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Studie zu Arbeitsbedingungen im Spargelanbau und in Schlachthöfen
Die Arbeitsbedingungen für Saisonarbeitskräfte im Spargelanbau und bei Angestellten in Schlachthöfen stehen wieder in der Kritik.
Sowohl die Arbeitsbedingungen im Spargelanbau, als auch die in den Schlachthöfen stehen immer wieder in der Kritik. Trotz gesteigertem Mindestlohn und dem Verbot von Werkverträgen in der Fleischindustrie gibt es weiter unhaltbare Zustände. Das berichten die deutsche Presseagentur (dpa) und der NDR mit Bezug auf Mitteilungen der Entwicklungsorganisation Oxfam und der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG).
Vorwurf: Mindestlohn wird in der Realität unterlaufen
Laut einer Studie von Oxfam sind die Arbeitsbedingungen für Saisonarbeiter im Spargelanbau in Deutschland teilweise immer noch „unhaltbar“. „Löhne werden systematisch gedrückt, viele Arbeiter sind mit einer kaum durchschaubaren Kombination aus Stunden- und Akkordlöhnen konfrontiert und berichten von schwer oder gar nicht erreichbaren Zielvorgaben“, sagte eine Oxfam-Sprecherin der dpa. „Das sind keine Einzelfälle“, wird Benjamin Luig von der Initiative Faire Landarbeit, die an der Studie beteiligt war, zitiert. Beschäftigte klagten regelmäßig über falsche Angaben bei der Arbeitszeiterfassung, wodurch sie mehr arbeiten müssten, aber nicht mehr bezahlt bekämen. Laut Sebastian Zöppel, Sekretär der Gewerkschaft NGG, komme es auch bei Schlachthöfen zu unbezahlten Überstunden. Auch wenn es seit 2021 keine Werkverträge mehr gebe und sich die Großschlachthöfe daran hielten, werden so die Mindestlöhne unterlaufen.
Unterbringung der Saisonarbeitskräfte im Spargelanbau teilweise skandalös
Hinzu komme laut der Oxfam-Sprecherin das Problem hoher Lohnabzüge durch überhöhte Mieten für Gemeinschaftsunterkünfte. „Für eine Baracke ohne Küche verlangt einer der Betriebe 40 Euro pro Quadratmeter. Die durchschnittliche Kaltmiete in der Münchner Innenstadt liegt bei 23 Euro“, sagte Steffen Vogel, Oxfam-Referent für globale Lieferketten und Menschenrechte im Agrarsektor. Einen Betrieb in Brandenburg bezeichnete Oxfam als „skandalös“.
Arbeitnehmer „zweiter Klasse“? Bessere Bedingungen für Saisonarbeiter
Unterkünften der Arbeiter der Schlachthöfe haben sich verbessert
Doch es gibt auch positive Entwicklungen. In Goldenstedt beispielsweise habe sich bei den Unterkünften vieles gewandelt. Jedoch: Wohnungen seien vielfach an die Arbeitsverträge gebunden, berichtet Sebastian Zöppel, Sekretär der Gewerkschaft NGG in Osnabrück. Die früheren Werkvertrags-Subunternehmer seien heute als Vorarbeiter in die Schlachthöfe eingegliedert. Sie würden ihre Untergebenen einschüchtern und damit drohen, ihnen das Wohnverhältnis zu kündigen. So erpressten die Unternehmen unbezahlte Überstunden. Die Gewerkschaft habe im vergangenen Jahr 49 Verfahren in der Region Osnabrück geführt.
Die Oxfam-Studie fokussiert auf Einzelfälle - Verbände weisen Vorwürfe gegen Spargelanbauer zurück
Nach der Veröffentlichung der Studie gibt es aber auch Gegenwind von den Verbänden: „Saisonarbeiter erhalten in Deutschland mindestens einen Stundenlohn von 12 Euro, häufig sogar deutlich mehr“, sagte beispielsweise der stellvertretende Generalsekretär des Bauerverbandes Udo Hemmerling. Zudem böten die Versicherungen den Saisonarbeitskräften eine gute Absicherung.
Die Oxfam-Studie spiegele lediglich Einzelfälle wider, befand Frank Saalfeld, Geschäftsführer des Verbandes der Ostdeutschen Spargel- und Beerenobstanbauer e.V. Sie beziehe sich häufig auf einen Betrieb aus dem Spreewald, der bereits in den Vorjahren negativ aufgefallen war. Dieser wurde bereits vor der Pandemie aus dem Verband ausgeschlossen. Häufig arbeiteten Saisonarbeitskräfte seit vielen Jahren im gleichen Betrieb. Mindestlohnzahlungen und eine Krankenversicherung für die Saisonkräfte seien für die Betriebe verpflichtend, führte Saalfeld aus. Der überwiegende Großteil der Betrieb halte sich auch daran.
Saisonarbeit und Erntehelfer: "Betriebe bieten gute Arbeitsbedingung"
Fleischbetriebe weisen Vorwürfe zurück - Vielzahl der Unternehmen hält die Regeln ein
Auch die Fleischbetriebe wollen die Vorwürfe nicht auf sich sitzen lassen. Nach Angaben des NDR hatte dieser mehrere der beschuldigten Schlachthöfe kontaktiert. Die Firma Westcrown gab an, der raue Ton und unbezahlte Mehrarbeit seien Fehlinformationen. Die meisten Mitarbeiter würden in selbst gemieteten Wohnungen leben. Ähnlich stellt es die Steinemann Holding dar, gefragt nach ihrem Schlachthof in Georgsmarienhütte (Landkreis Osnabrück). Der Fleischkonzern Tönnies mit Standorten unter anderem in Badbergen (Landkreis Osnabrück) und Sögel (Landkreis Emsland) wollte keine Auskünfte geben.
Gerichtsurteil: Keine Lohn-Entschädigung für Tönnies und Westfleisch
Fleischwirtschaft ist bei Kontrollen nicht auffälliger als andere Wirtschaftsbereiche
Zuständig für die Kontrollen in den Schlachthöfen ist neben den Gewerbeaufsichtsämtern der Zoll. Der Erfahrung nach sei die Fleischwirtschaft „nicht auffälliger als andere Wirtschaftsbereiche“, berichtet der Leiter des Hauptzollamts Osnabrück, Thomas Möller. Die Zahl der Hinweise auf Verstöße sei in den vergangenen Jahren erheblich gesunken, sowohl von Seiten der Beschäftigten als auch anderer Behörden.
Supermärkte sind mitverantwortlich für Arbeitsbedingungen im Spargelanbau
Oxfam sieht die Verantwortung auch bei den deutschen Supermärkten. Diese bezahlten für Spargel „ruinös niedrige Preise“. Oxfam fordert deshalb, dass der Einkauf unter Produktionskosten verboten wird.