Ende vergangenen Jahres hat der Lebensmittelhersteller Homann sein Werk in Dissen im Landkreis Osnabrück geschlossen. Nun wurde bekannt, dass der Konzern mehrere Tonnen an Lebensmitteln vernichtet hat. Warum?
Zum Jahreswechsel hatte Homann seinen ehemaligen Hauptstandort in Dissen wegen betriebswirtschaftlicher Gründe geschlossen. Über 100 Jahre lang wurden hier Feinkostsalate produziert. Rund 390 Mitarbeiter verloren durch die Schließung ihre Arbeit. Laut Berichten der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ) hat der Lebensmittelhersteller zum Jahreswechsel 137 Tonnen Lebensmittel vernichtet.
Homann vernichtet 80 Tonnen Mayo
Darunter sollen 80 Tonnen Mayonnaise fallen, 41 Tonnen Fleischwust und 16 Tonnen Eier, so die NOZ. All diese Lebensmittel, die noch nicht abgelaufen gewesen seien, seien vernichtet worden, berichten ehemalige Beschäftigte von Homann. "Die Eier landeten in Containern", heißt es von ihnen. Über diese Lebensmittelverschwendung sind die Ex-Mitarbeiter enttäuscht: "Das hätte man doch alles noch im Homann-Werk in Bad Essen oder bei den neuen Inhabern der Salatsparte von Signature Foods verarbeiten können. Oder man hätte es einer Tafel geben können." Die Firma Signature Food aus den Niederlanden hatte die Salatsparte von Homann im vergangenen Jahr übernommen.
Verkaufsgerüchte um Tönnies
Müller-Gruppe bestätigt Lebensmittelvernichtung
Auf Anfrage der NOZ bestätigte sogar ein Sprecher der Müller-Gruppe, zu der Homann gehört, dass die Mengen stimmen. "Kein Unternehmen kauft Rohwaren, um sie anschließend zu vernichten", so Sprecher Alexander Truhlar. "In den von Ihnen angesprochenen Fällen war dies trotz aller Bemühungen leider nicht vermeidbar. Wir haben auf Basis unserer Planung Rohwaren mit entsprechend notwendigen Vorläufen und Mindestabnahmemengen bestellt." Jedoch sei es nicht möglich gewesen, die Waren bis zur Werksschließung Ende 2021 zu verbrauchen. Als Gründe nennt Truhlar hier kurzfristige Absatzrückgänge der Feinkostsalate sowie coronabedingte Produktionsausfälle.
Mindesthaltbarkeitsdatum bei den Frischwaren abgelaufen?
Homann habe jedoch diverse Handlungsoptionen geprüft und auch einige umgesetzt. Darunter die Verwendung von Produkten an anderen Standorten, die Rückgabe an Lieferanten sowie den Abverkauf an den neuen Eigentümer und weitere Lebensmittelhersteller. "Die von Ihnen genannten Mengen stellten letztlich nur einen kleinen Teil der durch uns sinnvoll weitervermarkteten Rohwaren dar. Mehr war insbesondere auf Grund kurzer Mindesthaltbarkeiten bei den frischen Rohwaren nicht möglich", lautet die Begründung aus der Müller-Zentrale. Unklar bleibt jedoch weiterhin, warum die Mayo nicht einfach im Bad Essner Werk abgefüllt wurde und 16 Tonnen Eier in den Müll wanderten.

Im ehemaligen Homann-Werk in Dissen sind 16 Tonnen Eier in den Müll gewandert. Das sind rund 230.000 Eier. Warum? © IMAGO / VWPics
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Spende an Tafeln lebensmittelrechtlich unmöglich?
Von der Müller-Gruppe heißt es zudem, dass die Weitergabe an Einrichtungen wie die Tafeln oder andere Hilfsorganisationen untersucht worden sei. Allerdings sei diese aufgrund nicht für den Endverbraucher deklarierter Rohwaren lebensmittelrechtlich unmöglich gewesen. Die Abgabe von Rohwaren an Hilfsorganisationen unterliegt in Deutschland tatsächlich strengen Richtlinien. So dürfen keine offenen Frischwaren, Reste von Buffets oder Salate angenommen werden. Auch die Abgabe großer Gebinde, wie hier im Fall Homann, ist schwierig. Außerdem ist es nicht erlaubt, Lebensmittel zu öffnen und umzufüllen.
Hürden bei der Abgabe von Lebensmitteln
"Auch hier gibt es rechtliche und praktische Hürden", weiß Anna Verres, Pressesprecherin der Tafel Deutschland in Berlin. "Aber was soll eine Familie mit einem Zehn-Liter-Eimer Sahne?" Und was ist mit den 230.000 Eier, die im Müll gelandet sind? "Ab einer Frist von 21 Tagen ab Legedatum dürfen rohe Eier nicht mehr an Endverbraucher weitergegeben werden, wohl aber verarbeitet, also gekocht oder gebacken werden." Zudem sei die Weitergabe von Eiern, die nicht gestempelt und zusammen mit anderen Lebensmitteln gelagert wurden, sogar untersagt. Bei den weiteren übrig gebliebenen Lebensmittel sieht Verres ein ähnliches Problem: die unglaubliche Menge. Die Tafeln hätten einen erheblichen zeitlichen Vorlauf benötigt, um die Eier fristgerecht verteilen zu können. Trotzdem, laut NOZ-Informationen habe Verres nichts von einer Spendenanfrage von Homann an die Tafeln gewusst.
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Osnabrücker Tafel entsetzt
Auch bei Hermann Große Marke, Vorsitzender der Osnabrücker Tafel, ist keine Anfrage des Lebensmittelherstellers eingegangen. "Dafür haben Menschen gearbeitet, dafür wurden Ressourcen verschwendet", so Große Marke entsetzt. Wenigstens einen Teil der Eier hätte er gerne abgenommen und an die Tafeln im Kreis verteilt.