Einblicke in den Stall und die moderne Tierhaltung geben - das geht nicht nur bei Hofbesuchen, sondern auch über Social Media.

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Laura Schneider | am

Social Media für die moderne Tierhaltung: Darauf sollten Sie achten

Die sozialen Medien ermöglichen es Tierhaltern, auch Menschen außerhalb der Landwirtschaft Einblicke in ihre Arbeit zu geben. Doch worauf sollte man dabei achten? Tipps dazu gab es bei einem Webseminar.

Einen Satz hat Dirk Nienhaus in den vergangenen Jahren besonders oft gehört: „Das habe ich mir ganz anders vorgestellt.“ Das schilderte der Schweinehalter aus dem nordrhein-westfälischen Bocholt bei einem Webseminar der LWK Niedersachsen im Projekt Netzwerk Fokus Tierwohl. Unter dem Namen „Bocholter Landschwein“ gibt Nienhaus in den sozialen Medien seit 2016 Einblicke in die Arbeit auf seinem Betrieb mit Ackerbau und 200 Sauen im geschlossenen System. „Die Leute hatten meist ein ganz falsches Bild und ganz andere Erwartungen. Besonders oft sind sie überrascht, wie nah wir den Tieren sind und wie wir mit ihnen umgehen – dass das kein unpersönlicher Umgang in grauen Gebäuden ist“, erzählt der Landwirt.

Viele wissen sehr wenig über die Landwirtschaft

In seiner landwirtschaftlichen Ausbildung habe Öffentlichkeitsarbeit keine Rolle gespielt. Im Gespräch mit anderen Menschen sei ihm aber immer wieder aufgefallen, wie wenig sie über Landwirtschaft und Tierhaltung wissen. „Früher war Öffentlichkeitsarbeit für die Landwirtschaft überflüssig, da die Menschen noch mehr Berührungspunkte hatten. Sie hatten selbst Tiere oder einen Garten, es gab Hofschlachtungen. Mittlerweile gibt es immer weniger Kontakt zur Landwirtschaft“, erklärte Nienhaus.

Diese Entfremdung hätten zahlreiche Organisationen bereits genutzt. Denn gerade über die sozialen Medien ließen sich Informationen ungefiltert verbreiten. Die Verbraucher wüssten immer weniger, was der Realität entspricht oder nicht.

Fragen beantworten und falschen Informationen entgegenwirken

„Um gegenzusteuern, brauchen wir Kommunikation. Wenn wir die Fragen nicht beantworten, tun es andere, die nicht im Sinne der Landwirtschaft arbeiten“, unterstrich Nienhaus. Eine gute Lösung sieht er in einer Mischung aus beauftragten Agenturen, die professionelles Marketing für die Tierhaltung betreiben, und Social Media-Aktivitäten von einzelnen Landwirten oder landwirtschaftlichen Verbänden.

„Die sozialen Medien können Gutes bewirken, aber auch Schlechtes“, verdeutlichte auch Prof. Peter Kunzmann von der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Sie würden die Möglichkeit bieten, enorm schnell viele Menschen zu erreichen, die die Information weiterverbreiten. Zugleich könne die enorme Reichweite aber schnell negative Folgen haben und Cybermobbing oder einem Shitstorm auslösen.

Das Thema Tierwohl sei in den sozialen Medien einerseits dankbar, weil es eine hohe emotionale Bindung zum Thema gibt und viele Bürger großes Interesse an Tieren haben, auch wenn sie teils gar keine tierischen Produkte mehr konsumieren. Andererseits sei das Thema schwierig, weil die hohe emotionale Bindung die Leute „in Wallung bringt“ und sich fast jeder Bürger als Experte für Tierhaltung sieht.

Anita Lucassen

Nie belehren wollen

Dementsprechend schwer sei es, die Menschen zu belehren, da sie ihrem Selbstverständnis nach mindestens genauso kompetent sind wie man selbst als Tierhalter. „Die Menschen wollen nicht belehrt werden. Die Haltung „Ihr da draußen habt keine Ahnung. Ich zeige Euch, wie es wirklich ist“ sollte man daher nie annehmen, wenn man erfolgreich kommunizieren will“, betonte Kunzmann.

Diese Fragen vor dem Posten klar beantworten

Außerdem sollte man vorab drei Fragen klar beantworten können:

  • Was will ich sagen?
  • Wem will ich es sagen?
  • Was will ich bei demjenigen erreichen?

Als Nienhaus 2016 mit der Social Media-Arbeit anfing, sei die Angst vor einem Shitstorm sehr präsent gewesen, habe sich aber nach und nach gelegt. „Ich habe mich auf das Risiko eingelassen, einfach mal gepostet und war begeistert über die vielen positiven Rückmeldung“, erinnert er sich.

Was tun bei Shitstorm: Ignorieren und aussitzen

2018 kam allerdings doch der erste Shitstorm – dem Landwirt zufolge mit mehr als 2.000 teils beleidigenden oder bedrohlichen Nachrichten innerhalb von 24 Stunden als Reaktion auf einen Weihnachtsbaum im Stallbüro. Was in dieser Situation hilft? „Ignorieren und aussitzen“, ist Nienhaus‘ Erfahrung. Er rät, die Leute zu selektieren, mit denen man kommuniziert, denn einige seien nicht daran interessiert, zu verstehen, was man kommunizieren will. „Diese Leute wollen keine Tierhaltung – mit ihnen kann man nicht kommunizieren.“

Auf Social-Media-Plattformen können Direktvermarkter ihre Produkte vorteilhaft präsentieren.

Nichts verschweigen

Auch wenn es immer Kritiker gebe, hat es sich für Nienhaus bewährt, möglichst alles zu zeigen, was er als Landwirt täglich macht – von der Ferkelkastration bis zum Besamen. Nur tote Tiere zeige er in der Regel nicht. Auch Entwicklungen und Veränderungen im Laufe der Zeit seien interessant und würden zum Verständnis der heutigen Tierhaltung beitragen.

Wichtig sei, ehrlich zu sein und nichts zu verschweigen. Abgesehen davon seien Tierhalter bei der Auswahl der Inhalte völlig frei und die Möglichkeiten nahezu unbegrenzt. „Im Gegensatz zu anderen Bereichen gehen uns in der Landwirtschaft nie die Geschichten aus. Das ist der große Vorteil: Landwirtschaft ist so komplex, bunt und breit – wir haben jeden Tag eine neue Geschichte. Wir müssen sie nur erzählen.“

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