In Großbritannien herrscht nach dem Brexit ein großer Fachkräftemangel, gerade was Schlachterinnen und Schlachter angeht. Aus der Not heraus haben nun die ersten Landwirte begonnen ihre Tiere zu keulen.
Vergangenen Dienstag (5. Oktober) teilte der Schweinebauernverband National Pig Association mit, dass rund 600 gesunde Tiere, die nicht auf einen Schlachthof gebracht werden konnten, gekeult worden seien. Derzeit gebe es zwar noch keine Massenkeulungen, doch die Maßnahme zeige, welche Folgen der Fachkräftemangel habe. Falls nicht mehr Personal eingestellt werde, droht die Keulung von bis zu 120.000 Schweinen in Großbritannien, warnte der Verband weiter.
Warum fehlen Schlachter?
Die Situation sei für die Landwirte äußerst belastend, sagte ein Sprecher gegenüber der Deutsche Presse-Agentur (dpa). In vielen Branchen fehlen in Großbritannien infolge des Brexit derzeit Fachkräfte. So auch in der Fleischverarbeitung. Während der Corona-Pandemie haben zahlreiche Arbeiter aus Osteuropa das Land verlassen und neue strenge Immigrationsregeln erschweren derzeit die Einreise für Arbeitssuchende. Da Schlachter fehlen, können die Schlachthöfe den britischen Landwirten keine Tiere abnehmen, was zu Platzproblemen auf den Höfen führt. Auch Lastwagenfahrer fehlen. Daher blieben auf der Insel zuletzt viele Regale leer. Auch das Benzin war zwischenzeitlich knapp.
Ist das Weihnachtsessen in Gefahr?
Nach Angaben des Verband es der Fleischproduzenten "British Meat Processors Association" (BMPA) würden 15.000 Arbeitskräfte auf der Insel fehlen. Das hatte BMPA gegenüber der Zeitung "Times" bestätigt. "Wir haben es geschafft, die Lebensmittelvorräte Tag für Tag am Laufen zu halten", erklärt eine BMPA-Sprecherin. "Aber wir hätten bereits seit Juni oder Juli Weihnachtsessen produzieren sollen, aber das ging nicht, und deshalb wird es an manchen Dinge wie Partyspeisen oder Würstchen im Schlafrock mangeln." Traditionell essen die Briten an Weihnachten "pigs in blanket" - also Würstchen im Schlafrock. Nach Angaben der britischen Regierung sollen nun 5.000 Lastwagenfahrer und 5.500 Kräfte für die Geflügelverarbeitung per Sondervisa ins Land geholt werden.
Kommt die Tierwohlkatastrophe?
Auch warnt der Verband der Schweinezüchter vor einer "akuten Tierwohlkatastrophe". Denn da die Tiere nicht zum Schlachten gebracht werden könnten, reiche der Platz in den Ställen nicht mehr aus, machte Rob Mutimer, Chef der National Pig Associaton, beim Sender BBC Radio 4 deutlich. Normalerweise würden Schweine 115 Kilogramm wiegen, jetzt lägen sie allerdings bereits bei 140 Kilogramm. "Die Ställe und Einrichtungen sind einfach nicht für Tiere dieser Größe ausgelegt."
Ein Kommentar unserer Redakteurin für Tierhaltung
"Die aktuelle Versorgungssituation in Großbritannien führt uns vor Augen, wozu die Abschottung eines einzelnen Landes führt", so LAND & FORST-Redakteurin Christa Diekmann-Lenartz. "Darüber, dass es kein Benzin an den Tankstellen gibt, mag man noch etwas schadenfroh sein. Darüber, dass deshalb jetzt Tiere, wertvolle Lebensmittel, einfach weggeworfen werden, kann man nur zutiefst entsetzt sein. Jedes Land einschließlich Deutschland sollte den Schluss ziehen, dass nationale Alleingänge im Zeitalter globaler Verflechtungen nicht mehr funktionieren können."

Christa Diekmann-Lenartz © LAND & FORST