Özdemir Interview Tierwohl-Label

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Norbert Lehmann | am

Kabinett beschließt Özdemirs Gesetzentwurf zur Haltungskennzeichnung

Das verpflichtende staatliche Tierwohl-Label kommt. Landwirte und Tierschützer üben deutliche Kritik.

Die Bundesregierung hat gestern (12.10.) den Gesetzentwurf von Agrarminister Cem Özdemir für ein verpflichtendes staatliches Tierwohl-Label beschlossen. Sowohl aus der Landwirtschaft als auch von Tierschützern wird die geplante Haltungskennzeichnung heftig kritisiert.

Das ist vorgesehen

Vorgesehen ist eine verpflichtende Kennzeichnung der Haltungsform in fünf Stufen ausschließlich bei frischem und abgepacktem Schweinefleisch, das im Lebensmitteleinzelhandel, in Metzgereien und im Fachhandel verkauft wird. Die Kennzeichnungspflicht soll nur für Fleisch von Schweinen gelten, die in Deutschland gehalten wurden. Ausschlaggebend für die Einstufung ist die Haltung der Tiere in der Mast. Ab Sommer 2023 soll das Tierwohl-Label im Handel zu finden sein. Den Umbau der Tierhaltung will Özdemir mit 1 Mrd. Euro bezuschussen. Die notwendigen Änderungen im Bau- und Emissionsrecht sollen in den kommenden Monaten beschlossen werden. Die Initiative Tierwohl (ITW) hatte noch einen Tag vor der Kabinettsitzung eindringlich an die Mitglieder der Bundesregierung appelliert, den Özdemir-Entwurf abzulehnen, weil diese Form der staatlichen Kennzeichnung ein gefährlicher Rückschritt für das Tierwohl in Deutschland bedeute.

Bauernverband kritisiert Lücken in der Haltungskennzeichnung

Für den Deutschen Bauernverband (DBV) begrüßte Verbandspräsident Joachim Rukwied das Tierwohl-Label im Grundsatz. Die Ausgestaltung zeigt nach seinen Worten aber „deutliche Schwachstellen und Lücken“. Die angestrebte Wirkung werde nicht nur verfehlt, sondern in Teilen sogar konterkariert, warnte Rukwied. Beispielsweise könnten betäubungslos kastrierte Ferkel weiter aus dem Ausland importiert werden und würden dennoch das Tierwohl-Kennzeichen erhalten. Rukwied bedauerte, dass die konstruktiven Vorschläge des Berufsstandes nicht berücksichtigt worden seien. Unter anderem fordert der DBV, die Kennzeichnung auf verarbeitete Produkte auszudehnen. Neben dem Lebensmitteleinzelhandel sollten außerdem auch Verarbeiter, Großverbraucher und Gastronomie einbezogen werden. Zwingend notwendig sei neben der Haltungskennzeichnung auch eine Herkunftskennzeichnung.

Haltungskennzeichnung zementiert nur den Status quo

Der Deutsche Raiffeisenverband (DRV) nannte den Entwurf für ein staatliches Tierwohl-Kennzeichen enttäuschend. Der DRV kritisiert insbesondere: 1. Die Einstufung der bestehenden Haltungsverfahren in zu kennzeichnende Haltungsformen zementiere lediglich den Status. Für die Transformation würden keine Impulse gesetzt. 2. Die Finanzierung und Fragen zum Bau- und Emissionsschutzrecht blieben unbeantwortet. 3. Funktionierende Systeme wie die Initiative Tierwohl (ITW) würden nicht berücksichtigt. 4. Das Gesetz decke nicht die gesamte Wertschöpfungskette ab. Berücksichtigt werde nur die Schweinehaltung auf den Stufen Mast und Frischfleisch. 5. Deutsche Betriebe erlitten einen erheblichen Wettbewerbsnachteil, da das Gesetz nur für nationale Ware gelte.

Tierschutzbund: Lieber kein Tierwohl-Label als dieses

Kritik kommt auch von Seiten der Tierschützer. Thomas Schröder, der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, sprach von Etikettenschwindel. Der vorgelegte Gesetzentwurf bringe keinerlei substanziellen Fortschritt für den Tierschutz, sagte Schröder. Alles werde auf die Verbraucher abgeschoben, die mit ihrem Einkauf das zu schwache Ordnungsrecht korrigieren sollten. Eine Dynamik hin zu mehr Tierschutz sei nicht erkennbar, die Gesamtstrategie für eine gesellschaftlich akzeptierte Tierhaltung in der Landwirtschaft fehle immer noch. Auch Schröder kritisierte, dass entscheidende Bereiche wie Transport und Schlachtung unangetastet blieben. Die Haltungskennzeichnung beziehe sich zudem auf die Haltung von Schweinen. Der Tierschutzbund forderte deutliche Verbesserungen im parlamentarischen Verfahren. Wenn das nicht gelinge, wäre es besser, den Prozess zu stoppen.

Tierwohl: Schweine mit Beschäftigungsmaterial im Stall

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