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Milch oder pflanzliche Drinks? Eine Ernährungsexpertin gibt Auskunft
Pflanzliche Drinks statt Milch? Ein Interview dazu mit Ernährungsexpertin Beate Langenhorst, Landwirtschaftskammer Niedersachsen.
Lange gab es pflanzliche Milchersatzprodukte nur in Reformhäusern und Bioläden. Heute gehören sie wie selbstverständlich zum Angebot von Supermärkten und Discountern. Es gibt inzwischen jede Menge Geschmacksrichtungen. Wir fragten Ernährungsexpertin Beate Langenhorst von der LWK Niedersachsen zu den pflanzlichen Milchersatzprodukten. Diese werden oft auch als Drinks bezeichnet.
Woraus werden die Drinks hergestellt?
Grundzutaten können sein:
- Hülsenfrüchte (vorwiegend Sojabohnen),
- Getreide (Hafer, Reis, Dinkel, aber auch Hirse),
- Pseudo-Getreide (Amaranth, Buchweizen, Quiona),
- Nüsse (Kokosnuss-, Mandeln, Hasel-, Cashew- oder auch Macadamianüsse),
- Mischungen verschiedener Pflanzensorten wie Hafer- Mandel-Reisdrink, Hafer-Soja.
Können Sie den Herstellungsprozess erklären?
Das ist sehr unterschiedlich. Getreide wie Hafer, Dinkel oder Naturreis beispielsweise werden zunächst entspelzt, dann gemahlen und mit Wasser gekocht, sodass eine dickflüssige Masse entsteht. Dann werden Enzyme zugegeben, die die Stärke des Getreides in Zuckerbausteine aufspalten. Der Hinweis „ohne Zuckerzusatz“ ist aber trotzdem korrekt, denn der zum Teil hohe Zuckergehalt der Getreidedrinks entsteht durch enzymatische Stärkespaltung.
Und dann muss alles durchgefiltert werden, oder?
Genau. Die zuückbleibenden, festen Bestandteile dienen unter anderen als Tierfutter. Der durchgefilterten Flüssigkeit wird Öl (häufig Sonnenblumenöl) zugegeben. Dadurch entsteht eine milchige Wasser-Öl-Emulsion. Damit sich beide Bestandteile nicht wieder trennen, wird der Getreidedrink anschließend entweder homogenisiert oder es werden Emulgatoren zugesetzt.
Dann kommen noch Aromen und andere Zusatzstoffe hinein?
Ja, je nach Geschmacksrichtung erhalten die Getränke weitere geschmacksgebende Zutaten, wie zum Beispiel Vanille. Und je nach Produkt werden auch Emulgatoren, Stabilisatoren, Vitamine sowie Salz und Zucker zugesetzt. Alle Getreidedrinks werden vor der Abfüllung entweder pasteurisiert oder ultrahocherhitzt, um die Haltbarkeit zu erhöhen.
Ganz schön aufwendig! Pflanzendrinks zählen also zu den stark verarbeiteten Lebensmitteln, was ja per se schon nicht positiv ist. Können die Drinks denn hinsichtlich der Inhaltsstoffe mithalten?
Nein keinesfalls. Die Nährwertgehalte der Pflanzendrinks variieren je nach Sorte zwar deutlich, sie sind aber keine gleichwertige Alternative zur Kuhmilch. Die Zusammensetzung der pflanzlichen Milchalternativen ist alles andere als optimal. Mit Ausnahme von Sojadrinks enthalten die Pflanzendrinks deutlich weniger Eiweiß als Kuhmilch. Dabei ist nicht nur die Eiweißmenge, sondern auch die Qualität der Eiweiße entscheidend.
Woran liegt das?
Die Pflanzenproteine (mit Ausnahme der Sojabohnen) weisen eine deutlich niedrige Eiweißqualität als Kuhmilch auf. Deshalb und wegen der geringen Nährstoffdichte sind pflanzliche Milchalternativen zum Beispiel zur Säuglingsernährung inklusive Beikost ungeeignet.
Und wie sieht‘s beim Fettgehalt aus?
Der ist deutlich niedriger als der der Vollmilch, es überwiegen vor allem die ungesättigten Fettsäuren. Spannend ist die Neubewertung der gesättigten Milchfette durch das Max Rubner Institut (MRI) als Bestandteil komplexer Lebensmittel wie Milch und Milchprodukte. So minimiert Milchkonsum laut MRI das Risiko für Herz- und Kreislauferkrankungen und Schlaganfall.
Können sie denn bei den Kohlenhydraten punkten?
Auch nicht: Hier gibt es eine große Schwankungsbreite, je nach Zusammensetzung. Während ungesüßte Soja- und Nussdrinks weniger Zucker als Milch enthalten, liegt der von Getreidedrinks aufgrund der Herstellungsweise deutlich darüber. Zudem werden vielen Drinks Zucker, Fruktose und anderes zugesetzt.
Und bei Vitaminen und Mineralstoffen?
Hier gibt es große Unterschiede, je nachdem ob die Drinks mit Kalzium, die Vitamine B2, B12 und Vitamin D angereichert wurden. Im Unterschied zu Milch enthalten sie diese nämlich von Natur aus nicht oder nur in sehr geringen Mengen. Spannend ist auch die Frage der Bioverfügbarkeit der Zusatzstoffe, also wie der Körper zugesetzte Vitamine aufnimmt und verwertet.
Und was bedeutet all das ernährungsphysiologisch?
Ernährungsphysiologisch sind Pflanzendrinks keine gleichwertige Alternative zur Kuhmilch. Wird Milch ohne das nötige Hintergrundwissen einfach durch Pflanzendrinks ersetzt, kann das zu Nährstoffmangel führen – insbesondere bei den Mineralstoffen Kalzium und Jod sowie den Vitaminen B2 und B12.
Warum heißen diese Getränke eigentlich Drink?
Eine Kennzeichnung als „Milch“ ist für pflanzliche Milchersatzprodukte nicht zulässig, da der Begriff gesetzlich geschützt ist. Das Milch- und Margarinegesetz definiert Milch als das durch Melken gewonnene Erzeugnis der normalen Eutersekretion von Tieren, die zur Milcherzeugung gehalten werden. Einzige Ausnahme bildet die Kokosmilch.
Aus Ihren Antworten folgere ich, dass Sie Pflanzendrinks nicht als Alternative wählen würden.
Stimmt, sie finden keinen Platz auf meinem Speiseplan, denn sie sind keine gleichwertige Alternative. Es gibt die unterschiedlichsten Gründe, warum Verbraucher zu Pflanzendrinks greifen: Verzicht auf alle tierischen Produkte, Umweltaspekte, Allergien. Viele tun dies aber auch, weil sie glauben, pflanzliche Milchalternativen seien gesünder als Kuhmilch. Dem ist mitnichten so. Ihre Zusammensetzung ist alles andere als optimal. Sie können Milch und Milchprodukten ernährungsphysiologisch nicht das Wasser reichen.
Worauf Allergiker achten müssen, ob man besser Bio-Drinks kaufen sollte und wie der Preisvergleich ausfällt, lesen Sie in der LAND & FORST 02/20.