So sah es in einem Klassenzimmer der Kaiserzeit aus – und hier finden heute die historischen Unterrichtsstunden statt.

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Antje Wilken | am

Zeteler Schulmuseum: Zurück ins Klassenzimmer von einst

Tintenfass und Kittelschürzen, Disziplin und Prügelstrafe: Eine Reise zurück in die "gute alte Schulzeit" im Zeteler Schulmuseum offenbart überraschende Erkenntnisse.

Schön nostalgisch – so ist der erste Eindruck beim Blick ins Klassenzimmer aus der Kaiserzeit um 1910 mit Dielenboden, Pulten und Bänken aus Holz. Auf jedem Tisch liegen Feder und Tintenfass oder Schiefertafel samt Griffel und gehäkeltem Wischtuch bereit. Fast meint man zu hören, wie Mädchen und Jungen im Chor ihren Lehrer begrüßen. Denn so war es früher – und so ist es noch heute bei historischen Unterrichtsstunden im Nordwestdeutschen Schulmuseum in Zetel (Landkreis Friesland). 

Viele Kinder kamen aus Kleinbauernfamilien

Das Zeteler Schulmuseum besitzt mit rund 5.000 Stück eine enorme Sammlung von Schulwandbilder, die als Unterrichtsmaterial dienten: „Sicher die zweitgrößte in Deutschland“, schätzt Heike Ahlborn, die Leiterin des Schulmuseums. Zu sehen sind jeweils etwa 40 Bilder, die regelmäßig ausgetauscht werden. Auffällig ist, dass sich viele der Bildertafeln um die Landwirtschaft drehen. „Ein Großteil der Kinder, die früher hier in die Schule gingen, kam aus Kleinbauernfamilien“, erklärt sie. Für die Kinder lag es also nahe, mehr über den Körperbau des Huhns, das Wachstum des Weizens oder die Nährstoffe einer Kartoffel zu erfahren.

Tafel waren das Unterrichtsmaterial von damals.
3-Blaudruckerei-Bottich

Eine Schule vor dem Vergessen gerettet

Die Grund- und Volksschule im Örtchen Bohlenbergerfeld, die heute das Museum beheimatet, wurde 1903 begründet. „Ende des 19. Jahrhunderts siedelten sich hier immer mehr Kleinbauern an, und so brauchte es eine Schule“, sagt Heike Ahlborn. Zunächst wurden in der Grundschule in Bohlenbergerfeld bis zu 75 Kinder zusammen in einem Raum unterrichtet – von der 1. bis zur 4. Klasse. Später wurde aus der Grundschule eine Volksschule bis zur 8. Klasse. „Danach gingen die Jungen in die Lehre und die Mädchen ‚in Stellung‘, wie man es damals nannte“, erzählt Heike Ahlborn. Denn das Schulgeld für die weiterführende Schule konnten sich nur die wenigsten Eltern leisten.

Die Schulranzen von damals sind deutlich schwerer als heute.

Historische Unterrichtsstunde erleben

Mitte der 1970er Jahre wurden viele Landschulen geschlossen und zu Mittelpunktschulen im nächstgrößeren Ort zusammengeführt. 1975 traf es auch die kleine Schule in Bohlenbergerfeld. Bereits 1977 war jedoch die Gründung eines Schulmuseums im Gespräch, auf Initiative des Zeteler Lehrerpaars Bodo und Ursel Wacker hin. Sie wollten verhindern, dass die alten Lehr- und Lernmittel sowie die Schuleinrichtung einfach auf dem Müll landeten. 1978 war das Museum beschlossene Sache. Regelmäßig kommen seitdem Schulklassen, aber auch erwachsene Besucher her. Der Clou ist die Teilnahme an einer historischen Unterrichtsstunde, geleitet von „Lehrkräften“, die sich zu diesem Anlass im Stile der jeweiligen Zeit ausstaffieren. Sechs Ehrenamtliche übernehmen diese Aufgabe – einer davon kann sogar aus eigenem Erleben von der Vergangenheit der Schule erzählen. „Er ist hier im Haus aufgewachsen“, sagt Heike Ahlborn. „Sein Vater war Lehrer an der damaligen Volksschule Bohlenbergerfeld und hat mit seiner Familie in der Lehrerwohnung gelebt.“

Mit der über 100 Jahre alten Fügemaschine
fertigt Christoph Krogemann aus Holzbrettern Dauben – die Längshölzer von Fässern.

Enge Bänke und Strafen mit dem Rohrstock

Und wie fühlt es sich nun an im "kaiserlichen" Klassenzimmer am hölzernen Pult zu sitzen? Aua! Viel Platz für die Knie ist da nicht, zumal sich Tisch und Bank nicht auseinanderschieben lassen. Aber es sich gemütlich machen, das durften die Kinder zu jener Zeit sowieso nicht. „Wenn sie nicht artig waren, wurden sie mit dem Rohrstock geschlagen, und das nicht wenig“, sagt Heike Ahlborn. „Auch wer zum Beispiel beim Rechnen oder Vorlesen versagte, wurde bestraft.“ Jungen bekamen Stockschläge auf den Hosenboden, Mädchen auf die Finger. „Gerade die Kinder von heute, also die Schulklassen, die zu uns ins Museum kommen, sagen nach einer historischen Unterrichtsstunde oft, dass sie froh sind über die heutige Schule“, weiß Ahlborn. 

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