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Weniger Antibiotika in der Kälbermast
Schweizer Wissenschaftler haben ein neues Konzept für die Kälbermast entwickelt. Es soll Tiergesundheit und Tierwohl verbessern.
Forscherinnen und Forscher der Universität Bern haben ein Mastkonzept für Kälber entwickelt, das den Einsatz von Antibiotika reduzieren soll. Den Erfolg dieses Konzeptes belegen den Wissenschaftlern zufolge Praxisuntersuchungen.
Demnach ließe sich mit dem „Freiluftkalb“-Konzept im Vergleich zum etablierten Standard des Schweizer Labels IP-SUISSE der Antibiotikaeinsatz reduzieren, das Tierwohl verbessern, und die Wirtschaftlichkeit auf vergleichbarem Niveau halten.
Kurze Transportwege, Quarantäne und frische Luft
Hauptgrund für Antibiotikabehandlungen in der Kälbermast sind Lungenentzündungen. „Besonders in den ersten Lebenswochen sind die Kälber Infektionsrisiken ausgesetzt", erklärte Studienleiterin Mireille Meylan. "Beim Transport zum Mastbetrieb werden sie mit anderen Kälbern gemischt, dort kommen sie in noch größere Gruppen. Krankheitserreger verbreiten sich oft sehr schnell".
Im "Freiluftkalb"-Konzept sollen Mäster Kälber nur von Höfen in der Nähe zukaufen, sodass beim Transport keine Tiere aus verschiedenen Betrieben gemischt werden. Die ersten Wochen nach der Ankunft bleiben die Tiere in Einzeliglus und werden gegen Lungenentzündungen geimpft.
Erst nach dieser Quarantäne kommen sie in kleine Gruppen von maximal zehn Kälbern. In diesen Gruppen verbringen sie den Rest der durchschnittlich viermonatigen Mast in einem Gruppeniglu mit überdachtem, eingestreutem Auslauf.
„Freiluftkälber“ brauchen weniger Antibiotika
Den Erfolg des Konzeptes prüften die Wissenschaftler auf 19 Kälbermastbetrieben über jeweils ein Jahr. Einmal im Monat erhoben sie Gesundheitszustand und Wohlergehen der Kälber. Dasselbe taten sie auf 19 Vergleichsbetrieben des IP-SUISSE-Labels.
Das Ergebnis:
- Bei den „Freiluftkälbern“ traten weniger Atemwegs- und Verdauungskrankheiten sowie weniger frühzeitige Todesfälle auf.
- Während auf den Vergleichsbetrieben jedes zweite Kalb im Verlauf seines Lebens Antibiotika benötigte, war es bei den "Freiluftkälbern" nur jedes sechste. In Betrieben mit dem neuen Konzept wurden fünfmal weniger Behandlungstage verzeichnet.
- Wirtschaftlich unterschieden sich die beiden Varianten kaum. Das begründen die Wissenschaftler damit, dass Futter und Ankaufpreis neunzig Prozent der Direktkosten eines Mastkalbes ausmachen. Die restlichen Faktoren fielen weniger ins Gewicht. Zudem kompensierten die niedrigere Sterblichkeit und eine gute Tagesmastleistung den etwas höheren Arbeitsaufwand für "Freiluftkälber".

Das "Freiluftkalb"-Konzept auf einem Versuchsbetrieb: Links die Einzeliglus für frisch angekommene Kälber, rechts zwei Gruppeniglus mit Auslauf für ältere Kälber nach der Quarantäneperiode. © NFP 72, Nadine Kägi