Das ist ein Artikel vom Top-Thema:
Krisenfall ASP: Keiner übernimmt Verantwortung
Im Emsland wissen die Schweinehalterinnen und Schweinehalter nicht mehr weiter. Aber niemand nimmt das Heft in die Hand.
Die Schweineställe im ASP-Restriktionsgebiet Emsland/Grafschaft Bentheim quellen über. Die Vereinigung des Emsländischen Landvolkes (VEL) bezifferte die Zahl schlachtreifer Tiere Ende vergangener Woche mit 43.000. Davon haben 35.000 das normale Schlachtgewicht teilweise drastisch überschritten (siehe auch Seite 40). Die schwersten Schweine wiegen inzwischen 170 kg. Und sie werden jeden Tag schwerer - daran ändert auch eine restriktive Fütterung nichts. Und jeden Tag kommen weitere Tiere dazu, die eigentlich zum Schlachthof müssten.
Zwei Monate voller Krisensitzungen, aber mit keiner Lösung
Seit dem ersten und bisher einzigen Fall der Afrikanischen Schweinepest (ASP) in Niedersachsen sind nun zwei Monate vergangen - zwei Monate, in denen es viele Gespräche und Absichtsbekundungen gegeben hat. Aber in denen konkret sehr wenig zur Lösung der massiven Problematik passiert ist: Nur jeweils 6.000 Tiere konnten im Juli und im August zur Schlachtung gebracht werden. Durch einen Erlass Niedersachsens von vorletzter Woche können zumindest Ferkel wieder gehandelt werden. Das war es dann aber auch schon.
Jeder duckt sich weg
Die Ankündigung von Vion, dass nun auch 600 Schweine im brandenburgischen Perleberg geschlachtet werden können, muss manch betroffenem Betrieb eher bitter aufstoßen angesichts der insgesamt 43.000 (über-)schlachtreifen Tiere. 600 Schweine ist nicht einmal die Anzahl, die jeden Tag neu dazu kommt. Um nicht falsch verstanden zu werden: Natürlich zählt jedes Schwein, das das ASP-Restriktionsgebiet verlassen kann.
Aber: Wirklich Verantwortung übernommen beim unverschuldeten ASP-Desaster hat bis jetzt niemand. Es ist ein beschämendes Geschachere. Der „Schwarze Peter“ wird munter zwischen dem Land Niedersachsen, dem Bundeslandwirtschaftsministerium und der Schlachtbranche hin- und hergeschoben. Die Politik sagt, die Branche muss „das Problem“ selbst lösen.
Die Schlachthöfe sagen, sie wollen ja wohl, aber bezahlen sollen das Land oder der Bund. Cem Özdemir sagt, er hat alles Nötige unternommen (Antrag bei der EU zur Fristverkürzung), aber die EU will ja nicht. Auch die EU hat sich mit eingereiht bei denjenigen, bei denen man vergeblich auf eine Lösung gehofft hat. Die Argumentation, es gebe wegen der ASP-Fälle in verschiedenen Bundesländern ein erhöhtes Risiko, ist fachlich nicht nachvollziehbar. Im Emsland ist es ohne Zweifel ein isolierter Einzelfall.
Wann übernimmt endlich jemand Verantwortung?
Wann stellt sich endlich irgendjemand hin und sagt, dass er die Verantwortung übernimmt? Die Betriebe selbst sind machtlos. Sie sitzen - mal wieder - am Ende der Kette. Es ist ihr Geld, das verbrannt wird, sehr viel Geld. Verbrannt wird auch Vertrauen in Politik und Wirtschaft und Vertrauen darauf, dass die Landwirtschaft ihren Platz in unserer Gesellschaft hat. Kein Wunder, dass die Schweinebetriebe reihenweise aussteigen.
Laut VEL könnte es von Seiten der EU doch noch eine „kleine“ Verkürzung der Restriktionsdauer auf den 5. Oktober geben. Die Hoffnung stirbt zuletzt.