Matsch und Dreck – das Gelände des Nabu Hofs.

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Kathrin Führes und Imke Harms | am

Kalb verendet qualvoll: NABU-Tierhaltung in Leer soll beendet werden

Auf einem NABU-Hof in Niedersachsen soll unsagbares Tierleid stattgefunden haben. Der NABU wehrt sich gegen die Vorwürfe. Dennoch: Der Kreis lässt das Projekt zum Jahresende auflösen.

Der Fall eines verendeten Kalbs auf einem NABU-Hof bei Leer (Ostfriesland/ Niedersachsen) sorgte in den vergangenen Tagen für Schlagzeilen. Laut einem Bericht von „bild.de“ habe sich das Kalb seit Stunden, im Dreck liegend, in einem Todeskampf befunden und wurde erst später durch einen Tierarzt erlöst. Vorwürfe gegen weiteres Tierleid auf dem Hof wurden laut. „Es ist nicht der einzige Fall beim NABU bisher. Jetzt ermitteln auch die Behörden“, prangerte Hero Schulte, 2. Vorsitzender des Friesischen Verbands für Naturschutz (FVN) die Situation an. Auch der NABU selbst hat dazu Stellung bezogen. Doch das ist nicht alles: Die Haltung soll nun bis zum Winter gänzlich beendet werden, wie Animal Health Online veröffentlicht. Als Tierhalter habe der NABU ein Konzept vorzulegen, wie eine Auflösung des Bestandes tierschutzgerecht erreicht werden kann. 

Das Kalb soll sich über Stunden auf der Wiese im Todeskampf gequält haben.

Politik fordert personelle Konsequenzen beim NABU

In einer Pressemitteilung hatte zuvor der Vorsitzende der FDP-Fraktion im Leeraner Kreistag und Chef des FDP Kreisverbandes, Jens Völker, personelle Konsequenzen beim NABU gefordert. Angesichts des Skandals um die schwer verletzten Heckrinder auf den NABU-Flächen und den Zuständen bei der Heckrinderhaltung müsse Dr. Holger Buschmann als Landesvorsitzender seine persönliche Verantwortung übernehmen und sofort zurücktreten.

Vorwurf: "Landwirte hätten längst Tierhaltungsverbot"

Die FDP begrüßt, dass der Landkreis zumindest jetzt die Heckrinderhaltung durch den NABU dort für nicht mehr möglich hält. Ein Landwirt hätte bei dem gleichen Vergehen bereits ein Tierhaltungsverbot bekommen, so der Vorwurf der Fraktion.

Es könne nicht sein, dass auch die vorgeschriebenen Ohrmarken beim aktuellen Fall nicht eingezogen wurden. Landwirte würden regelmäßig kontrolliert und es führe zu Sanktionen, wenn nicht alle Ohrmarken vorhanden seien. "Hier muss gleiches Recht angewendet werden. Personalprobleme dürfen keine billige Ausrede sein,“ sagt Jens Völker. Ebenso sollte die Stadt Leer als Eigentümerin der Flächen ihre eigenen Schlussfolgerungen aus den Vorfällen ziehen. „Die Stadt als Eigentümerin der Kompensationsflächen sollte in der Bewirtschaftung künftig mit fachkundigen Landwirten statt mit dem NABU kooperieren,“ meint Völker in der Mitteilung abschließend.

Rinder auf Weide

Unfall durch missglückte Blutentnahme?

Was passiert war: Bei den rund 40 Heckrindern, die sich laut NABU auf dem Hof befinden, hätten am 10. Mai für eine Routineuntersuchung Blut abgenommen werden sollen. Die Witterungsbedingungen, mit starkem Regenfall im Vorfeld, hätte das Unterfangen jedoch erschwert, wodurch die Aktion auf Anweisung des Veterinäramts wieder abgebrochen und die Tiere freigelassen. Dabei habe sich das später verendete Kalb vermutlich verletzt, so der NABU. Mitarbeiter vom Veterinäramt, NABU und ein Tierarzt hätten unmittelbar vor Ort davon Kenntnis erlangt, jedoch sei die Schwere des Unfalls nicht direkt beurteilbar gewesen. „Aus diesem Grund wurde der Zustand des Tieres, wie in solchen Fälle üblich, zunächst beobachtet. Leider trat keine Verbesserung ein, weshalb man am darauffolgenden Tag einen Tierarzt mit der Einschläferung beauftragt hatte“, so der NABU.

Nicht genug Personal um Rinder zu betreuen

Ein zweites verletztes Rind, welches ebenfalls erlöst werden musste, sei vom Veterinäramt an den NABU gemeldet worden. Die Obduktion solle nun klären, ob die Verletzung auch mit der Blutuntersuchung zusammenhängt.

Senkrechte Stangen haben sich zur Abgrenzung der Bullenbox bewährt. Sie schaffen Fluchtmöglichkeiten in der gesamten Box.

Nabu sagt: "Bedauerliche Einzelfälle"

Laut NABU handelt es sich bei beiden Fällen um „bedauerliche Einzelfälle“, die man auf die schlechte Witterung und die missglückte Blutentnahme schiebt. Neben den „ungünstigen Faktoren“ sei auch der Fachkräftemangel Schuld an der aktuellen Situation. So habe man es daher nicht geschafft, wie vorgeschrieben, die Kälber aus diesem Jahr mit Ohrmarken zu versehen. Um das zu gewährleisten, müsse man aber zuerst die vakanten Personalstellen besetzen. Es wirkt, als sei der NABU-Hof mit den 40 Tieren überfordert. So äußert sich auch Hero Schulte, der selbst Rinderhalter ist und dem die Umstände vor Ort bekannt sind, dass „Großviehhaltung in Profihand von ausgebildeten Landwirten“ gehört.

Kälberiglu-Stroheinstreu

Schlachter besitzt keine EU-Zertifizierung für Weideschuss

Doch warum gibt der NABU keine Tiere ab, wenn man diese personell nicht mehr tierschutzgerecht betreuen kann? Auch hier hat der NABU eine Erklärung parat. Man sei zwar gewillt den Bestand zu reduzieren, aber der beauftragte Schlachter habe noch keine EU-Zertifizierung für den „Weideschuss“ erhalten. Die Weideschlachtung sei die „stressärmste“ Art der Schlachtung, daher wolle man den Tieren den Transport zum Schlachthof ersparen. Ob die aktuelle Situation für die Rinder tatsächlich tierschutzgerechter als ein Transport zum Schlachthof ist, bleibt fraglich.

Milchkühe-Futtertisch

Schon verendete Tiere in der Vergangenheit

Bereits in der Vergangenheit hatte es beim dem Heckerrinder-Projekt vom NABU gravierende Probleme gegeben. Der Landkreis Leer war 2008 aus dem Projekt ausgestiegen, nachdem 16 Rinder verendet waren. Die Tiere seien damals aufgrund schwerer Fehler in der Haltung eingegangen. In der Stellungnahme äußerte sich der NABU, dass im aktuellen Fall eine ganz andere Ausgangssituation bestehen würde. Die Tiere seien diesmal gut im Futter und würden sich daher auch gut vermehren. Nur das Wetter und das Wesen der Tiere mache den Umgang derzeit schwierig.

Neue Tierschutzanforderungen an die Heckrinder-Haltung

Mittlerweile hat der Landkreis mehrere Anordnungen erlassen, um den Tierschutz zu gewährleisten, so Animal Health Online weiter. Dazu gehöre unter anderem eine bessere Betreuung der Herde. Der NABU müsse jetzt zweimal täglich eine Kontrolle durchführen – mit einem Traktor, um nahe genug an die Tiere heranzukommen. Weiterhin sei eine Futter- und Wasserversorgung angeordnet worden sowie eine Instandsetzung der Versorgungsplätze und Unterstände.

Mit Material von Animal Health Online, NDR, Pressemitteilung FDP Kreisverband Leer
Der Beitrag „Kälber verendet: Ist der NABU mit Tierhaltung überfordert?“ ist zuerst erschienen bei PIRSCH.

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