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Aktionstag: „Landwirtin für einen Tag“ voll mit eingebunden
Kälber einstreuen, Eier aufsammeln und den Zaun für die Kühe weiterstecken: Luisa Schmitz war in Fischerhude „Landwirtin für einen Tag“.
Beide tragen grüne Arbeits-Latzhosen und kniehohe Gummistiefel, die Ärmel der Pullover sind hochgekrempelt, ihr Blick ist konzentriert. „Stramm halten“, lautet die Anweisung, dann geht es los, Meter um Meter stapfen die beiden Frauen weiter ins hohe Gras.

Auch das gehört dazu: Landwirtin Regina Puvogel (links) zeigt Luisa Schmitz, wie alle Daten ins System eingetragen werden. © Imke Harms
Landwirtin für einen Tag in Fischerhude
Auf den ersten Blick könnten Laien sicherlich nicht erkennen, wer hier die Landwirtin und wer die Praktikantin ist. Regina Puvogel (31) aus Fischerhude steckt gerade die Stromlitze auf der Weide ihrer Trockensteher-Kühe weiter. Und heute hat sie tatkräftige Unterstützung von Luisa Schmitz (41), die sich bei dem Aktionstag „LandwirtIn für einen Tag“ beworben hatte – und auch angenommen wurde. Der Aktionstag wird bundesweit ausgerichtet. In diesem Jahr haben am 13. Mai insgesamt 60 Interessierte auf 55 Höfen und Betrieben daran teilgenommen, wie auf der Webseite „Forum Moderne Landwirtschaft“ nachzulesen ist.
Ziel ist es, dass Personen, die sonst wenig Berührungspunkte mit der Landwirtschaft haben, einen Eindruck davon bekommen, wie der Alltag auf einem Hof aussieht. Wie nachhaltig arbeitet die moderne Landwirtschaft? Wie sieht heutzutage die Tierhaltung aus? Welche Maschinen kommen zum Einsatz?

Beschwingt an die Aufgaben: Landwirtin Regina Puvogel (rechts) hat sich angeboten, bei dem Aktionstag „LandwirtIn für einen Tag“ dabei zu sein. Luisa Schmitz hat einen Tag in Fischerhude auf dem Betrieb verbracht und mit angepackt. © Imke Harms
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Der Landwirtschaft verbunden
Für Luisa Schmitz sind landwirtschaftliche Abläufe nicht ganz fremd. Sie und ihr Mann haben vier Pferde, für eine Zeit lang haben sie diese auch in Eigenregie gehalten und auch heute noch stehen die Tiere in einerm Selbstversorger-Stall: Eine Mistgabel zu halten, ist also nichts Neues für die 41-Jährige. Auch ihr Mann hat eine Weile für einen Lohnunternehmer gearbeitet. „Ich bin häufiger mitgefahren und habe mir die Abläufe angeschaut. Als ich auch Facebook von dem Aktionstag erfahren habe, dachte ich mir: Super Gelegenheit, ich will auch mal selbst mit anpacken.“
Beruflich ist sie sonst bei einem Campingplatz als Rezeptionistin tätig, arbeitet viel am Computer.
Kontrastprogramm: Landwirtschaft statt Rezeption
Heute also Kontrastprogramm. Regina Puvogel bindet Luisa Schmitz in alle Abläufe ein, erklärt, zeigt, begründet. Auf dem Hoftrac lernt die „Landwirtin für einen Tag“, wie sie den Kühen das Futter vorschiebt, außerdem, wie sie Stroh in die Schaufel laden und bei den Kälbern in die Boxen streuen kann. Beim Melk-Roboter wechseln die Frauen gemeinsam die Zitzengummis, auch einen Schalmtest bei zwei Kühen führen sie durch, um den Zellgehalt der Milch zu überprüfen.
Mit Drohne Rehkitze suchen
Später steht noch an: Kontrolle des Lupinenbestandes, Rinder austreiben – und war nicht auch noch beim Trecker etwas abzuschmieren? Die nächsten Tage werden lang, Gras mähen und dann Silo fahren steht auf dem Plan, vorher werden die Flächen gemeinsam mit einer Expertin samt Drohne auf Rehkitze abgesucht. „Als ich hier heute ankam, waren alle gleich supernett, es geht hier sehr familiär und offen zu, das gefällt mir richtig gut“, sagt Luisa Schmitz.
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Der Hof Puvogel in Fischerhude
Regina Puvogel ist Landwirtschafts-Meisterin und auf dem Familienbetrieb in Fischerhude aufgewachsen. Seit Juli 2022 ist sie die Betriebsleiterin und hat den Hof vom Vater (58) übergeben bekommen. Gemeinsam mit ihrem Partner und dem gemeinsamen knapp 2,5 Jahre alten Sohn lebt sie im Altenteiler auf dem Hof, ihre Eltern mit ihrem Cousin Tristan im großen Bauernhaus. Der 23-jährige Betriebswirt ist seit November Teil des Teams.
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Berufswunsch: Landwirtin aus Leidenschaft
Dass Regina Puvogel den Hof eines Tages wirklich übernimmt und in der mittlerweile sechsten Generation bewirtschaftet, war aber nicht immer so klar: „Ich hatte das Gefühl, dass mein Weg so vorgezeichnet ist. Ich musste hier eine Weile raus. Ich wollte herausfinden, ob ich vielleicht einen anderen Beruf machen möchte.“ Nach der Meisterschule macht sie also noch eine Ausbildung als Groß- und Außenhandelskauffrau bei Mager und Wedemeyer in Oyten, danach arbeitet sie für rund anderthalb Jahre beim Landvolk im Büro, hilft Betrieben, sich zu digitalisieren. „Und dann habe ich gemerkt: Ich komm nicht los von der Landwirtschaft, weil es eben mehr ist als ein Beruf. Ich liebe das Leben mit den Tieren und auf dem Land, finde es toll, das an meinen Sohn weitergeben zu können“, schwärmt die 31-Jährige. Dennoch: „Ich bin sehr dankbar für die Zeit als Arbeitnehmerin, sonst wüsste ich nicht, ob ich heute genauso glücklich wäre.“
Der Antrieb: Gesunde Lebensmittel herstellen
Diese Leidenschaft will sie weitergeben, daher kommt auch die Motivation, sich bei dem Aktionstag als Betrieb anzubieten. „Ich habe mir das vorgestellt wie den Zukunftstag für Erwachsene. Ich möchte zeigen, wie unser Alltag aussieht, wie wir Lebensmittel herstellen und mit welcher Komplexität und welchen Hintergedanken wir Landwirtschaft betreiben,“ beschreibt die 31-Jährige. Bei Luisa kommt das gut an, sie ist nach dem Tag in Fischerhude zwar ein bisschen müde (und auch dreckig), aber sehr zufrieden. „Mir hat dieser Einblick sehr gut gefallen. Wer weiß, vielleicht steige ich ja doch nochmal ein bisschen in die Landwirtschaft ein…“