Der Discounter Lidl will künftig weniger Fleisch anbieten. Um den Planeten zu retten. Dafür hagelt es ordentlich Kritik.
Tierische Proteine im Sortiment sollen durch pflanzliche ersetzt werden, erklärte der Discounter vor zwei Wochen auf der Internationalen Grünen Woche in Berlin. Das Ziel: Bis 2025 soll der Anteil pflanzlicher Proteine kontinuierlich erhöht werden. Ein Wandel sei laut Christoph Graf, Lidl-Chefeinkäufer für den deutschen Markt, alternativlos. „Wir brauchen auf der ganzen Welt eine bewusstere Ernährung, um uns in unseren planetaren Grenzen zu ernähren“, wird Graf zitiert.
Immer noch hohe Nachfrage nach Fleisch
Die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) veröffentlicht auf ihrer Webseite die Gegenargumentation von „Fokus Fleisch“. Und auch in den sozialen Medien melden sich Accounts landwirtschaftlicher Betriebe zu Wort, kritisieren den Discounter und sehen in dem geringeren Fleisch-Angebot keinen Schritt in Richtung Nachhaltigkeit - sondern ganz im Gegenteil schlicht und ergreifend eine Fehlkalkulation.
Landwirte nutzen ihre Reichweite
Auf Instagram beispielsweise wird der Vorstoß von Lidl heiß diskutiert. Der Hof Pleus aus dem Emsland, der Schweinefleisch über den eigenen Hofladen vermarktet, kritisiert: „Wir haben davor gewarnt, dass mehr und mehr Höfe kaputt gehen – ohne Ersatz. Und nun die Überraschung: Die heimische Ware, vorallem Fleisch, ist extrem knapp. Ein Angebot von Geburt bis Verarbeitung ist kaum zu bekommen. Und das ist erst der Anfang."
Lidl soll Versprechen einhalten
Dem Supermarkt wird vorgeworfen, das geringere Angebot unter dem Deckmantel einer „nachhaltigen Ernährungsweise“ als freiwillige „alternativlose“ Entscheidung zu verpacken. Dann der Vorstoß mit direkter Ansprache an den Lidl-Konzern: „Wie wäre es, wenn ihr einfach dazu steht, dass ihr euch verzockt habt und euer Versprechen, die heimische Landwirtschaft zu stärken, endlich einhaltet, statt dazustehen, von Nachhaltigkeit zu sprechen und im gleichen Zug tonnenweise Lebensmittel billig im Ausland zu shoppen? Das wäre nicht nur aufrichtig, sondern tatsächlich ein echtes Bekenntnis zu Nachhaltigkeit, Tier- und Umweltschutz sowie Sozialstandards, denn diese sind hier im weltweiten Vergleich schon sehr hoch."
Inflation bei Lebensmitteln steigt – Verbraucher spart beim Fleisch
Landwirtschaft unterschreitet Jahresemissionsmenge
Verbraucher möchten laut Fokus Fleisch auch weiterhin Fleisch einkaufen können. Das zeigen Daten der GfK (Gesellschaft für Konsumforschung). Zwar sei die Nachfrage privater Haushalte nach Fleischprodukten in den zurückliegenden Jahren gesunken, doch die eingekaufte Menge habe im Jahr 2021 noch immer beachtliche 3 Mio. Tonnen betragen. Im selben Zeitraum hätten laut ISN Fleischersatzprodukten an diesen Einkäufen nur einen geringen Prozentsatz ausgemacht. Der Anteil von Ersatzprodukten sei von 0,8% in 2017 nur leicht gestiegen auf 2,2 % im Jahr 2021.
Die Landwirtschaft habe zudem 2021 im Vergleich zu anderen Emittenten mächtig Treibhausgase reduziert. Zwei Prozent weniger CO2-Ausstoß seien es gewesen– also 1,2 Millionen Tonnen weniger im Jahresvergleich. Nach der Bilanz des Bundesumweltamtes für das Jahr 2021 unterschreitet die Landwirtschaft deutlich die im Bundesklimagesetz festgelegte maximale Jahresemissionsmenge von 68 Millionen Tonnen CO2.
Kreislaufwirtschaft nutzen
Nutz- und Herdentiere seien laut Fokus Fleisch zudem unersetzlich für die Aufrechterhaltung des Stoffkreislaufs in der Landwirtschaft, indem sie die großen Mengen an ungenießbarer Biomasse, die als Nebenprodukte bei der Herstellung von Nahrungsmitteln für die menschliche Ernährung anfallen, auf verschiedene Weise wiederverwerten. Nutztiere seien optimal in der Lage, diese Stoffe in den natürlichen Kreislauf zurückzuführen und gleichzeitig hochwertige Lebensmittel zu produzieren. Zudem seien ihre Klimagasemissionen Bestandteil eines biogenen Kreislaufs.
Ausstieg aus der Landwirtschaft
Außerdem wichtig zu wissen: Laut ISN sind im Jahr 2022 allein 1.900 Bauern in Deutschland aus der Schweinehaltung ausgestiegen, die meisten von ihnen haben die landwirtschaftliche Produktion gänzlich aufgegeben. „Es droht ein Strukturbruch“, heißt es in der Mitteilung. Die Versorgung mit heimischen Lebensmitteln könne so nicht mehr gewährleistet werden, wenn sich der Trend fortsetze. Das statistische Bundesamt hat 2022 mit 21,3 Millionen Tieren den geringsten Schweinebestand seit 30 Jahren registriert.