Fleisch vom heimischen Wild ist nicht nur lecker, sondern auch gesund. Trotzdem wurde es lange hauptsächlich zu Weihnachten oder besonderen Anlässen gegessen. Doch das Bild wandelt sich – auch dank einer App.
Seinen Ruf als "Festtagsschmaus" ist Wildfleisch noch nicht ganz los, aber es tut sich etwas. Zwar gehöre es für viele Verbraucherinnen und Verbraucher traditionell noch eher in den Herbst und Winter, bestätigt Helmut Damman-Tamke: "Dabei ist inzwischen das ganze Jahr über Wild zu haben", so der Präsident der Landesjägerschaft Niedersachsen. Dies gilt insbesondere, seit zur Vermeidung eines Eintrags der Afrikanischen Schweinepest (ASP) Schwarzwild mehr bejagt wird.
Nachfrage nach Wildprodukten steigt
In diesen Tagen hat zudem die verstärkte Jagd auf Reh- und Damwild begonnen; so sollen zu starke Verbissschäden an jungen Waldbäumen verhindert werden. Es könnte an der Jahreszeit liegen, vielleicht auch daran, dass die Coronakrise eine Entwicklung zum Einkaufen jenseits der großen Supermarktstrukturen gefördert hat, vermutet Wibeke Schmidt. Die Nachfrage nach Wildprodukten sei jedenfalls stabil und steige aktuell sogar, so die Sprecherin der Forstämter der Region Weser-Ems und Nienburg. Dass Umweltgedanken und Regionalität beim Verzehr zunehmend eine Rolle spielen, spiegeln die Erfahrungen von Knut Sierk wider. Er ist Sprecher bei den Niedersächsischen Landesforsten und in der Ausbildung des Jägernachwuchses aktiv. "Viele Jungjäger wollen jagen, um zu wissen, wo ihr Fleisch herkommt, und weil sie regionale Produkte essen wollen", so Sierk. "Das erklären mir seit einigen Jahren sicher zwei Drittel der Teilnehmerinnen und Teilnehmer in der Jägerausbildung, wenn es um ihre Motivation geht."
Bratwurst vom Wildschwein mit Käse und Bärlauch
Umwelt und Nachhaltigkeit: Neugier auf Wild wächst
"Die Leute sind allgemein neugieriger geworden auf Wild", hat Marco Scharf festgestellt. Er verkauft Wildfleisch in seinem Laden in Großefehn (Landkreis Aurich) sowie auf Wochenmärkten. "Ich glaube, es findet teils ein Umdenken statt, hin zu mehr Regionalität und Natürlichkeit. Und auch hin zu weniger Fleisch, aber wenn, dann etwas Vernünftiges." Scharf ist selbst Jäger; sein Wild bezieht er regional aus Ostfriesland. "Im vergangenen Jahr war es coronabedingt deutlich mehr Absatz", so der 46-Jährige. "Da sagten die Kunden: Wir können nicht essen gehen, also gönnen wir uns zu Hause etwas Besonderes." Die Nachfrage hielt sogar über den Sommer 2020 an; das habe sich in diesem Jahr jedoch nicht wiederholt: "Dabei kann man Wild auch gut vom Grill essen", sagt Scharf, der über die Verkaufstheke gerne Tipps zur Zubereitung gibt.
Direktvermarktung via Smartphone? Das geht!
Für Rezepte schauen viele Menschen ins Internet. Aber per App Wildbret kaufen oder verkaufen? Am Anfang sei er skeptisch gewesen, gibt Jürgen Luttmann, Vorsitzender der Jägerschaft Verden, zu: "Aber mein Sohn hat mir aufgezeigt, welche Vorteile das bringt." Über die von Frank Luttmann entwickelte Smartphone-App "Waldfleisch" lassen sich Nutzerinnen und Nutzer die Angebote der nächstgelegenen Jäger anzeigen – inklusive Preis. Das Fleisch kann man über die App kaufen, es abholen oder sich liefern lassen. Zudem können Jägerinnen und Jäger abonniert werden, sodass Nutzer es sofort erfahren, wenn bei „ihren“ Anbietern frisches Wildfleisch verfügbar ist. Die Jägerschaft Verden hat die Entwicklung der App unterstützt, ebenso die Landesjägerschaft Niedersachsen und der Deutsche Jagdverband; zudem gab es eine Förderung über ein Innovationsförderprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie.
Begeisterung für Wildfleisch und Nachhaltigkeit
Rund 50.000 Mal wurde die App seit dem Start im Frühjahr installiert, so Frank Luttmann: "Gut 2.000 Jäger haben sich bisher registriert, aus Niedersachsen, sowie aus ganz Deutschland." Auffällig viele Neukunden fänden über das Smartphone zum Wildfleisch. "Das Online-Marketing über Facebook und Instagram spricht Jüngere an, wovon viele das Thema Nachhaltigkeit beschäftigt. Die sind vom Wildfleisch begeistert", so Software-Entwickler Luttmann. "Die App soll die lokalen Jäger und den Verkauf in der Region unterstützen", betont er. "Und das kommt bei den Nutzern gut an, die mehr Produkte ohne weite Anfahrtswege kaufen wollen."