verfahren in Laubwäldern auf hydromorphen (also stau- und grundnassen) Grundmoränen-Standorten.
Öffentlichkeit im Blick
Auf allen terrestrischen Standorten, die mit Nadelholz bestockt sind, setzt die Landesforst Mecklenburg-Vorpommern dagegen auf eine hochmechanisierte Holzernte. Doch gefällte Bäume, gesperrte Wege, Schlamm und Rückegassen sind vor den Toren der Hansestadt Stralsund auf dem Präsentierteller der Öffentlichkeit wenig beliebt. Solche Bilder müssen Waldbesuchern regelmäßig mit vielen Worten und guten Nerven erklärt werden.
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Technik nur mäßig erfolgreich
Versuche, auf den sensiblen Standorten den Bodenschutz über technische Alternativverfahren zu verbessern, wie z.B. Seilkrananlagen, Raupenharvester oder auch automatische Reifenfülldruckanlagen, waren bisher nur eingeschränkt erfolgreich. Der kombinierte Einsatz von Pferden und Tragrückeschleppern hat sich dagegen seit Jahrzehnten bewährt und er wird in der Öffentlichkeit sehr positiv wahrgenommen.
Die Arbeitsschritte
Durch motormanuellen Einschlag von Kurzholzsortimenten erfolgt zunächst die Anlage des Feinerschließungssystems mit einem Rückegassenabstand von mindestens 40 Metern bei zeitgleicher Bestandespflege. Anschließend rückt ein Tragrückeschlepper das auf den Rückegassen befindliche Nutz- und Energieholz. Erst danach erfolgt die Holzbringung vom Fällort zu den Rückegassen, einschließlich der Sortierung und Vorkonzentration durch einspännigen Pferdeeinsatz. Abschließend wird die Endrückung an den Polterplatz maschinell realisiert.
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"Wo Gassen sind, können keine Bäume stehen"
Auch Kay Stolzenau ist überzeugt von der behutsamen Arbeit seiner Rückepferde. Er ist im Lüneburger Stadtwald im Einsatz. Stolzenau stellt fest, dass viele Wege immer breiter geworden sind und ein Viertel des Waldes inzwischen von diesen durchzogen ist. "Das ist einfach schade, der Wald ist sensibel, die Quittung bekommt man Jahre später. Wo Gassen sind, können keine Bäume stehen", sagt der 47-Jährige. Die im Wald eingesetzten Maschinen wuchsen von 2,5 Meter auf 3 Meter in der Breite an und sind für sensible Untergründe oft nicht geeignet. Da kommen Stolzenaus Pferde zum Einsatz.
Vorteile der Pferde im Wald
Die Pferde transportieren Festmeter Holz schonend ab und hinterlassen im Gegensatz zu den Maschinen weder Öle noch Kraftstoffe. Stolzenaus Rückepferde gehören zu einem Pilotprojekt im Lüneburger Stadtforst. Sie ziehen die Baumstämme zu den Orten, wo die Maschinen wieder einsetzen können. Damit schützen sie den empfindlichen Boden.
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Ein Beruf mit Zukunft?
Der Beruf des Pferderückers gilt als nahezu ausgestorben. In Niedersachsen hat Stolzenau nur noch zwei weitere Kollegen. Seine Pferde züchtet er selbst. Er kommt deutschlandweit mit ihnen zum Einsatz, wenngleich es immer seltener wird. "Man kann davon leben und es wäre schade, wenn der Beruf ausstirbt", merkt er an. Wenn das Pilotprojekt Schule macht, dürfte der Bedarf wieder steigen. Dann wird man Kay Stolzenau und seine fünf Kaltblüter häufiger in den Wäldern Deutschlands antreffen.