Mehr Tierwohl künftig auch bei dem Fleisch von Discounter Aldi: Bis 2030 soll es nur noch Produkte aus dem Haltungssegment Stufe 3 und 4 geben. (Symbolbild)

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Imke Harms | am

Tierwohl: Aldi will Fleischsortiment umstellen - Özdemir begrüßt es

Erst veröffentlichte Discounter Lidl den Plan, weniger Fleisch und Wurst anbieten zu wollen. Jetzt hat auch Aldi angekündigt, bis 2030 das Sortiment umzustellen - für mehr Tierwohl.

Die Discounter Aldi Nord und Aldi Süd erweitern ihre Ziele in Sachen Tierwohl. Wie die dpa berichtet, soll es ab dem Jahr 2030 neben dem Frischfleisch auch Fleisch- und Wurstwaren nur noch aus den Haltungsstufen 3 und 4 geben. Bundesernährungsminister Cem Özdemir hat diese Ankündigung begrüßt. Der Fleischkonsum sinke beständig, gleichzeitig wollten Verbraucherinnen und Verbraucher, dass Tiere besser gehalten werden, sagte der Grünen-Politiker am Donnerstag. „Darauf zu reagieren, ist Marktwirtschaft, nix anderes.“

Wichtiges Signal für die Landwirtschaft

Özdemir sagte, der Lebensmitteleinzelhandel sende ein wichtiges Signal an die Landwirtinnen und Landwirte, dass die Nachfrage nach Produkten aus tiergerechterer Haltung steige und sich damit Geld verdienen lasse. Dies gebe heimischen Höfen eine planungssichere Perspektive. Der Markt verändere sich. „Wer jetzt so tut, als könne alles so bleiben, wie es ist, setzt die Tierhaltung in Deutschland, viele Höfe, an denen Familien hängen, aufs Spiel.“ Özdemir verwies auf die geplante Förderung zum Umbau der Tierhaltung und das vorgesehene staatliche Tierhaltungslogo, das in diesem Jahr zunächst mit Schweinefleisch starten soll. Er begrüßte außerdem Ankündigungen aus dem Handel zu mehr pflanzlichen Produkten. Dies sei auch eine Reaktion auf geändertes Verbraucherverhalten. Der Discounter Lidl hatte angekündigt, den Anteil pflanzenbasierter Proteinquellen bis 2025 zu erhöhen, auch mit mehr veganen Produkten.

Aldi handelt konsequent

Auch die Interessengemeinschaft der Schweinehalter in Deutschland (ISN) meldet sich zu diesem Thema zu Wort. Der eingeschlagene Weg sei konsequent – so werde ein weiterer wichtiger Absatzkanal für Fleisch einbezogen. Wichtig sei dabei aber das klare Bekenntnis zur Herkunft Deutschland, bei dem dann aber auch keine Hintertüren – z.B. für Aktionsware aus dem Ausland – offen bleiben dürften. Es würde nämlich den deutschen Schweinehaltern ein Bärendienst erwiesen, wenn die umsatzstarken Aktionen mit auch zukünftig nicht kennzeichnungspflichtigem, ggf. sogar mit geringeren Standard erzeugtem Fleisch aus dem Ausland bestückt werden könnten.

Ein Akt der Nachhaltigkeit - oder doch verkalkuliert? Die Fleischwirtschaft kritisiert den Discounter Lidl, der weniger Fleisch im Angebot hat, „um die Umwelt zu schonen“.

Tierwohlversprechen ausweiten

Nachdem der Lebensmitteleinzelhändler Aldi bereits 2021 beim Frischfleisch die vollständige Umstellung auf die Haltungsformen 3 und 4 verkündet hatte, solle das Tierwohlversprechen im nächsten Schritt nun auch auf gekühlte Fleisch- und Wurstwaren ausgeweitet werden. Produkte wie Salami, Kochschinken, Wiener Würstchen oder Bacon gibt es dann nur noch aus den Haltungsformen 3 und 4. Die angestrebten Meilensteine sehen wie folgt aus:

  • Bereits heute stammen 90 Prozent der Fleisch- und Wurstwaren aus Haltungsform 2 und höher
  • Bis 2025 verzichtet Aldi vollständig auf Ware aus Haltungsform 1
  • Bis 2026 soll ein Drittel der Fleisch- und Wurstwaren aus Haltungsform 3 und 4 stammen
  • Bis 2030 soll vollständig auf Ware aus den höheren Haltungsformen 3 und 4 umgestellt werden.

Große Mengen verarbeitetes Fleisch

Nur ein kleiner Teil des Schweinefleisches wird nach Angaben der ISN als Frischfleisch an den Verbraucher verkauft, die Menge an verarbeiteter Ware ist etwa doppelt so groß. ISN-Geschäftsführer Dr. Torsten Staack sagt zur Aldi-Initiative: Wir haben immer gefordert, dass auch die verarbeitete Ware in gleicher Weise wie das Frischfleischsegment in die Kennzeichnung einbezogen werden muss. Immerhin macht der Mengenabsatz von in Deutschland erzeugtem Schweinefleisch über den Weg der Verarbeitung mehr als das Doppelte von dem aus, was an Frischfleisch bei privaten Einkäufen über die Ladentheke geht. Mit der Ausweitung der höheren Haltungsstufen auf dieses wichtige Marktsegment macht Aldi insbesondere auch Druck auf den Verarbeitungsbereich, der sich so nicht weiter wegducken kann,“ so Staack.

Wie ehrlich ist Aldi?

Der Geschäftsführer der ISN weiter: „Ein weiterer Punkt muss Aldi klar sein: Wer die Musik bestellt, der muss sie auch bezahlen. Denn es ist nun einmal Fakt, dass die Umstellung der Ställe nicht zum Nulltarif geht – im Gegenteil, derart hohe Investitionen sind für Schweinehalter nicht ohne Planungssicherheit und langfristig auskömmliche Erlöse möglich. Auch ein Landwirt ist ein Unternehmer, der Gewinne machen muss, um seinen Betrieb weiter entwickeln zu können.“

Tierwohl: Schweine mit Beschäftigungsmaterial im Stall

Ställe umbauen für mehr Tierwohl

Das Ziel sei nicht nur diesbezüglich sehr ambitioniert, erläutert Staack: Denn die deutschen Schweinehalter müssten überhaupt erst einmal genehmigungsrechtlich in die Lage versetzt werden, ihre Ställe umbauen zu dürfen.

Greenpeace: Billigfleisch als Auslaufmodell

Die Umweltorganisation Greenpeace erklärte, Billigfleisch werde im Supermarkt mehr und mehr zum Auslaufmodell. Die Ankündigung von Aldi sei ein entscheidender Schritt, denn die Hälfte des konsumierten Fleisches lande als Wurst und Aufschnitt auf den Tellern. Bessere Haltung bedeute immer auch, deutlich weniger Tiere zu halten. Die Verbraucherorganisation Foodwatch monierte hingegen, es solle vorgegaukelt werden, mit dem Kauf von Produkten der Stufen 3 und 4 das Leben der Tiere nachhaltig verbessern zu können. Gegen Krankheit und Elend von Tieren helfe aber keine irreführende Haltungskennzeichnung, sondern nötig seien lückenlose Gesetze für mehr Tiergesundheit.

Das sagen Tierschutzorganisationen

Die Tierschutzorganisation Vier Pfoten begrüßte eine Auslistung der „absolut tierschutzwidrigen Haltungsstufen 1 und 2“. Wichtig wäre aber auch, dass Aldi ab sofort auf Werbung für Billigfleisch oder billige Milchprodukte aus schlechter Haltung verzichte. Der Deutsche Tierschutzbund erklärte, die Ankündigung müsse ein Weckruf für die Regierung sein, jetzt die Weichen für bessere Tierschutzstandards zu stellen. Das geplante Tierhaltungskennzeichen trage dazu nicht bei.

Mit Material von dpa, ISN

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