Bislang sind Insekten nur ein Nischenmarkt. Aber die EU hat sie nun als „neuartige Lebensmittel“ zugelassen.
Lust auf was Neues auf dem Teller? Dann wären Insekten vielleicht eine gute Idee? Wie die deutsche Presseagentur (dpa) berichtet, dürfen von nun an Hausgrillen in Lebensmitteln verwendet werden. Es tritt nämlich ein neues EU-Gesetz in Kraft, wonach die auch als Heimchen bekannten Insekten gefroren, getrocknet oder als Pulver verwendet werden können. Das gelte auch für die Larven des Getreideschimmelkäfers.
Auch Wanderheuschrecken und Mehlkäfer
Ähnliche Regeln gibt es bereits für Wanderheuschrecken und Larven des Mehlkäfers, so die dpa weiter. Würmer, Heuschrecken und Grillen sollten aus Sicht von Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann künftig künftig eine wichtige Rolle bei der Lebensmittelversorgung der Gesellschaft spielen. „Von der Sache her ist es durchaus geboten“, sagte der Grünen-Politiker am Dienstag in Stuttgart. „Das wird eine große Rolle spielen in der Ernährung der Menschheit in Zukunft.“ Es sei ein „vernünftiger Weg“, der ökologisch sinnvoll sei, um an Proteine zu kommen. Ein erster Schritt dabei wäre aus seiner Sicht, aus Insekten Tierfutter herzustellen.
Kulturelle Schranke beim Essen von Insekten?
Der Regierungschef warnte allerdings vor hohen kulturellen Schranken in Europa, was das Essen von Insekten angehe. Diese Zurückhaltung dürfe nicht unterschätzt, aber der Weg müsse beschritten werden. Er selbst habe bereits Insekten probiert, berichtete Kretschmann. Er könne sich nicht mehr genau erinnern, was er gegessen habe - es sei kein besonderes Geschmackserlebnis gewesen, aber schlecht habe es nicht geschmeckt, sagte er der dpa.
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Nachhaltige Ernährung mit Insekten
Insekten gelten als nahrhaft und reich an Proteinen und zählen in vielen Ländern zur gewöhnlichen Küche. Sie können auch zu einer nachhaltigen Ernährung beitragen, da sie verhältnismäßig ressourcenschonend gezüchtet werden können, wie auch der NDR berichtet.
Zulassung beantragen
Nach Angaben der EU-Kommission müssen Hersteller für jedes Insekt, das sie auf den Markt bringen wollen, eine Zulassung beantragen. Wenn Insekten in Lebensmitteln verwendet würden, müsse das gekennzeichnet sein. In der Zutatenliste muss dann jeweils der Artname aufgeführt werden. „Niemand wird gezwungen, Insekten zu essen“, teilte die EU-Kommission zudem über Twitter mit. „Die Lebensmittelsicherheit hat für die Kommission oberste Priorität“, sagte eine Sprecherin. Was die Insekten betreffe, so könne die Behörde bestätigen, dass diese sicher seien.
Möglicherweise Risiken für Allergiker
Risiken könnten für Allergiker bestehen. Wie bei vielen anderen Lebensmitteln könne auch Insektenpulver in seltenen Fällen Reaktionen auslösen - etwa bei Menschen, die gegen Krebstiere, Weichtiere und Hausstaubmilben allergisch sind. Daher seien Allergie-Hinweise auf Verpackungen mit Lebensmitteln Pflicht, die Insekten enthalten, so der NDR weiter. Stehen könne dann auf den Verpackungen etwas wie „Acheta domesticus (Hausgrille, Heimchen), gefroren“. Der Lebensmittelchemiker Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg findet diese Art der Kennzeichnung allerdings nicht ausreichend. Er sei für eine deutliche Kennzeichnung auf der Verpackung „und zwar gut verständlich für alle, zum Beispiel ‚Kekse mit Insekten‘ oder ‚Nudeln mit Insekten‘, sagte Valet der Deutschen Presse-Agentur.
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Noch ein Nischenmarkt
Bisher sei das Angebot an Lebensmitteln mit Insekten aber nur „ein ganz, ganz kleiner Nischenmarkt“, so Valet weiter. Hierzulande seien aktuell nur wenige Produkte mit geringen Mengen an Insekten erhältlich - etwa Riegel oder Nudeln. Dafür waren Übergangsregeln notwendig. Der Europäische Gerichtshof hatte entschieden, dass ganze Insekten nicht unter die alten Regeln für „neuartige Lebensmittel“ fallen. Die alten Vorgaben wurden mittlerweile jedoch überarbeitet, seit 2018 gelten auch ganze Insekten als „neuartig“ und müssen den entsprechenden Genehmigungsprozess durchlaufen. Dass Insektenpulver mit den neu zugelassenen Produkten nun im großen Stil in Kekse oder Mehl gemischt werde, liege „wirklich noch in weiter Ferne“, meint Verbraucherschützer Valet. Auch wegen des Preises - Produkte, die Insekten enthalten, seien zum Teil deutlich teurer als andere vergleichbare Waren. Und bislang seien auch keine Verstöße gegen die Kennzeichnungspflicht aufgetaucht: „Uns ist nicht bekannt, dass es irgendwie untergemischt wird.“
Blick über den Tellerrand
Weltweit stehen etwa 1.900 Arten auf dem menschlichen „Speiseplan“, schätzen Experten. Die Welternährungsorganisation (FAO) hat in mehreren Studien festgestellt, dass Insekten eine gesunde Nahrungsquelle mit hohem Gehalt an Fett, Eiweiß, Vitaminen, Ballaststoffen und Mineralien sind. Die Umweltorganisation WWF sieht dabei die Ökobilanz von Insekten deutlich besser als die von Rind, Schwein oder Huhn. „Im Vergleich zu Fleisch wird bei der Erzeugung von Insekten wesentlich weniger landwirtschaftliche Fläche benötigt.“ Im Vergleich zum Huhn seien es etwa um 50 Prozent weniger, so der WWF. Und nach FAO-Angaben benötigen Grillen nur etwa ein Zwölftel des Futters verglichen mit Rindern, um die gleiche Menge an Eiweiß zu produzieren.