Cem Özdemir

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Norbert Lehmann | am

Umbau der Tierhaltung: Özdemir nimmt keine Rücksicht auf Landwirte

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir hat seinen Entwurf für ein Tierhaltungskennzeichnungsgesetz überarbeitet. Verbände der Landwirtschaft vermissen weiterhin Verbesserungen in zentralen Kritikpunkten.

Das Bundeslandwirtschaftsministerium hat seinen Gesetzentwurf zur Tierhaltungskennzeichnung (TierhHaltKennzG) überarbeitet. Das war nach einer überaus kritischen Expertenanhörung im Bundestag Anfang des Jahres zwar erwartet worden: Doch auch der zweite Aufschlag von Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) für ein staatliches Tierwohl-Label lässt viele fachliche Kritikpunkte außen vor. Zudem soll die geplante Förderung des Umbaus der Tierhaltung offenbar ausschließlich schweinehaltenden Betrieben mit Außenklima zugutekommen.

Vorwurf der Klientelpolitik an Minister Özdemir

Was die Betroffenen in der Land- und Ernährungswirtschaft besonders verärgert: Der überarbeitete Gesetzentwurf wurde vorige Woche parallel zur Agrarministerkonferenz (AMK) in Büsum ohne Rücksprache mit der Branche oder den Ländern zur Notifizierung nach Brüssel geschickt. Das ist kein gutes Omen für das Paket zur Tierhaltung, das Özdemir kurzfristig angekündigt hat.

Die überarbeitete Förderrichtline für ein Bundesprogramm sieht nun vor, dass nur Umbauten in Betrieben bezuschusst werden, in denen die Schweine bereits Kontakt zum Außenklima haben, das heißt in den Haltungsstufen 3 bis 5. Aus Sicht von Dr. Nora Hammer, der Geschäftsführerin des Bundesverbandes Rind und Schwein (BRS), macht das jedoch wenig Sinn. „Schon heute haben Premiumprodukte enorme Probleme am Markt“, sagt Hammer. Das sei reine Klientelpolitik.

Schweinestall
Umbau der Tierhaltung

Höhere Fördersätze für kleine Schweinehaltungen

Erfolgversprechend sei nur ein Umbau in allen Ställen mit einer Honorierung von Tierwohlinvestitionen für jedes Schwein. Im Vergleich zu den Ende letzten Jahres vorgelegten Eckpunkten will das Ministerium die Fördersätze und Obergrenzen allerdings spürbar anheben. Bleiben soll es hingegen beim Förderzeitraum von zehn Jahren. Bei investiven Vorhaben soll für förderfähige Ausgaben bis 500.000 Euro der Fördersatz 60 % betragen. Bei einem Investitionsvolumen von 2 Mio. Euro sinkt der Fördersatz auf 50 %. Die Fördersumme soll 1,05 Mio Euro pro Betrieb nicht übersteigen.

Diese Änderungen am Haltungskennzeichnungsgesetz sollen kommen

Bei der Unterstützung der laufenden Mehrkosten plant das Agrarressort nun ein differenziertes Vorgehen: 80 % der Mehrkosten sollen übernommen werden, wenn die Zahl der jährlich verkauften Mastschweine oder Ferkel 1.500 nicht übersteigt. 70 % wird der Fördersatz bei einer Menge von bis zu 6.000 Mastschweinen oder Ferkeln im Jahr betragen. Für Sauen sollen die entsprechenden Fördergrenzen bei 50 % und 200 gehaltenen Tieren im Jahr liegen. Die Zuwendung je Tier soll in einem Förderjahr den Betrag von 750, multipliziert mit einem jeweiligen Faktor, nicht übersteigen. Dieser Faktor soll für Mastschweine 0,05, für Ferkel 0,03 und für Sauen 0,5 betragen. Die Verbände haben nun Zeit bis zum 6. April, sich zu dem Entwurf der Förderrichtlinie zu äußern.

Kriterien für das Platzangebot in verschiedenen Haltungsstufen

Im Gesetzentwurf zur Haltungskennzeichnung wurde das Platzkriterium in der Haltungsstufe „Stall plus Platz“ geändert: Statt 20 % mehr Platz werden nur noch 12,5 % verlangt. Zusätzlich wird Raufutter vorgeschrieben. Die Haltungsstufe „Auslauf/Freiland“ wurde in „Auslauf/Weide“ umbenannt. In den Haltungsstufen „Frischluftstall“ und „Auslauf/Weide“ wurden die Haltungskriterien so überarbeitet, dass nach Einschätzung der Interessengemeinschaft der Schweinehalter (ISN) erheblicher Einfluss auf die Umsetzung zu erwarten ist. Verschiedene Formulierungen im Gesetzentwurf wurden präzisiert. Beispielsweise wurden die Dokumentationspflichten dahingehend ergänzt, dass Landwirte neben dem Aufstallungsdatum und der Anzahl der Tiere auch das durchschnittliche Gewicht der Tiere je Aufstallungsgruppe festhalten müssen.

In aller Deutlichkeit fordert Jochen Borchert von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir ein Finanzierungskonzept zum Umbau der Nutztierhaltung. Die Tage bis zum Ende seiner Geduld scheinen gezählt. Kann die Bundesregierung im März keinen hinreichenden Plan vorlegen, dürfte es niemanden mehr wundern, wenn die Borchert-Kommission ihre Arbeit einstellt.

Was soll für gemischte Schweinelieferungen gelten?

Bei Mischpartien aus den ersten vier Haltungsstufen soll der ISN zufolge gemäß dem geänderten Entwurf nun doch eine Herabstufung möglich sein. Weiterhin soll eine Mischpartie nur noch mit einer Hauptstufe gekennzeichnet werden, wenn über 80 % aus einer Haltungsstufe kommen und der Rest aus den jeweils darüber liegenden Stufen. Einzelne Prozentangaben müssen nicht mehr gemacht werden. Sind diese Bedingungen nicht gegeben, bleibt es bei der Anteilsangabe der einzelnen Stufen.

Entscheidende Kritikpunkte am Tierwohl-Label nicht nachgebessert

Die EU-Kommission wird den überarbeiteten Entwurf nun prüfen. Damit verzögert sich das Gesetzgebungsverfahren erneut. Den ersten Entwurf Özdemirs hatte die Kommission bereits im vergangenen Jahr notifiziert. Aus Sicht der ISN sind die nun geplanten Änderungen allerdings weiterhin nicht ausreichend. Diese „entscheidenden Kritikpunkte“ wurden laut ISN-Geschäftsführer Dr. Torsten Staack nicht berücksichtigt: ausländische Ware bleibt nicht kennzeichnungspflichtig, die Ferkelerzeugung wird in die Haltungskennzeichnung nicht einbezogen, wichtige Absatzwege wie Gastronomie und Fleischverarbeitung unterliegen keiner Kennzeichnungspflicht.

Hammer: Özdemir handelt nach dem Motto „Eure Meinung interessiert mich nicht“

Staack kritisierte die Arbeitsweise des Landwirtschaftsministeriums scharf. „Das Vorgehen ist ein weiteres Beispiel für die Ignoranz des Bundeslandwirtschaftsministers. Offensichtlich will er nicht mit den direkt Betroffenen aus der Landwirtschaft über den Gesetzentwurf reden“, stellte der ISN-Geschäftsführer fest. Die Einreichung in Brüssel kurz vor der AMK zeige, dass auch die Bundesländer ignoriert würden. BRS-Geschäftsführerin Hammer bescheinigte Özdemir ein „merkwürdiges Verständnis der Zusammenarbeit“. Wer ohne Rücksprache mit der Landwirtschaft geänderte Gesetzestexte nach Brüssel schicke und der Branche nur zwei Wochen für eine fundierte Stellungnahme einräume, dokumentiere nur eines: „Eure Meinung interessiert mich nicht.“

Özdemir strebt eine Paketlösung für die Tierhaltung an

Auf der Agrarministerkonferenz in Büsum hatte Özdemir noch versichert, dass die Koalition Anregungen aus der Praxis in ihr Paket aufnehmen werde. Das Ampelpaket zur Tierhaltung wird laut Özdemir einen Vorschlag zur Anpassung der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft) und zur Anpassung des Baurechts enthalten. Politische Beobachter erwarten, dass der grüne Agrarminister auch Regeln für eine Kupierverbot vorlegen könnte.

Mit Material von AgE

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