Über eine staatliche Haltungskennzeichnung bei Fleisch und eine Herkunftskennzeichnung wird schon ewig diskutiert. Die Umsetzung fehlt nach wie vor. Die Vorstellungen liegen zwischen umsetzbar und utopisch.
Zur virtuellen "Internationalen Grünen Woche" hatte sich der Deutsche Bauernverband (DBV) das Dauerthema "Staatliche Haltungs- und Herkunftskennzeichnung" vorgenommen. Schwung in die Diskussionen gebracht hat zuletzt die Ankündigung des Lebensmittelhandels, LEH, künftig verstärkt auf 5xD bei Schweinefleisch zu setzen. Zum anderen hat die neue Bundesregierung angekündigt, noch dieses Jahr ein Konzept zur Haltungskennzeichnung vorzulegen.
Noch mehr Kontrollen und "6D"?
Zur Online-Diskussionsrunde hatte der DBV als Vertreterin der Verbraucher Jutta Jaksche von der Verbraucherzentrale Bundesverband eingeladen. Die Verbraucher spielen eine gewichtige Rolle, weil sie die Mehrkosten eines Umbaus der Tierhaltung hin zu höheren Haltungsstufen bezahlen sollen.
Jaksches Argumentation, dass die Verbraucher diese Mehrkosten nicht komplett bezahlen können, ist allgemeiner Konsens. Das gilt vermutlich aber nicht für ihre weitergehende Forderung zur Herkunftskennzeichnung: Für Jaksche reicht ein 5xD nicht aus, es soll 6xD sein. Das sechste "D" soll für die Futtererzeugung in Deutschland stehen und damit den Aspekt Nachhaltigkeit mit einbeziehen.
Ärgerlich reagierten sowohl WLV-Präsident Hubertus Beringmeier als auch Dr. Alexander Hinrichs, Geschäftsführer der Initiative Tierwohl (ITW), auf die Forderung Jaksches, dass es deutlich mehr Kontrollen und Überwachung der Tierhaltung geben müsse. In Jaksches Augen sei bei den Verbrauchern "das Vertrauen derzeit nicht da". Sie plädierte außerdem für eine Reduzierung der Tierhaltung: "Wir wollen auch eine gesundheits- und klimaschutzfördernde Ernährung."
Verpflichtende Kennzeichnung unverzichtbar
Für Beringmeier steht die Notwendigkeit zum Umbau der Tierhaltung hin zu höheren Haltungsstufen außer Frage. Dafür sind s. E. verpflichtende Haltungs- und auch eine Herkunftskennzeichnung unverzichtbar. "Verbraucher brauchen eine eindeutige und einfache Kennzeichnung", sagte er.
Immer wieder wird in Zusammenhang mit einer staatlichen Kennzeichnung die Frage gestellt, ob nicht das gut etablierte ITW-System übernommen werden könne. Für ITW-Chef Dr. Hinrichs werden bei vielen Diskussionen Begriffe vermischt. Zu unterscheiden seien drei Ansätze:
- Haltungskennzeichung
- Herkunftskennzeichnung
- Tierwohl-Programme
ITW sei ein klassisches Tierwohl-Programm, solche Programme gebe es inzwischen eine ganze Reihe. Die seit zwei Jahren bestehende Haltungskennzeichnung des Handels in vier Stufen sei ein Raster, in das sich die Tierwohl-Programme einordnen können. Eine staatliche Haltungskennzeichnung sollte sich an der Haltungskennzeichnung des Handels orientieren, so Dr. Hinrichs.
Das Baurecht ist ein Hindernis
Das plant die neue Staatsekretärin im Bundeslandwirtschaftsministerium, Silvia Bender: "Wir müssen das Rad nicht neu erfinden", sagte sie. Das gelte vor allem, weil es einen hohen zeitlichen Handlungsdruck gebe. Laut Bender soll die staatliche Haltungskennzeichnung auf jeden Fall verpflichtend sein – allerdings nur für Produkte aus Deutschland. Für Importware könne es aus rechtlichen Gründen nur eine Empfehlung geben. Außer Zweifel ließ sie, dass eine staatliche Flankierung der Zusatzkosten für die Betriebe erfolgen muss.
Treiber beim Thema Haltungs- und Herkunftskennzeichnung ist der Lebensmittelhandel. Markus vom Stein von der Rewe Group betonte, dass man das Angebot an Fleisch aus höheren Haltungsstufen ausbauen will. Gebremst werde das aber dadurch, dass kaum Ställe gebaut oder umgebaut werden könnten. Hier sah er die Politik in der Pflicht. Er gab aber auch zu bedenken, dass es viele Verbraucher gebe, die sich kein teures Fleisch kaufen könnten. Die müsse der LEH auch mitnehmen. Man könne den eingeschlagenen Weg nur schrittweise weitergehen. Das Thema Regionalität spiele heute eine wichtige Rolle, deshalb müssten Betriebe in Deutschland gehalten werden.