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Daten aus dem Stall optimal nutzen
Sensoren erfassen im Milchviehstall große Datenmengen. Diese können Wirtschaftlichkeit, Arbeitskomfort und Tierwohl positiv beeinflussen – wenn sie richtig ausgewertet und genutzt werden. Wir geben Ihnen Tipps dazu.
Der Grad der Automatisierung in Milchviehbetrieben hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Sowohl tierspezifische Daten wie Bewegung oder Fress- und Tieraktivität als auch die Daten der technischen Anlagen im Stall (zum Beispiel Melkanlage) können mittlerweile mit einer Vielzahl von Sensoren erfasst und aufgezeichnet werden. Sie liefern permanent eine Fülle detaillierter Informationen und ermöglichen so beispielsweise Aussagen über den Gesundheitsstatus der Tiere. So können sie die Landwirtin oder den Landwirt bei der täglichen Arbeit unterstützen:
Entscheidungsfindung erleichtern
Milchviehhalter müssen viele Entscheidungen fällen, die die gesamte Herde, einen Teil oder Einzeltiere betreffen. Daten können hier bei der Entscheidungsfindung helfen. Vereinfacht gesagt, werden die durch Sensoren ermittelten Daten mit bekannten Sollwerten abgeglichen. Bei nicht tolerierbaren Abweichungen gibt es eine Hinweismeldung – idealerweise ergänzt mit einer Handlungsempfehlung, beispielsweise wenn es um Tiergesundheit oder Brunsterkennung geht.
Besonders in Bezug auf das Einzeltier erhält der Landwirt mehr nutzbare Informationen, was vor allem bei größeren Beständen hilfreich ist. Eine Abnahme von Milchleistung und Wiederkautätigkeit weist auf ein Gesundheitsproblem hin oder eine erhöhte Aktivität auf eine Brunst. Bei der Brunst sind Erkennungsraten im Bereich von 90 Prozent erreichbar. Die Entscheidung, ob und wie eine Kuh behandelt wird, muss letztlich der Landwirt oder Herdenmanager selbst treffen.
Der automatisierte Milchviehstall: Die Herausforderungen meistern
Technologien bringen Vorteile und entwickeln sich schnell weiter
- Technik kann direkt auf einen Alarm oder Hinweis reagieren. Ändern sich die Witterungsverhältnisse (Temperatur, Regen, Wind), können Ventilatoren, Curtains oder Techniken zum Frostschutz bei den Tränken automatisch gesteuert werden. Diese Steuereinrichtungen sorgen für mehr Betriebssicherheit, ohne ständig vor Ort sein zu müssen.
- Der Markt bietet eine große Auswahl an Sensoren und technischen Hilfsmitteln. Milchmenge, -inhalte oder -temperatur, Melkzeit, Wiederkautätigkeit, Tierortung, Geburtsüberwachung, pH-Wert im Pansen, Körperkondition oder Gewicht sind mögliche Parameter, die bestimmt werden können.
- Doch nicht alle Technologien bringen dem Landwirt einen Mehrwert oder wirtschaftlichen Vorteil. Ein Ortungssystem im Stall kann bei größeren Herden und dem Einsatz von Melkrobotern den Zeitaufwand für die Suche nach melkberechtigten Kühen reduzieren, doch dafür ist eine stabile Internetverbindung zwingend notwendig.
- Einige Sensoren sind noch im Entwicklungsstadium und die Datenqualität ist nicht immer ausreichend und somit Treffsicherheit und Aussagekraft geringer. Zudem sind die technischen Hilfsmittel verschiedener Hersteller oft nicht kompatibel und erfordern eine doppelte Dateneingabe. Hier gibt es aber wegen der hohen Dynamik im Bereich der Digitalisierung viele Weiter- und Neuentwicklungen.
Informationen aus den Daten richtig verwerten
Die aktuellen Herausforderungen liegen neben der reinen technischen Entwicklung von Sensorik in der Aufbereitung, Nutzbarkeit und besonders der Qualität der Daten. Nur bei einer hohen Datenqualität wichtiger Kennzahlen lassen sich mit Algorithmen verlässliche Aussagen treffen, etwa zur Tiergesundheit. Das Ziel ist eine frühzeitige Krankheitserkennung – eine Art Frühwarnsystem.
Podcast zum LAND & FORST-Jubiläum: "Digitalisierung im Kuhstall"
Für eine frühzeitige Krankheitserkennung sind folgende Punkte wichtig:
- "Geschultes" Auge nutzen: Besonders zu Beginn einer Laktation ist die Gesundheitsüberwachung wichtig. Durch rechtzeitige Hinweise kann der Milchviehhalter früher reagieren und so den wirtschaftlichen Schaden und ein Leiden für das Tier eingrenzen. Die digitalen Daten unterstützen ihn bei der Entscheidungsfindung, aber auf die eigene Urteilsfindung mittels „geschultem Auge“ sollte er nicht verzichten.
- Schnittstellen vernetzen: Die Qualität der Aussagen und damit der Nutzen steigt, je mehr Daten von unterschiedlichen Sensoren (Messgeräten) erfasst und ausgewertet werden. Allerdings lassen sich nicht aus allen Sensordaten klare Hinweise ableiten, da sie vielfach eine hohe Schwankungsbreite aufweisen und so für eine belastbare Aussage allein nicht ausreichen. Deshalb ist die Vernetzung verschiedener Daten über Schnittstellen sinnvoll, um eindeutige Handlungsempfehlungen zu erhalten. Längst nicht alle Hersteller bieten Schnittstellen zu Systemen der Wettbewerber an. Deshalb gibt es auf vielen Betrieben nur „Insellösungen“. So ist ein gesamtbetriebliches Datenmanagement schwer möglich.
- Daten auswerten: Um schnell handeln zu können, sollten die ermittelten Daten laufend (in Echtzeit) übertragen werden. Ein Auslesen der Daten, beispielsweise nur beim Melken, reicht in der Regel nicht aus. Auf dem Büro-PC laufen die erhobenen Daten zusammen. Ergänzt um externe Daten, wie die Ergebnisse der Milchkontrolle, lassen sich mithilfe von Herdenmanagementprogrammen Alarm- und Aktionslisten anhand von bestimmten Kriterien erstellen. Die mit der Technisierung verbundenen großen Datenmengen sind ausgewertet für viele Landwirte eine sinnvolle Ergänzung für Tierbeobachtung und Herdenmanagement. Die möglichen Erkenntnisse daraus unterstützen sie bei der täglichen Arbeit und bieten so wirtschaftliches Potenzial.
- Informationen umsetzen: Wie die Informationen auf den Betrieben abgearbeitet werden (Kontroll- und Arbeitslisten, in Papierform oder digital), sollte einzelbetrieblich entschieden werden. Der Betriebsleiter kann die bevorzugte Arbeitsweise unter Berücksichtigung der handelnden Personen (im Umgang mit der Technik vertraut oder nicht) vorgeben. Auch eine Kombination beider Verfahren ist möglich, zum Beispiel Kontrolllisten auf Papier im Kälberbereich und digitale Listen bei den Milchkühen. Wichtig ist das zeitnahe und richtige Handeln.
- Das Smartphone sinnvoll im Betrieb nutzen: Mit dem Smartphone kann der Landwirt über Apps mobil verschiedenen Listen abrufen, zum Beispiel der brünstigen oder unter Beobachtung stehenden Tiere oder einzeltierbezogene Daten. Ebenso kann er über das Smartphone Alarmmeldungen empfangen, zum Beispiel bei einer Störung der Melkanlage oder Milchkühlung. Auch die Fernsteuerung von Techniken wie Beleuchtung ist über das Smartphone möglich. Vorteilhaft ist es, wenn sich erledigte Arbeiten wie eine Klauenbehandlung, Tierkontrolle, Besamung oder Futterumstellung direkt über das Smartphone eingeben und abrufen lassen und die Maßnahme zugleich dokumentiert wird. Besonders bei der Eingabe von Routinedaten gibt es oft noch Verbesserungsbedarf. Die sprachbasierte Dateneingabe ist ein Ansatz, um sie einfacher zu gestalten. In Kombination mit einem Headset wären dabei zudem die Hände frei, was die Arbeit erleichtert und „Verluste“ von Smartphones reduziert
Lüftungsanlagen: Die Luft im Milchvieh-Stall in Bewegung bringen
Voraussetzungen für die optimale Datennutzung
Eine Bedingung für die optimale Nutzung digitaler Daten ist lückenloses und schnelles Internet. Nur dann können die hochmodernen Anlagen rund um die Uhr Milchleistungsdaten, Aktivität der einzelnen Tiere und weitere Parameter erfassen und auswerten sowie bei Bedarf einen Alarm oder Handlungsempfehlungen mit einer hohen Aussagesicherheit senden.
Eine weitere Voraussetzung dafür ist, dass die Daten lückenlos, in hoher Qualität, über längere Zeiträume erfasst und in einer gemeinsamen Datei zusammengefasst werden, auch wenn sie oft aus unterschiedlichen Quellen stammen. Nur so können Daten verschiedener Sensoren in die Handlungsempfehlungen einfließen, um das Herdenmanagement zu verbessern. Die daraus folgende Effizienzsteigerung fördert unter anderem Wirtschaftlichkeit und Tiergesundheit.