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Cuxhaven: Wolf reißt Rind - die betroffene Landwirtin berichtet
Ein rund 450 kg schweres Angusrind soll in Cuxhaven Opfer eines Wolfsangriffes geworden sein. Die Tierhalter vor Ort sehen für die Weidetierhaltung so keine Zukunft.
Die Schaf- und Rinderhalter in Cuxhaven sehen die Zukunft der Weidetierhaltung durch den Wolf in Gefahr. Kürzlich sorgte der Riss eines rund 450 kg schweren Angusrindes im Ortsteil Arensch für Aufsehen. Landwirtin Ada Fischer fand das Tier an einem Morgen Mitte November tot auf der Weide mit Kratz- und Bissverletzungen am ganzen Körper und einem gebrochenen Fersenbein.
„Es waren deutliche Kampfspuren zu sehen. Wahrscheinlich hat sich das Rind lange gewehrt, aber mit dem gebrochenen Bein hatte es keine Chance mehr“, vermutet Fischer. Dass ein Wolf für den Riss verantwortlich ist, sei mittlerweile amtlich bestätigt.

Das rund 450 kg schwere Angusrind hatte Kratz- und Bissspuren am ganzen Körper und ein gebrochenes Fersenbein. Mittlerweile ist amtlich bestätigt, dass ein Wolf für den Riss verantworlich ist. © Fischer
Auch Schafe wurden getötet
Auf ihrem Biolandbetrieb war es der erste Riss, doch in der Nähe seien kurz zuvor bereits zwei Schafe gerissen worden. Zwei Tage später habe es einige Coburger Fuchsschafe im benachbarten Berensch getroffen, die sogar durch einen wolfsabweisenden Zaun geschützt gewesen seien.
„Ich bin nicht die einzige Betroffene“, betont Fischer. Dementsprechend versammelten sich vergangene Woche Landwirte, Schafhalter und Jäger aus dem Umfeld für eine Mahnwache und einen Termin mit der Lokalpresse auf dem Deich. Sie alle fürchten um die Zukunft ihrer Weidetierhaltung.
Angst vor weiteren Angriffen durch den Wolf
Fischer hat ihre Rinder jetzt aufgestallt. Den Winter verbringen die 25 Mutterkühe, die Nachzucht und die Ochsen sonst auch im Laufstall, aber nun hat sie die Tiere aus Angst vor einem weiteren Angriff früher als sonst in den Stall geholt und lässt sie auch nicht mehr in den Auslauf am Hof.
„Bisher haben wir keine Wölfe auf dem Hof gesehen, aber ich habe ein ungutes Gefühl“, erzählt sie. Viele Menschen in der Gegend würden sich inzwischen unbehaglich fühlen, wenn sie in der Dämmerung das Haus verlassen.
Wichtig ist für Fischer und die anderen Weidetierhalter, dass sich im Laufe des Winters etwas ändert, sodass sie ihre Tiere im Frühjahr wieder auf die Weide treiben können. „Wenn wir nicht eingreifen und die Wolfspopulation weiterwächst, ist das Konzept Weidetierhaltung nicht aufrecht zu halten“, ist sie überzeugt.
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Weidehaltung und Artenvielfalt den Wölfen opfern?
Das hätte schwerwiegende Folgen. „Die Artenvielfalt leidet, wenn wir keine Tiere mehr raustreiben. Die Kuhfladen sind Kinderstube für Insektenlarven und Nahrungsquelle für die Vögel. Will man diese Vielfalt den Wölfen opfern?“
Mit der Frage, wie man Wolf und Weidehaltung in Einklang bringen kann, beschäftigt Fischer sich schon seit Jahren. Unter anderem hat sie an einem Positionspapier des Biolandbundesverbands zum Thema mitgearbeitet und engagiert sich im Arbeitskreis Wolf der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen (GEH) Elbe-Weser.
Schutzzaun gegen den Wolf: Nicht praktikabel
Einen Schutz durch Zäune hält sie in ihrem Fall und für viele andere Betriebe, gerade in den Küstenregionen, für nicht praktikabel. Ihre Weiden, nahezu 50 Hektar, liegen im sturmflutgefährdeten Gebiet und Zaunbau und -pflege wäre mit den alten Prielen, Unebenheiten und nassen Böden extrem arbeitsintensiv. Zudem hätten auffällige Wölfe derartige Zäune bereits überwunden.
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Koexistenz mit auffälligen Wölfen nicht möglich
Für Fischer führt an einer Regulierung der Wolfsbestände und an Höchstgrenzen wie in anderen Ländern kein Weg vorbei – spätestens jetzt, mit verhaltensauffälligen Wölfen, die keine Scheu vor dem Menschen haben und größere Tiere wie Rinder angreifen. „Wir hatten schon öfter Wolfsspuren hier am Außendeich. Aber jetzt haben wir verhaltensauffällige Wölfe. Mit ihnen ist keine Koexistenz möglich.“
Emotionales Leid der Tierhalter
Neben wirtschaftlichen und züchterischen Verlusten geht es für Fischer auch um das emotionale Leid der Tierhalter. Dafür würde sie sich mehr Bewusstsein wünschen. Dass eines ihrer Tiere so grausam getötet wurde und sie das trotz häufiger Tierkontrollen nicht verhindern konnte, beschäftigt sie auch zwei Wochen nach dem Riss. „Die Natur kann grausam sein. Der Mensch muss sie und uns vor dem exponentiellen Wachstum der Wolfspopulation schützen.“