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Wenn Klimaaktivisten auf dem landwirtschaftlichen Betrieb mitarbeiten
Vergangene Woche waren junge Menschen aus der Umwelt- und Klimabewegung für drei Tage zu Besuch auf landwirtschaftlichen Betrieben. Zum Arbeiten, Lernen und Diskutieren. Dabei haben beide Seiten voneinander gelernt.
„Gestern waren wir zusammen auf einem benachbarten Betrieb“, sagt Lasse Oestmann (22), der gemeinsam mit seinen Eltern und seinen zwei Brüdern einen Schweinemastbetrieb im Heidekreis bewirtschaftet. „Und ich wusste gar nicht, wie ich die drei vorstellen sollte. Ich kann ja schlecht sagen: ‚Das hier sind unsere Aktivistinnen.‘ Für mich ist Aktivismus nämlich ein ziemlich negativ besetzter Begriff.“
Anfangs war Skepsis da
Als Jochen Oestmann, Vorsitzender vom Landvolk Kreisverband Lüneburger Heide, vor einiger Zeit angefragt wurde, ob sein Betrieb bei der Aktion „Aktivismus meets Landwirtschaft“ mitmachen möchte, war die Familie anfangs skeptisch. Für drei Tage wollten junge Menschen aus der Klima- und Umweltbewegung die konventionelle Landwirtschaft kennenlernen. „Aus unserem Bekanntenkreis wollte sonst niemand an der Aktion teilnehmen“, sagt Jochen Oestmann. „Es ist ja auch ein Risiko dabei, fremde Menschen – noch dazu aus dieser Szene – auf unseren Hof zu lassen. Die kennen sich jetzt aus auf unserem Betrieb und wissen sogar, wo unsere Stallschlüssel liegen. Aber ich muss sagen: Wir haben wirklich Glück gehabt. Wir verstehen uns alle richtig gut.“
Aktivisten arbeiten drei Tage auf dem Hof mit
Drei Tage lang haben Klara (19) aus Hamburg, Friederike (19) aus Bremerhaven und Carla (27) aus Berlin auf dem Betrieb von Familie Oestmann mitgearbeitet. „Ich wollte wissen, wie ein konventioneller Betrieb funktioniert“, sagt Friederike, die sich in ihrer Freizeit bei Fridays for Future organisiert. „Ich bin der Meinung, dass wir die Tierhaltung in Deutschland reduzieren müssen. Und um Lösungen zu finden, ist es wichtig, zu verstehen, wie das System überhaupt funktioniert.“
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Ein guter Mix aus Arbeit und Diskussion
In den letzten Tagen haben sie und ihre Mitstreiterinnen viel gesehen und Zusammenhänge verstanden. Haben die alltägliche Arbeit in den Mastställen der Haltungsformen zwei und vier kennengelernt, haben gesehen, wie eine Biogasanlage funktioniert und die Beregnungsanlagen mit umgestellt. „Die Tage hier auf dem Betrieb waren körperlich gar nicht so anstrengend. Eher kognitiv. Ich habe viel gelernt, aber gleichzeitig auch meine eigene Meinung geteilt“, sagt Klara. „Es war ein guter Mix aus Arbeit, Diskussionen und Spaß.“
Die Aktion fördert den Austausch
Sowohl für Familie Oestmann als auch für die drei jungen Frauen war es eine mutige Entscheidung, an der Aktion teilzunehmen. „Ich habe einen großen Respekt vor den dreien, sich der Landwirtschaft möglichst vorurteilsfrei zu öffnen“, sagt Jochen Oestmann. „Wenn es eine bessere Entwicklung geben soll, dann nur, wenn wir einen Austausch so wie diesen hier haben. Es kann nicht jeder Mensch seine Utopie durchsetzen, aber wir können einen gemeinsamen Weg finden. Das Format dieser Aktion hier ist dafür super.“
Beide Seiten haben etwas gelernt
Alle Teilnehmenden haben in diesen Tagen viel gelernt. „Jetzt wissen wir endlich, wer die Menschen hinter den Schildern sind“, sagt Malte Oestmann (26) lachend. „Und ich weiß jetzt, dass es wirklich komplizierter ist, als gedacht“, sagt Friederike. „Aber an meiner Grundüberzeugung hat sich dennoch nichts geändert. Ich finde noch immer, dass die Tierhaltung ein Luxus mit vielen negativen Folgen ist, für den es keinerlei Notwendigkeit gibt.“
Am Ende der drei Tage sind sich alle Beteiligten einige: Aktivismus und Landwirtschaft sollten sich noch viel öfter treffen. Aber was genau ist eigentlich Aktivismus? „Aktivisten sind Menschen, die etwas verändern wollen. Und sich dafür auch aktiv einsetzen und engagieren“, antwortet Klara. Und sagt an Familie Oestmann gewandt: „Also für mich seid ihr auch alle Aktivist*innen.“
Die Aktion „Hof mit Zukunft – Aktivismus meets Landwirtschaft“ fand in diesem Jahr bereits zum zweiten Mal statt und deutschlandweit haben 80 Betriebe, konventionelle und ökologische, teilgenommen. Sie wird von der Kampagne „Meine Landwirtschaft“ organisiert, die auch die jährliche „Wir haben es satt“-Demonstration in Berlin ausrichtet.