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Ratgeber: So ticken Kühe – zehn Tipps für Sicherheit im Rinderbetrieb
Wer weiß, wie Rinder sich verhalten, kann das im Umgang mit den Tieren berücksichtigen und das Unfallrisiko erheblich reduzieren.
In der Rinderhaltung gibt es zahlreiche meldepflichtige Unfälle. Einige davon verlaufen tödlich. Viele kritische Situationen im Stall oder auf der Weide kann man vermeiden, wenn man weiß, wie sich Rinder verhalten und dieses Wissen im Umgang mit den Tieren einsetzt. Hier sind einige Tipps.
1. Ruhe ausstrahlen
Die Basis für ein erfolgreiches Management in der Milchvieh- und Rinderhaltung ist der Umgang mit den Tieren. Ruhe ist die erste Tierhalter-Pflicht. Stress beim Tierhalter überträgt sich schnell auf das Tier. Sie sollten ruhig mit den Tieren zu arbeiten und hektische Bewegungen, Schlagen oder Zeitdruck vermeiden.
Körperkontakt und die Berührung spezieller Punkte am Körper können beruhigend wirken. Das sind beispielsweise die Haarwirbel auf der Wirbelsäule, die Augenlider sowie die Ohrwurzel.
2. Druck gezielt einsetzen
Kühe benötigen allerdings auch eine klare Ansage. Durch den gezielten Aufbau und Entzug von Druck können Sie die Tiere lenken. Angst ist dabei ein schlechter Ratgeber, aber Respekt ist notwendig.
Folgende Grundregeln sollten Sie beachten:
- Rinder wollen sehen, wer sie treibt.
- Sie wollen in die Richtung gehen, in die sie schauen.
- Auf jede Bewegung des Menschen folgt eine Bewegung des Tieres.
- Rinder haben meist wenig Geduld und können sich nur auf eine Sache gleichzeitig konzentrieren.
Bei der Betrachtung des Rindes als Fluchttier hilft ein „Zonenkonzept“. Je nachdem, in welcher Zone man sich befindet, wie weit und aus welcher Richtung man sich dem Tier nähert, kann man es in eine gewünschte Richtung treiben, drehen oder bremsen. Die Zonen sind allerdings bei jedem Tier anders: Eine Aktion kann die eine Kuh mit drei Metern Abstand noch gar nicht interessieren, während sie bei einer anderen Kuh schon zur Flucht führt.
3. Für geregelte tägliche Abläufe sorgen
Tägliche Abläufe sollten möglichst konstant sein. Das entspannt die Tiere und ermöglicht sicheres Arbeiten. „Gute Langeweile ist das Beste für jede Kuh!“, so Manfred Eggers von der SVLFG.
4. Die Sinneswahrnehmungen von Rindern verstehen, um Gefahrenquellen einzuschätzen
Wie sehen Rinder?
- Durch die seitliche Anordnung ihrer Augen haben Rinder einen sehr engen Sichtwinkel.
- Sie können nur zehn Meter weit klar sehen. Allerdings nehmen sie noch über eine Entfernung von sechs Metern eine Handbewegung von nur einem Millimeter wahr.
- Sie sehen keine fließenden Bewegungen, sondern nur einzelne Bildfolgen. Daher lösen hektische Armbewegungen leicht Stress oder Angst aus.
- Die Hell-Dunkel-Anpassung dauert bei Rindern fünfmal länger als beim Menschen. Daher sollten Treibgänge immer gut ausgeleuchtet sein.
Wie hören Rinder?
- Rinder können Geräusche lokalisieren.
- Sie sind empfindlich gegenüber lauten, schrillen und quietschenden Geräuschen.
- Sie können Geräusche unterscheiden und bekannte Töne und Stimmen identifizieren und einordnen.
- Beim Herantreten an die Rinder sollte man sich mit ruhiger Stimme bemerkbar machen.
Wie riechen Rinder?
- Rinder haben einen ausgeprägten Geruchssinn.
- Sie erkennen ihren Tierhalter oder andere Personen am Geruch.
- Auf unbekannte Gerüche reagieren sie sensibel.
- Ausscheidungen enthalten „Botenstoffe“ und können zu Ablehnungs- und Fluchtreaktionen führen. Des Weiteren können chemische Signale Herdenmitglieder warnen, zum Beispiel im Klauenpflegestand.

© jan-gerd ahlers
5. Aufmerksam bleiben und nicht allein arbeiten
Nicht immer gelingt ein entspannter Umgang mit den Rindern. Daher müssen Sie die Tiere genau beobachten und sich aufmerksam durch die Herde bewegen. Machen Sie sich bewusst: Alles, was Tierhalter wollen, ist ein Störfaktor für die Vierbeiner – Ohrmarken einziehen, Klauenpflege, impfen und verladen. Es sollten immer mehrere Personen anwesend sein.
Bei freilaufenden Deckbullen sollten Sie bereits auf erste Anzeichen von Imponiergehabe oder Aggressionen reagieren und sie gegebenenfalls frühzeitig aussortieren.
6. Fluchtmöglichkeiten schaffen
Im Stall können Sie durch Lücken im Fressgitter oder Aussparungen in Trennwänden Fluchtmöglichkeiten vor angreifenden Tieren schaffen. Diese müssen so gestaltet sein, dass Sie den Gefahrenbereich ohne Aufwand sofort sicher verlassen können. Auch auf der Weide sind „Fluchtinseln“ wie Trecker, Futterraufen oder Baumgruppen wichtig.
7. Tiere fixieren
Jedes Tier muss jährlich fünf bis sieben Mal fixiert werden, um Behandlungen durchzuführen, Ohrmarken nachzuziehen oder Impfungen aufzufrischen. Das betrifft nicht nur den Tierhalter, sondern auch Tierarzt, Besamungstechniker und Klauenpfleger.
Sicherheitsfangfressgitter
Sie gehören zu den wichtigsten Sicherheitseinrichtungen im Milchviehbetrieb, vor allem bei Gruppenbehandlungen. Sie ermöglichen es, die ganze oder zumindest einen Teil der Herde auf einen Schlag zu fixieren. Das reduziert den Stress und Unfallgefahr bei der Behandlung für Mensch und Tier. Bei Arbeiten am Kopf sollte dieser zusätzlich mit einer Kopfstütze fixiert werden, die man am Fangfressgitter einhängt.

© svlfg
Fixiereinrichtungen
Die SVLFG empfiehlt die Anschaffung eines Behandlungsstandes oder eine am Behandlungsstand angebrachte Behandlungsgrube.
Gerade in Abkalbe- und Behandlungsboxen sollten Fixiereinrichtungen vorhanden sein. Besonders gut eignet sich die Kombination von Schwenkgatter mit Halsfangrahmen. Mit dem Schwenkgatter kann man einen trichterförmigen Gang bilden, damit das Rind nicht kurz vor dem Fixieren wieder abdreht. Der Halsfangrahmen kann durch einen Seilzug von hinten verriegelt werden und ist weit nach unten geöffnet, sodass sich das Tier gefahrlos ablegen kann, beispielsweise bei der Geburtshilfe.

© svlfg
8. Treibgänge richtig gestalten
- Wege müssen so gestaltet sein, dass sich die Kuh im Treibgang nicht drehen und flüchten kann.
- Treibgänge sollten möglichst nicht in einen 90°-Winkel abbiegen.
- Absperrungen müssen blickdicht sein.
- Klirrende Ketten, ungünstiger Schattenschlag oder grelles Gegenlicht können Rinder irritieren.
- Nur griffige Laufbereiche sind sicher für Mensch und Tier.
9. Enthornung
Hornstöße von Rindern können sehr schwere Verletzungen verursachen. Der erste Beitrag zur Unfallverhütung ist daher schon kurz nach der Geburt des Kalbes die Enthornung. Wichtig ist es, die Enthornung durch Beruhigen (Sedation) und Schmerzmittel so schonend wie möglich zu gestalten. Das vermindert zudem die Gefahr, dass das Kalb unkontrolliert ausschlägt und den Tierbetreuer verletzt.
10. Sicherheit im Melkstand
- Beim Umgang mit Kühen gehören Fußtritte beim Melken zu den häufigsten Verletzungsursachen für Hände und Arme. Freitragende Melkstandgerüste wirken dem entgegen.
- Die Treppenzugänge zum Melkstand sollten nicht zu steil, zu eng oder zu rutschig sein. Ebenerdige Zugänge haben Vorteile.
- Wichtig sind rutschhemmende Bodenbeläge.
- Bei Roboterbetrieben empfiehlt sich zur Euterkontrolle nach dem Abkalben und für Behandlungen bei Euterentzündungen oder Trockenstellen eine Behandlungsgrube, damit ein Euterzugang aus einer ergonomisch günstigen Körperhaltung möglich ist.