Saugferkel

Das ist ein Artikel vom Top-Thema:

Leonie Jost | am

Was tun bei Saugferkeldurchfall?

Trotz vieler Bemühungen treten Saugferkeldurchfälle immer wieder auf. Über Gründe und mögliche Abhilfe sprach LAND & FORST mit Dr. Ines Spiekermeier, Fachtierärztin für Schweine von der AniCon Labor GmbH.

Frau Dr. Spiekermeier, warum spielen Saugferkeldurchfälle in so vielen Betrieben noch immer eine Rolle?

Ferkel bieten viele Angriffspunkte für pathogene – also krankmachende – Erreger. Einerseits sind frisch geborene Ferkel allen Keimen „schutzlos“ ausgeliefert, weil sie – anders als beispielsweise Säuglinge – keine schützenden Antikörper im Mutterleib erhalten, sondern ausschließlich über das Kolostrum. Daher kann eine mangelnde Versorgung mit Kolostrum zu Problemen führen. Außerdem haben wir es mit einer Vielzahl an Erregern zu tun, die beim Saugferkel Durchfall auslösen können. Dabei ist es gar nicht einfach sich zwischen Bakterien, Viren und Parasiten zu orientieren und die Leitursache für den Durchfall zu finden. Ein dritter Aspekt ist, dass Saugferkel nach klinischem Durchfall auch häufig trotz Behandlung nicht wieder komplett auf die Beine kommen und so das Problem lange im Bestand präsent bleibt. Dies liegt daran, dass die Darmschleimhaut Tage bis Wochen braucht, bis sie sich wieder vollständig regeneriert hat. Bis dahin kann das Ferkel nur eingeschränkt Nährstoffe resorbieren, was sich in der Wachstumsleistung negativ bemerkbar macht.

Welche Erreger würden Sie bei Saugferkeldurchfall am ehesten in Erwägung ziehen?

Häufig handelt es sich tatsächlich um ein multifaktorielles Problem. Die häufigsten Ursachen von Durchfall bei neugeborenen Ferkeln liegen im Bereich der bakteriellen und viralen Ursachen, Parasiten spielen eher in Richtung Absetzen eine Rolle. Sehr häufig, gerade wenn Jungsauenwürfe betroffen sind, können wir bei uns im Labor Rotaviren der Gruppen A oder C nachweisen. Diese verkürzen die Zotten im Darm, so dass eine Resorption von Flüssigkeit und Nährstoffen nicht mehr stattfinden kann und es daraufhin zu Durchfall kommt. Die Vorschädigung der Darmschleimhaut nutzen dann auch gerne Bakterien, um sich dazuzugesellen und den Durchfall zu verschlimmern. Ein großes Problem der durch Rotaviren verursachen Durchfälle ist, dass diese nicht auf eine antibiotische Behandlung ansprechen – darauf gehe ich später noch mal näher ein.

Aber auch rein bakteriell verursachte Durchfälle kommen vor. Hierbei sind vor allem E. coli und Clostridium perfringens zu nennen, seltener Clostridiodes difficile oder Enterococcus hirae, durans oder villorum. Bei den bakteriellen Erregern ist zu beachten, dass der alleinige Nachweis des Erregers nicht zwangsläufig das Durchfallgeschehen erklärt, da sie sowohl als natürliche Darmbewohner als auch als pathogene Keime vorkommen, die Durchfall auslösen. Inzwischen sind bei bakteriellen Durchfallerregern viele Gene bekannt, die bei der Einteilung in krankmachend oder nicht krankmachend helfen. Anhand des Nachweises dieser Gene, die auch Virulenzmarker genannt werden, ist es möglich, das krankmachende Potenzial von bakteriellen Erregern besser einschätzen zu können. Die Untersuchung von Bakterien auf wichtige Virulenzmarker für den Saugferkeldurchfall ist bei uns im Labor unproblematisch möglich und gehört zur Routinediagnostik.

Kann ich die Durchfallursache schon im Stall näher eingrenzen oder wie sieht mein gezieltes Vorgehen aus, um der Ursache auf die Schliche zu kommen?

Es gibt Hinweise, die auf bestimme Durchfallerreger deuten, wie beispielswiese die Farbe oder Konsistenz des Kotes oder Begleitsymptome der Ferkel wie z.B. Erbrechen. Allerdings hat die Erfahrung gezeigt, dass eine fundierte Diagnostik häufig zu anderen Ergebnissen kommt, als es auf den ersten Blick durch die Klinik vermutet wird. Deswegen empfehlen wir durch den bestandsbetreuenden Tierarzt frisch erkrankte Ferkel zur Diagnostik einzusenden, die eine ausreichende Menge Kolostrum aufgenommen haben. Wird ein Stichprobenumfang von 3-5 Ferkeln eingeschickt, hat man häufig einen guten ersten Überblick über die Bestandssituation. Als Material für die Beprobung bieten sich idealer Weise ganze Saugferkel an. Hier hat man die Möglichkeit, den Magen, den Dünndarm und den Dickdarm zu beproben. Kottupfer oder Kotproben von akut erkrankten Tieren sind auch möglich und sinnvoll, wenn die Probennahme direkt auf dem Hof durchgeführt wird. Für den Versand muss das Probenmaterial in jedem Fall auslaufsicher und gekühlt verpackt werden und dann kurzfristig bei uns im Labor eintreffen. Der Hoftierarzt ist für Probennahme und das professionelle Probenhandling der beste Ansprechpartner.

Bei uns im Labor haben wir für die Untersuchung ein standardisiertes Vorgehen, um die häufigsten Ursachen abzuklären. Hierbei werden die Bakterien kulturell angezüchtet und die Viren in einem ersten Schritt via PCR abgeklärt, bevor z.B. das Rotavirus A dann angezüchtet wird. Bei den Viren wird zuerst die PCR vorgeschaltet, um ein schnelles Ergebnis liefern zu können. Virusanzuchten dauern in der Regel nämlich wesentlich länger als bakterielle Kulturen – häufig muss mit zirka 4 Wochen gerechnet werden.

Und wie helfen die Ergebnisse dem bestandsbetreuenden Tierarzt dann im konkreten Fall weiter?

Die Maßnahmen, die aus den Ergebnissen abgeleitet werden können, können vielfältig sein und orientieren sich natürlich an den Gegebenheiten vor Ort. Bei bakteriellen Infektionen kann durch einen Resistenztest beispielsweise eine wirksame antibiotische Behandlung als Therapie eingeleitet werden, wenn eine bakterielle Durchfallursache vorhanden ist. Außerdem können durch die Ergebnisse Managemententscheidungen getroffen werden wie z.B. ein angepasstes Desinfektionsmanagement oder eine optimierte Kolostrumversorgung. Für viele der Erreger können aber auch langfristig Impfstoffe als Prophylaxe – also als vorbeugender Schutz – eingesetzt werden.

Habe ich als Bestand die Chance, auch wieder erregerfrei zu werden?

Eine komplette Erregerfreiheit hinsichtlich Saugferkeldurchfall ist eher selten zu beobachten. Natürlich besteht die Chance, dass der Betrieb die Rahmenbedingungen so weit optimiert, dass die Ferkel mit dem vorhandenen Erregerdruck zeitweise selber umgehen können und eine Impfung nach der Zeit wieder ausgesetzt werden kann. Häufig kommt es aber in solchen Fällen wieder zu einem Neueintrag und das Problem des Saugferkeldurchfalls tritt erneut auf. Die Erfahrung zeigt aber, dass viele Landwirte und Tierärzte bei einer einmal gut funktionierenden Impfung gar nicht gewillt sind, sich dem Risiko des Ausstiegs auszusetzen, weil die Impfung leicht in den Betriebsalltag integriert werden kann. Viele bleiben also lieber beim „Sicherheitspuffer“.

Energiesparen-Sauenhaltung_URS-B4_CDL

Digitale Ausgabe

Jetzt bestellen
digitalmagazin

✓ Artikel suchen und merken

✓ exklusiv: Video und Audio

✓ Familienzugang

✓ 1 Tag früher informiert

Digitale Ausgabe

✓ Artikel merken und teilen
✓ exklusiv: Video und Audio
✓ Familienzugang
✓ 1 Tag früher informiert
Produkte entdecken
 
Das könnte Sie auch interessieren

Inhalte der Ausgabe

  • Hofgeschichte: Direktsaat auf Hof Schierholz
  • Stallbrände: Podcast und Ratgeber zur Prävention
  • So geht Silagebereitung für Rundballen
  • Schweinegesundheit: Signale der Tiere richtig deuten
  • Photovoltaikanlagen richtig reinigen

JETZT DAS WOCHENBLATT KENNENLERNEN – GEDRUCKT ODER DIGITAL!

Reinschnuppern: 12 Ausgaben ab 10€

Jetzt bestellen