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Tierwohl: Diskrepanz zwischen Konsumentenaussagen und Kaufverhalten
Tierwohl ist in letzter Zeit verstärkt in den Blick der Öffentlichkeit gerückt. Was ist es Verbrauchern wirklich wert, wenn sie einkaufen gehen?
Mehr Tierwohl ist gewünscht, das scheint aus allen Befragungen von Konsumentinnen und Konsumenten klar hervorzugehen. Doch laut dem Bundesverband Rind und Schwein gibt es eine Diskrepanz zwischen den Aussagen - und dem tatsächlichen Verhalten beim Einkauf. Woher kommt das?
Zahlungsbereitschaft bei Tierwohl „mäßig“
Bereits im Jahr 2016 berichtete das elite Magazin unter dem Titel „Zahlungsbereitschaft der Verbraucher für mehr Tierwohl mäßig“ von einer Studie, nach der 94 Prozent der Befragten den Tierschutz in der Landwirtschaft für wichtig erachteten und 82 Prozent die Meinung vertraten, dass landwirtschaftlich genutzte Tiere besser als bisher geschützt werden müssten. Auch laut einer anderen Umfrage aus dem Jahr 2020 bestand mit 74 bzw. 72 Prozent die höchste Zahlungsbereitschaft in der Altersgruppe zwischen 30 und 39 Jahren sowie bei den Senioren über sechzig Jahren.
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Tierwohl: Höhere Preis für tierische Erzeugnisse
Nach diesem doch recht klaren Votum werde das Bild allerdings differenzierter, wenn die Bereitschaft hinterfragt werde, Tierwohl und Tierschutz auch tatsächlich über den Preis zu honorieren, berichtet Dialog Milch. So hätten sich in der erstgenannten Studie 35 Prozent der Befragten vorstellen können, für Produkte aus Haltungssystemen mit hohen Tierwohlstandards bis zu 5 Prozent zusätzlich zu bezahlen. Weitere 16 Prozent gaben seinerzeit an, einen Aufschlag von 6 bis 10 Prozent zahlen zu wollen.
5 Prozent der Interviewten hatten sogar die Bereitschaft geäußert, bis zu 20 Prozent mehr ausgeben oder noch höhere Preise bezahlen zu wollen. Allerdings gab es mit 35 Prozent der Befragten auch viele Verbraucherinnen und Verbraucher, für die eine tierfreundlichere Haltung kein Grund für eine höhere Zahlungsbereitschaft darstellte.
Sonderangebote im Supermarkt: Grenzen der Zahlungsbereitschaft
Lock- und Sonderangebote in den Fleischtheken der Supermärkte machten es laut Dialog Milch schwer, die eigentlich geäußerte Bereitschaft, höhere Preise für mehr Tierwohl zu bezahlen, auch tatsächlich und konsequent in die Tat umzusetzen. Der zielstrebige Griff nach Sonderangebote habe im Jahr 2022 noch einmal ganz neue Dimensionen bekommen. Ukrainekrieg, drastisch steigende Preise für Energie und Inflation hätten dazu gezwungen, äußerst preisbewusst einzukaufen.
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Einkaufsverhalten: Dinge des täglichen Bedarfs
Der Spielraum, mehr für Produkte des täglichen Bedarfs auszugeben, sei derzeit für viele Menschen nicht mehr vorhanden. Der überwiegende Teil der Haushalte in Deutschland sei auf günstige Lebensmittel angewiesen, um den Wohlstand nicht zu gefährden. Viele, die beim Einkauf gefragt würden, ob sie mehr ausgeben würden, können dies offenbar nicht.
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Das werde auch an der Verteilung der Einkommen in Deutschland vor dem Hintergrund erkennbar, dass die Lebenshaltungskosten laut Destatis im Schnitt 2623 Euro im Monat betragen, wobei mit Stand Dezember 2022 Anteile von 37 Prozent für Wohnen und Energie sowie 15 Prozent für Nahrung und Genussmittel aufgewendet wurden. Aufs Jahr gerechnet liegen die durchschnittlichen Lebenshaltungskosten in Deutschland damit bei 31.476 Euro, wie Dialog Milch betont. Entsprechend gaben befragte Verbraucherinnen und Verbraucher auch in dem ARD Morgenmagazin am 20. Januar 2023 an, aktuell gar nicht mehr auf Tierwohl zu achten oder sich entsprechende (Mehr-)Ausgaben zweimal zu überlegen.
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Wünschenswert sei laut dem Bundesverband Rind und Schwein – entsprechend den Empfehlungen der Borchert-Kommission – ein ausreichendes finanzielles Volumen staatlicher Programme für Umbau und Ausstattung der landwirtschaftlichen Betriebe. Denn klar sei, wenn weder Markt noch Staat die notwendigen Investitionen der Betriebe honorierten und mitfinanzierten, dann könnten die Tierhalterinnen und Tierhalter alleine das erst recht nicht stemmen.