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Landwirtschaft 4.0: Das Feld, das sich selbst bestellt
Hackschwärme, künstliche Intelligenz und digitale Agenten: Michael Clasen, Professor für Wirtschaftsinformatik an der Hochschule Hannover, hat eine Vision, wie Landwirtschaft in Zukunft betrieben werden könnte.
Wie ist der Stand der Digitalisierung derzeit in der Landwirtschaft – inwiefern werden zum Beispiel Datenmengen bereits jetzt bei der täglichen Arbeit genutzt?
Im Prinzip geht es darum, Prozesse zu automatisieren. Die mechanischen Prozesse haben wir bereits weitgehend automatisiert. Das hat das Maß an körperlicher Arbeit für Landwirte stark reduziert. Jetzt sind wir an einem Punkt, an dem es darum geht, Entscheidungen zu automatisieren. Darunter fallen unterschiedliche Entscheidungen, beispielsweise sehr kurzfristige wie es bei Steuerprozessen von Maschinen („Fahre nach links! / Fahre nach rechts!“) der Fall ist. Da generieren Daten schon jetzt einen großen Nutzen. Denn ohne solche Daten könnte ein Schlepper nicht nach rechts oder links lenken.
Darüber hinaus gibt es Entscheidungen, die werden seltener getroffen werden, aber eine längerfristige Tragweite haben. Dazu zählen operative, taktische und strategische Entscheidungen wie etwa die Frage „Wo will ich mit meinem Betrieb in fünf Jahren sein?“. Auch bei diesen Entscheidungen hilft uns Digitalisierung mehr und mehr. Damit die künstlich intelligenten Systeme (KI-Systeme, Anm. d. Red.) diese Entscheidungen selbst treffen können, brauchen sie die Daten. Genauso wie ein Landwirt fundiert informiert sein muss, bevor er sich zu etwas entscheidet, müsste auch ein KI-System via Daten informiert sein, um gute Entscheidungen treffen zu können.
Wie geht es jetzt live auf dem echten Acker weiter?
Das Feld kann sich – auch mit dem digitalen Zwilling – nicht selbst einsäen. Die Drille hat dann natürlich ebenfalls einen digitalen Zwilling im Internet, der wiederum die vom Besitzer auferlegte Aufgabe hat, Geld zu verdienen. Über digitale Marktplätze würden sie dann versuchen, sich zu verständigen, d.h. virtuelles Feld und Sämaschine müssten sich finden und dann einen Preis aushandeln. Anschließend würde die echte Drille das echte Feld mit dem bestellten Saatgut einsäen. Weil es keine selbstfahrenden Sämaschinen gibt, müsste sie noch dafür sorgen, dass sie sich einen Schlepper über das Internet bucht, der sie dann über den Acker zieht. Der Schlepper wiederum ist dann dafür zuständig, dass er betankt ist, TÜV hat, die Reifen nicht abgefahren sind, etc. Es sind also gekapselte Produktionssysteme, die jeweils einen eigenen Verantwortungsbereich haben. Das, was sie selbst nicht können, müssen sie als Fremdleistung über das Internet hinzubuchen.
Können Sie eine vage Vorhersage treffen, wie zukünftige Generationen leben werden?
Ich werde oft gefragt: „Wie werden meine Kinder denn dann Landwirtschaft machen?“. Da kann ich nur sagen, dass ich das auch nicht weiß. Die meisten Jobs, die die Menschen in zwanzig Jahren und darüber hinaus haben werden, sind heute noch nicht erfunden.
Hätte sich ihre Großmutter vorstellen können, was ein App-Entwickler ist? Vermutlich nicht. Da gab es das Smartphone noch nicht. Sie hätte sich nicht vorstellen können, dass jemand ein Programm für ein Telefon schreibt,- zumindest nicht für ihr Telefon, was sie damals auf der Kommode stehen hatte. Also da wird sich viel verändern, aber genaue Prognosen zu machen, ist immer schwierig.
Dass sich etwas verändert, ist klar. Wie es sich verändert, wissen wir nicht. Und wie schnell es passiert, wissen wir auch nicht so genau. Dieses Szenario des sich selbst bestellenden Feldes: Ich glaube schon, dass es kommen wird, ich habe aber keine Ahnung, wann. Das kann in fünf Jahren sein. Es kann auch sein, dass wir noch 50 Jahre warten müssen.
Arbeiten Landwirte in Zukunft „vom Sofa aus“? Diese und weitere Fragen beantwortet Michael Clasen in der aktuellen digitalen Ausgabe der LAND & FORST.