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Kälberaufzucht zu zweit statt allein
Kälber früh in Paaren oder Kleingruppen zu halten, kann sich positiv auf Tiergesundheit, Wachstum und Verbraucherwahrnehmung auswirken. Wie das in der Praxis aussehen kann und was dabei zu beachten ist, war Inhalt eines Seminars.
Die Einzelhaltung von Kälbern ist nach wie vor das am weitesten verbreitete Kälberhaltungssystem. Die Gründe dafür sind vielfältig, doch öffentliche Kritik bis hin zur Initiative „End the cage age“ deuten darauf hin, dass es sich lohnen könnte, sich mit alternativen Systemen zu beschäftigen. Dazu gehört neben der mutter- oder ammengebundenen Aufzucht die paarweise Haltung. Welche Vorteile diese bietet und was dabei zu beachten ist, erläuterte Sibylle Möcklinghoff-Wicke vom Innovationsteam Milch Hessen bei einem Webseminar der LWK Hamburg im Projekt Netzwerk Fokus Tierwohl.
Vorteile von Paarhaltung bei Kälbern
Bei der paarweisen Haltung kommen Kälber laut Möcklinghoff-Wicke schon in den ersten Lebenstagen in Zweiergruppen. Die Vorteile dieser Pärchenhaltung würden mittlerweile weltweite Forschungsergebnisse belegen im Hinblick auf
- Wachstum: Paarweise aufgezogene Kälber haben höhere Tageszunahmen (vor und nach dem Absetzen) und höhere Körpergewichte beim Absetzen.
- Soziale Entwicklung: Paar- oder Gruppenhaltung wirkt sich positiv auf die kognitive Entwicklung, Sozialverhalten, Anpassungsvermögen und Neugier aus. Die Tiere reagieren weniger empfindlich auf Stress.
- Verbraucherwahrnehmung: Verbraucher lehnen Einzelhaltung ab und bevorzugen, unabhängig von ihrem Wissensstand, eine soziale Haltung der Tiere.
Gesundheit für Kälber
Möcklinghoff-Wicke betonte, dass Betriebe bestimmte Voraussetzungen erfüllen sollten, bevor sie sich an der paarweisen Aufzucht probieren. Dazu gehören
- möglichst geringe Kälberverluste (unter drei Prozent)
- geringe Krankheitsraten (unter zehn Prozent für klinische Lungenentzündung, unter 15 Prozent für behandlungsbedürftigen Durchfall in der Tränkeperiode)
- und eine optimale Kolostrumversorgung.
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Verschiedene Haltungssysteme für Kälber
Paarweise Haltung ist Möcklinghoff-Wicke zufolge in Stall- oder Außenhaltung möglich. Wichtig sei, dass das System zu Betrieb und Management passe. Bei der Außenhaltung biete sich die Kombination von Einzeliglus oder -hütten durch einen gemeinsamen Auslauf an oder der Einsatz von Doppel- oder Gruppeniglus. Beide Lösungen haben Vor- und Nachteile: Bei der Kombination von Einzeliglus ließen sich bereits vorhandene Iglus weiterhin nutzen. Zudem sei es möglich, die Kälber in den ersten Lebenstagen getrennt zu halten und dann ohne Umstallung in die Paarhaltung überzugehen. Bei der Nutzung von Doppel- oder Gruppeniglus seien dazu gegebenenfalls zusätzliche Einzeliglus nötig. Dazu komme, dass die Eingangsöffnungen der Doppeliglus größer sind und weniger Schutz vor Witterungseinflüssen bieten.
Eingestreute Liegefläche
„Zwei Kälber brauchen mehr Platz als eins“, betonte Möcklinghoff-Wicke. Laut Expertenempfehlungen sollten pro Kalb 2,8 bis 3,25 m² eingestreute Liegefläche zur Verfügung stehen. „Das klingt nach viel, aber viele Betriebe bestätigen, dass durch die größeren Bewegungsmöglichkeiten auch die Bemuskelung der Kälber deutlich besser ist.“
Das Hauptargument gegen die Paarweise Haltung ist laut Möcklinghoff-Wicke das gegenseitige Besaugen der Kälber. Um das zu verhindern, empfiehlt sie, schwergängige Nuckel einzusetzen, und große Milchmengen (acht bis zehn Liter am Tag) zu vertränken.
Keine Trennung von Kuh und Kalb: Kuhgebundene Kälberaufzucht
Weitere Informationen finden Sie im Praxisleitfaden „Zwei Köpfe sind besser als einer“.