In einem Gastkommentar beleuchtet Landvolkpräsident Dr. Holger Hennies Wandel und Zukunft.
Seit der Gründung des Landesbauernverbandes am 18. Februar 1947 hat sich die Landwirtschaft in Niedersachsen rasant entwickelt. Die Gründungsväter des Landesverbandes würden sich sicher ungläubig die Augen reiben, was technisch inzwischen möglich ist. Aber sie wären fassungslos angesichts der Flächenextensivierung, Stilllegung, sinkender Tierzahlen, ausufernder Bürokratie, Reduktion von Pflanzenschutzmitteln und Dünger - und der damit einhergehenden vorsätzlichen Senkung der heimischen Lebensmittelproduktion. Damit hätte in den Nachkriegsjahren in Deutschland niemand gerechnet.
Auch Landwirte müssen Verantwortung für Klimaschutz übernehmen
Zugegeben, auch ich reibe mir angesichts der Entwicklungen manchmal ungläubig die Augen. Wir handeln, als gäbe es keinen Hunger mehr in der Welt. Dies ist die eine Seite. Auf der anderen Seite steht unmissverständlich fest: Auch wir Landwirte müssen beim Umwelt- und Tierschutz unseren Beitrag leisten und noch mehr Verantwortung übernehmen. Analog zur Förderung der Elektromobilität oder des Kohleausstiegs brauchen aber auch die Bauernfamilien entsprechende finanzielle Hilfen, um die wirtschaftlichen Einbußen zu kompensieren. Nur so kann der Schritt zu mehr Tier- und Umweltschutz gelingen, ohne den Landwirten die Existenzgrundlage zu nehmen.
Politische Entscheidungen zwingen zur Aufgabe der Höfe
Jeder Umbruch in der Agrarpolitik hat landwirtschaftliche Existenzen gekostet. Auch jetzt ist die Zukunft vieler Betriebe, vor allem der Sauenhalter und Schweinemäster, mehr als unsicher. Die Neuausrichtung der gemeinsamen EU-Agrarpolitik wird den Strukturwandel zudem in der Milchviehhaltung weiter beschleunigen. Es macht mich zornig, dass Bauern wegen unausgegorener und zu wenig faktenbasierter politischer Entscheidungen ihren Hof aufgeben.
Schweinehaltung: Es ist später als fünf vor zwölf!
Wir brauchen heimische Lebensmittel
Die in der Pandemie plötzlich unterbrochenen Lieferketten haben uns die Grenzen der Globalisierung aufgezeigt. Wir brauchen und wir wollen heimische Lebensmittel, denn wir brauchen eine sichere Versorgung und wir wollen die weltweit vorbildlichen Standards in Deutschland.
Regionale Lebensmittel: vor Ort produzieren und vermarkten
Wie sieht die Landwirtschaft in 75 Jahren aus?
Beim Blick in die Zukunft stelle ich mir immer die gleichen Fragen: Wie viele Bauern halten durch, welche Betriebe gibt es auch in 75 Jahren noch und wie wird die Landwirtschaft in Niedersachsen dann aussehen? Woher bekommen wir Planungssicherheit und wie können wir unseren Kindern guten Gewissens zur Hofnachfolge raten?
Gemeinsam stark in die Zukunft
Für die ehrenamtlich engagierten Landwirtinnen und Landwirte und die hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Landesbauernverband, in den Kreisverbänden, in Ausschüssen, Arbeitsgruppen, Diskussionsrunden und nicht zuletzt für die Ortsvertrauenslandwirte in den Dörfern ist der interne Zusammenhalt und der selbstbewusste Auftritt nach außen der Auftrag für die Zukunft. Denn gemeinsam sind wir stark und gemeinsam gehen wir den Wandel an. Mein ganz persönliches Ziel ist es, so viele niedersächsische Bauernhöfe wie möglich auf diesem Weg in die Zukunft mitzunehmen – in lebenswerten ländlichen Räumen.