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Streitthema Wolf: Neues Rudel in Norddeutschland entsteht
Den Weidetierhaltern läuft die Zeit davon. Das Bundesumweltministerium reagiert darauf mit einer Dialogreihe Wolf. Betroffene befürchten eine Hinhaltetaktik.
In ihrer Sonderkonferenz Anfang Mai haben die Umweltminister das Thema Wolf wieder einmal vertagt. Man müsse noch einen exakten Sachstand einholen, so lautete die Begründung. Ein Argument, das bei der Pressekonferenz der Landnutzer- und Weidetierhalterverbände nur Kopfschütteln auslöste. „Wozu haben wir eigentlich das Dokumentationszentrum Wolf“, merkte Helmut Dammann-Tamke, Präsident der Landesjägerschaft Niedersachsen und Vizepräsident des Deutschen Jagdverbandes, an. „Die müssten doch die Zahlen aus dem Stand nennen können.“ Jetzt wieder aufs Neue zum Gespräch zu bitten, wirke daher eher, als wolle das Bundesumweltministerium auf Zeit spielen.
Wolf und Weidehaltung: Dialoge ohne Ergebnisse geführt
Ein Vorgehen, das Bernhard Krüsken, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, nicht länger hinnehmen will. Man habe seit Jahren viele Dialoge geführt, ohne dass politische Maßnahmen folgten. Mittlerweile sei erwiesen, dass eine Koexistenz von Wolf und Weidetieren nur über den Herdenschutz nicht erreichbar sei. Es wäre nun höchste Zeit, Maßnahmen zur Bestandsregulierung zu ergreifen. Dieses Thema werde vom Bundesumweltministerium aber nicht angegangen. Das war auch der Grund, warum Landnutzer- und Weidetierhalterverbände am Vortag der Veranstaltungsreihe zu einer eigenen Veranstaltung eingeladen hatten. Sie wollten ihre Ansichten außerhalb des Programms des Bundesumweltministerium darstellen.
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Forderungen der Weidetierhalter
Als konkrete politische Forderungen nennt Krüskens:
- Günstigen Erhaltungszustand des Wolfes der EU-Kommission mitteilen.
- Änderungen bei der Entnahme - die bisherigen Regelungen im Bundesnaturschutzgesetzt funktionieren nicht. So gab es bislang kaum Entnahmen.
- Es braucht konkrete Zahlen für den akzeptierten Bestand.
Monitoring, Erfassung und Entwicklung der Wolfspopulation
Die Zweifel an einem ergebnisorientierten Dialog scheinen berechtigt. Der Titel der Reihe Wolf „Monitoring, Erfassung und Entwicklung der Wolfspopulation“ legt nahe, dass nur auf statistische Zahlen eingegangen werden soll, Maßnahmen zur Wolfsregulierung werden nicht erwähnt.
Im Koalitionspapier ist Bestandsmanagement festgehalten
In der Koalitionsvereinbarung ist ein regional differenziertes Bestandsmanagement als Ziel festgelegt, sofern es EU-konform zu realisieren sei. Dass dies machbar ist, haben andere Länder, etwa Schweden, bereits beweisen. Dazu müssten aber juristischen Änderungen erfolgen. Eine Entnahme von Wölfen ist laut Bundesnaturschutzgesetz bei auffälligen Wölfen zwar heute bereits möglich, über den Vollzug beziehungsweise juristische Klagen werde aber diese Vorgehensweise wieder ausgehebelt, wie Steffen Pingen vom Deutschen Bauernverband aus Erfahrung weiß. Hier brauche es praktikable Lösungen, denn ein Herdenschutz sei ohne Bestandsregulierung nicht möglich.
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Natürliches Gleichgewicht von Wolf und Beute
Auf ein natürliches Gleichgewicht von Wolf und Beute könne man auf jeden Fall nicht hoffen, wie Damman-Tamke zu bedenken gibt. In einer Kulturlandschaft, in der die Menschen nun einmal lebten, werde der Wolf keine natürliche Regulierung erfahren.
Und so stellt der Bauernverband nun drastische Forderungen: „Wir müssen nicht nur einzelne Problemwölfe, sondern auch ganze Rudel einfach entnehmen können“, sagte Bernhard Krüsken gegenüber der dpa. Umweltministerin Steffi Lemke möchte nun mit Betroffenen in den Dialog treten. Sabine Firnhaber, ein Vorstandsmitglied des Landesschaf- und Ziegenzuchtverbands Mecklenburg-Vorpommern, erhofft sich diesbezüglich schnelle Ergebnisse. „Die Wölfe lernen ständig dazu und sorgen dafür, dass wir immer wieder Angriffe haben, obwohl wir unsere Tiere schützen. Wir erwarten im Umkehrschluss für unsere Mühen und Maßnahmen, dass wir Tiere auch schnell und unbürokratisch entnehmen können“, zitiert sie die dpa.
Neues Wolfsrudel im Norden: Diesmal in Schleswig-Holstein
Dass sich derzeit sogar noch mehr Wölfe ansiedeln, ist jetzt einem Bericht des NDR zu entnehmen. Die Beweise dafür wirken derzeit noch dünn, scheinen laut dem schleswig-holsteinischen Wolfsbetreuer Jens Matzen jedoch eine eindeutige Sprache zu sprechen.
Gesichtet worden sind die Jungwölfe zwar noch nicht, aber Matzen sieht dennoch einen Grund dafür, dass sich ein neues Rudel im Segeberger Forst etabliert hat. Auf einem Foto der Wölfin „GW2656f“ sind laut Ministerium deutlich vergrößerte Zitzen zu sehen. Die seien ein klares Indiz dafür, dass die Wölfin Welpen säugt. Momentan befänden sich diese aber noch im eigens für die Geburt gegrabenen Bau, so das schleswig-holsteinische Wolfsmonitoring gegenüber dem NDR. Bei der Politik sorgt das Vorhandensein eines neuen Rudels für Unmut.
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Wölfe ins Jagdrecht?
„Ein erstes Wolfsrudel in Schleswig-Holstein ist keine gute Nachricht für die Weidetierhalter im Land“, sagte Oliver Kumbartzky (FDP) laut dem NDR.
Anders nimmt Matzen die Situation wahr: Eine Aufnahme ins Jagdrecht würde nichts ändern: da Wölfe nach EU-Recht unter Schutz stehen, gelte trotzdem eine ganzjährige Schonzeit. Er verwies vielmehr auf die regulierende Wirkung Isegrims im Ökosystem. Matzen geht davon aus, dass es sich im Segeberger Forst um vier bis sechs Welpen handelt. Beim zweiten Wolfspaar im Sachsenwald im Kreis Herzogtum Lauenburg scheint derzeit noch kein Nachwuchs anzustehen.